Weblog

Samstag, 1. März 2008

Gomorrha, später am Tag

Ein Schlag mit der gestreckten Hand auf die schimmernde Wasseroberfläche würde vollkommen ausreichen, dachte er. Sein Handstreich würde alles, alles neu ordnen, endlich. Beginn und Ende zugleich. Alles auf einmal. Er gestikulierte. Noch sah er, am Straßenrand auf dem Bürgersteig kauernd, die sorgfältig verlegten Pflastersteine im Wasser vage vibrieren - das sich am Gulli stauende Regenwasser war seltsam klar und er wunderte sich über seine eigene, momentane Gedankenklarheit, die ihm erlaubte, die Pflastersteine durch das Wasser zu erkennen. Er hatte diese Stelle an der Bundesstraße auserkoren für seine persönliche Revolution, seine eigene, einzige, größte, schönste. Es regnete auch nicht mehr, so dass keine Tropfen den kleinen See vor ihm aufwühlten. Er rutschte auf seinen Knien nah an die Wasseroberfläche heran, sah regungslos und ohne eine Gefühlsveränderung bemerkt zu haben in sein faltig-knöchernes, von unzähligen geleerten Flaschen gezeichnetes Gesicht. Das Wasser geriet auf einmal ganz leicht durch den Wind in Bewegung und der Wasser-Spiegel verzerrte in einer Art, die ihm augenblicklich Angst machte. Ein riesiger Schmerz kam da plötzlich aus dieser erbärmlichen Gesichtspfütze, den er nicht verstand, aber der ihm durch alle Glieder fuhr. Er richtete sich kurz mit dem Oberkörper auf und stieß ein mattes Grollen aus, den Kopf in den Nacken geworfen und die Augen zum vollends bedeckten Himmel gerichtet. Dann versuchte er sich zu beruhigen. Ein Schlag, ein Schlag würde genügen. Es wäre das Ende von allem, der Beginn von allem, Schluss mit der verdammten Sauferei, nie wieder Graben in Mülleimern, um nach Pfandgut zu suchen, das ihm zu seinem Schnaps verhalf. Ende, Anfang, Scheiße. Er grinste sein Konterfei an. Gedanken oder Gefühle entwickelten sich nicht mehr, er wartete auch nicht mehr drauf, sie fuhren Karussell mit ihm, Runde um Runde, seit Jahren, wenn er einen Gedanken hatte, rotzte er ihn aus, mehr nicht. Er fuhr mit ihnen Karussell, nein, sie mit ihm. Scheißegal, er würde es nun tun. Er schaute noch einmal hoch zum Himmel. Er würde zuschlagen, die flache Hand auf das Wasser, er würde dem verfickten Herrn Pflasterstein und auch der gnädgen Frau Hure Pflasterstein unter der Wasseroberfläche zeigen, dass er nun mit der Scheiße aufhören würde, entgültig. Er richtete sich noch einmal auf, atmete tief ein, drehte den Kopf, spie zur Seite aus. Bloß nicht in die Pfütze. Dann kniete er in seinen Lumpenklamotten fast wie ein demütig Betender am Rinnstein nieder und blickte tief in sein Konterfei in der Pfütze. "Mit mir nicht!" schrie er laut, drohend und plötzlich, zeigte mit der einen Hand auf die kotzarmselige Spiegeltype im gestauten Regenwasser, patschte mit einem Ausholschwung mit der anderen Hand flach auf die Oberfläche und verlor das Gleichgewicht. Er rutschte vom Bürgersteig in den Rinnstein, blieb bäuchlings im Regenwasser liegen und hob den Kopf. Aus der Käferperspektive sah er vor sich den Unterboden eines parkenden Autos. Rechts der Bürgersteig, unerreichbar wie das Leben selbst. Er senkte zweimal kurz die Augenlider wie zur Bestätigung dieses Taufvorgangs, legte die Hände neben den Kopf und fing an nach links zu robben, auf die Bundesstraße. Ganz langsam, aber mit einer entsetzlichen Entschlossenheit schob er seinen ausgelaugten, nassen Körper aus der Unsichtbarkeit zwischen den parkenden Autos am Straßenrand. Die Augen starr auf das Pflaster gerichtet, einen Streifen Wasser als Spur hinter sich herziehend, hörte er sich selbst zwischen seinen Zähnen weiterknirschen, "nnnniiiiiicht.....mmmmmir......nnnnrrr", bis seine eigene Stimme, die bereits mit diesen drei Worten Amok lief, von einem irrsinnigen Quietschen von Autoreifen abgelöst wurde.

Oben teilten sich Wolken.

(Mein Februar-Beitrag aus der Schreibwerkstatt

Donnerstag, 28. Februar 2008

PflichtgehinskinoTipp: Roy Andersson

Kaum jemand kennt den Film, den ich nenne, wenn mich jemand nach meinem Lieblingsfilm fragt: Songs from the second floor lief vor acht Jahren in ein paar Programmkinos (das "Han har skrivit dikter" geistert mir noch heute im Kopf herum). Für mich ist es ein absolutes Meisterwerk, ich kenne kaum vergleichbare Filme im Kino, die mich so emotional gepackt und innerlich gleichzeitig ein weises Lächeln erzeugt haben. Jetzt hat Roy Andersson, dessen Filmographie ganze vier Spielfilme umfasst, einen fünften gedreht. Du levande/dt. Das jüngste Gewitter (dt. Website). Laut FAZ ein Film "als würde Ingmar Bergman The big Lebowski verfilmen". Wieder skurril, in den typischen grauen Farben, die Protagonisten mehr abwesend denn wirklich im Leben stehend oder gar handelnd, das ganze in 47 Einzelszenen gedreht. Unbedingt angucken (Bundesstart: 20.3.08) !
Rezension bei SCHNITT.de
Kleiner Vorgeschmack:

Kleines Staunen

wenn man doch mal was tut, was man früher als langweilig und "nix für mich" abgetan hat. Aus irgendner Laune (Ausrede für: Waage-Anzeige im Bad) heraus hab ich mich heute zum Mitjoggen hinreißen lassen. Und was stelle ich fest: gar nicht so übel. Zumindest zu mehreren Leuten. Auch wenn ich zwischendurch surreal vor mich hingrübelte: "Hrmpf, die Strecke könnt ich auch in vier Minuten mitm Bus fahren, was soll der Mist hier?" ;)

Nach dem Schrecken...

frage ich mich nur noch, in welche Richtung dieser Zug unterwegs war...

Dienstag, 26. Februar 2008

5x mit der ausgestreckten Hand aufs Wasser

Jede Menge spannenden Lesestoff mit obigem Satzanfang gibt es in der Februarausgabe der Schreibwerkstatt. Und die Blogger-Geschichte, die am besten gefällt, kann natürlich gevotet werden.

Samstag, 23. Februar 2008

Nich gucken!

Auch wenn er nun Oscars abräumt und super Kritiken: ich kann von There will be blood nur abraten. Und das trotz eines sprachlosen, vielversprechenden Beginns und einer absolut avancierten Tonspur (Jonny Greenwood). Aber mir geht der Sinn des Filmes nicht auf: Ölbaron entdeckt Quellen, wird reich und zum Arsch. Ok, das reicht für ein Buch und ich meine mich zu erinnern, dass Sinclairs Buch mich vor 20 Jahren gefesselt hat, aber das mehr wegen der alten Autos die darin vorkamen (nur ein Ölbaron konnte sich so ne Kiste damals leisten). Daniel Day-Lewis spielt bedeutungsschwanger, aber wirklich interessante Passagen seines Charakterwandels werden vom Regisseur kaum ausgespielt. Die Darstellung fanatischer Freikirchen wird im prüden Amerika sicher Kritik hervorrufen, da sie sich deutlich gegen die Freiheit der Religionsausübung ausspricht, wenn diese genau so fadenscheinig und opportunistisch agiert wie die Diktatur des Kapitals. Da liegt vielleicht der stärkste Aspekt des Filmes, aber wie gesagt: viel zu dürftig ausgearbeitet. Und so bleibt es einer der vielen Helden- und Histörchen-Hollywood-Filme, die bald wieder im Untergrund der Videotheken verschwinden werden.

Mittwoch, 20. Februar 2008

Springer manipuliert Presserat?

Entweder die haben bei Springer zuviel getrunken, oder dieser Maßnahme gegen das Bildblog ist von einem üblen Witzbold verfasst worden. Das klingt ja fast nach Mediendiktatur. Das beleidigte Bildkind wehrt sich, aber mit was für unlauteren, dämlichen Mitteln? - Vielleicht sollten sich die Springer-Kollegen mal diese kleine Seite auf den Nachttisch legen, bevor sie anfangen an der Pressefreiheit zu rütteln.

Mehr dazu hier (doku vom bildblog)

Montag, 18. Februar 2008

Eine Alpensinfonie...

ist es nicht ganz geworden, aber die Serie der letzten Tage läßt zumindest eine solch visuelle Komposition zu. Und der Winterberg ist auch nur 556m hoch, aber nicht weniger imposant, wenn man die Bergstiege von Schmilka erklommen hat... Dass die Bildchen an drei verschiedenen Tagen entstanden sind, macht die Manipulation komplett, ändert aber nichts an der Schönheit der Natur :)

Nachtmorgen


Sonnenaufgang


Auf blumige Wiesen


Im Wald


(Nebel, Visionen, Gewitter, Sturm, Gipfel spar ich mir...)

Sonnenuntergang I


Sonnenuntergang II

Dienstag, 12. Februar 2008

*schmunzel*

und so landen Google-Reisende auf meinem Blog:

"Google: ravel klavierkonzert für die rechte hand"

Vielleicht sollte ich anstelle des Sonnenuntergangs oben mal ein Sackgassen-Schild hinmachen...

Nochmal Wikipedia

Irgendwann erstelle ich hier noch die Menü-Kategorie "Best of Wikipedia". Derzeit bin ich noch mit Händeübermkopfzusammenschlagen beschäftigt angesichts solcher Sätze:

"Man muss sich schon bewusst sein, wie schwer es der Komponist Sibelius hatte, wurde er doch mitten in die Spätromantik hineingeboren"

mehrLicht

Musik Kultur Dresden

Aktuelle Beiträge

Sie haben ihr Ziel erreicht.
Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, sie haben...
mehrLicht - 20. Jul, 12:04
Ein Sommer in New York...
Was für eine Überraschung, dieser Film. Der Uni-Professor...
mehrLicht - 19. Jul, 21:53
Sturmlauf zum Schlussakkord
Albrecht Koch beim Orgelsommer in der Kreuzkirche Auch...
mehrLicht - 14. Jul, 18:54
Wenn der "innere Dvořák"...
Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert Mit...
mehrLicht - 14. Jul, 18:53
Ohne Tiefgang
Gustav Mahlers 2. Sinfonie im Eröffnungskonzert des...
mehrLicht - 14. Jul, 18:51
Sich in Tönen zu (ent-)äußern
Staatskapelle Dresden spielt Schostakowitschs "Leningrader"...
mehrLicht - 14. Jul, 18:50
Chopins Cellowelten
Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie mit Sol Gabetta Für...
mehrLicht - 14. Jul, 18:48
Fest der Klangfarben
Saisonabschluss der Dresdner Philharmonie im Albertinum Verklungen...
mehrLicht - 14. Jul, 18:46

Lesen!

Hören!

van anderen

Jet Whistles / The Grand Exhalation
Jet Whistles / The Grand Exhalation (2025) Thunder...
Kreidler - 23. Dez, 04:02
Vom Buzzword zum Kollegen: Der KI-Hype hat den Gipfel erreicht
Künstliche Intelligenz (KI) prägte auch 2025...
gast - 22. Dez, 12:40
Ankündigung – Kreidler @Concertgebouw Brugge
Upcoming- www.concertgebou w.be/en/johannes-… [image. ..
Kreidler - 22. Dez, 04:31
Schwerkräfte im Vergleich
Gravity in the solar system pic.twitter.com/yrEzytrqlH —...
Kreidler - 21. Dez, 04:33
Schildkröte kapiert Skaeboarden
Just a turtle skateboarding: apparently it understood...
Kreidler - 20. Dez, 04:32
Schönheit des Fallens
pic.twitter.com/QKURohAbI6 — no context memes...
Kreidler - 19. Dez, 04:31

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

stuff

PfalzStorch Bornheim Pinguin-Cam Antarktis
Conil de la Frontera
Kram Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Status

Online seit 7307 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Jul, 02:01

Credits


Dresden
hörendenkenschreiben
nuits sans nuit
Rezensionen
Weblog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development