Rezensionen
7. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie in der Kreuzkirche
In aller Welt ist die Dresdner Philharmonie ein geschätztes Orchester, doch dass das Ensemble innerhalb der eigenen Stadt zum "Reiseorchester" wird, ist ein ziemlich absurder Vorgang. Des Kulturpalastes beraubt, wird die Philharmonie ihre kommenden Konzerte in der Kreuzkirche und im Congress Center Dresden stattfinden lassen. Dass das Zustandekommen der Ausweichquartiere in so kurzer Zeit möglich war, dafür dankte Intendant Anselm Rose vor dem 7. Zykluskonzert ausdrücklich. Ebenso zeigte das "mitgereiste" Publikum in der Kreuzkirche durch seine Anwesenheit, dass es in dieser schwierigen Zeit bis nach der Sommerpause dem Ensemble die Treue hält. Konzertmeister Wolfgang Hentrich betonte außerdem, dass das Orchester dem Wunsch nach einem dauerhaften, geeigneten Konzertort in Dresden nachgehen werde. Dies streift wiederum absurde Gefilde: in welcher Stadt Deutschlands ruft ein an Traditionen reiches, städtisches Orchester nach einem "Konzertort"? 800 Jubeljahre Geschichte reichen wohl in Dresden nicht aus, um mit der Gegenwart fertig zu werden. Die Kreuzkirche bot für das erste Konzert nach der Schließung des Kulturpalastes ein Asyl, und das geänderte Programm begann gleich mit einem Stück, das sehr gut in den Raum passte - Arvo Pärts "Cantus in memoriam Benjamin Britten" für eine Glocke und Streichorchester. Das Orchester gestaltete den herabsinkenden Klangstrom sehr intensiv und zeigte einen satten Streicherklang. Der estnische Gastdirigent Kristjan Järvi hätte für den Kreuzkirchenraum ohne weiteres noch extremere Dynamik und ein etwas ruhigeres Tempo fordern können - zu schnell verschwand der Eindruck dieses tönernen Denkmals für den geschätzten Komponistenkollegen. Der durch die notwendige Programmänderung erfolgte Verlust der Skrjabin-Werke wurde mit einer echten Bereicherung aufgefangen - das 2. Klavierkonzert F-Dur Opus 102 von Dmitri Schostakowitsch erklingt selten in den Konzertsälen, in des Komponisten OEuvre scheint es in seinem aphoristischen Duktus wie ein verborgener Diamant. Dass der junge Pianist Florian Uhlig als Solist gewonnen werden konnte, entpuppte sich als ein Glücksfall, denn dieser fand genau den richtigen Tonfall für das Werk, den man nur mit "spannender Leichtigkeit" beschreiben kann. So spielte Uhlig die Ecksätze mit brillanter Rhythmik, aber eben in lockerer, fast schon entspannter Agogik, während er den langsamen 2. Satz wie eine einzige große Rede formulierte. Diesem Klangkünstler am Klavier hörte man gebannt zu und durfte sich dann noch über eine intelligente Zugabe freuen: Louis Moreau Gottschalks Komposition, die augenzwinkernd zwischen Liszt, Chopin und salonartigen Albumblättern hin- und her hüpfte, dürfte manchem Appetit auf diesen interessanten Komponisten gemacht haben. Das Orchester begleitete im Klavierkonzert gut, doch waren einige kleine Unstimmigkeiten im Temperament zwischen Solist und Dirigent zu merken. Was Uhlig vorne am Klavier vor allem im Bereich der Nuancierung deutlich gestaltete, hätte Järvi stärker auf das Orchester übertragen müssen. Das Schlusswerk des Konzertes war die so genannte "Fünfte Sinfonie" von Brahms, das von Arnold Schönberg für Orchester instrumentierte Klavierquartett g-Moll. Die virtuose Komposition gestalte Järvi vor allem im stringend formulierten 3. Satz überzeugend. Hier fand die Philharmonie zu einer für den schwierigen Raum exzellenten Klangkultur und stimmte die Klangkombinationen im Orchester hervorragend ab. Dem Orchester gab Järvi ansonsten viele motivierende Hinweise, doch fehlte mir an manchen Stellen ein größerer Spannungsbogen, der zwingende Fluss der Musik stellte sich nicht überall ein. Um dies zu erhalten, hätte Järvi den 2. Satz etwas ruhiger angehen und die Dynamik noch flexibler gestalten können. Das überschwängliche Finale lief dann nahezu von alleine, flottes Tempo und virtuoses Spiel mischten sich zu einem sehr guten Ausklang dieses ersten "Exilkonzertes".
"Projekt Limina"von Patrick Frank im Festspielhaus Hellerau
Ein Ereignis mit Worten zu beleuchten, das in der künstlerischen Absicht schon die Betrachtung der Indifferenz postuliert, muss unzulänglich bleiben. Denn was im Festspielhaus Hellerau am vergangenen Wochenende als Projekt "Limina" (lat. "Schwelle") zu hören und zu sehen, ja auch zu fühlen war, war absichtsvoll auf die Auseinandersetzung mit "beliebiger Kunst" focussiert und zielte nicht auf Ergebnisse und Lösungen. Im Projekt greifen mehrere Ebenen ineinander - die des Schweizer Komponisten und Projektleiters Patrick Frank, der "Limina" von vornherein so konzipierte, dass sich viele Fragen unweigerlich stellen müssen, die des Rezipienten, der sich per Willensbekundung zum Besuch des Projektes dieser Auseinandersetzung mit seinem persönlichen Erfahrungshorizont öffnet, dazu der Kunst-Raum Hellerau mit seinen Freiheiten, aber eben auch räumlichen Grenzen. Es folgt ein Prozess, der dem eines "normalen" Konzertes nicht unähnlich ist. Dort eine traditionelle Konzertsituation mit vorgesetzter Musik von der Bühne. In Hellerau die Installation, ein Symposium und ein "Act", frei begehbar, dennoch ebenso "präsentiert". Und an dieser Stelle stutzt man bereits: der Indifferenz fehlt ja jegliche Konsequenz, wenn der Projektleiter vorab mit komponierten Klängen, Situationen und architektonisch gestalteten Räumen eingreift. Seine Entscheidungen beschneiden den Rezipienten, der erwünschte Diskurs über Beliebigkeit in der Kunst wird somit schon im Ansatz absurd. Die im Programmheft angesprochene Sinnfreiheit findet schon dann nicht statt, wenn Frank sich auf einen Raum, eine Projektdauer oder gar auf Instrumente festlegt. Demnach wäre eine wirklich "indifferente Komposition" utopisch. Frank scheint aber genau dieses Scheitern des Projektes vom Ansatz her gleich einzubeziehen und damit entstehen wiederum Zwischenräume der Interpretation, die spannend sein können. Denn was passiert beim Eintritt in die Installation: man wird gebeten leise zu sein, eine Black Box (im übrigen eine nicht gerade neue Idee innerhalb moderner Kunst) lädt zum Schwimmen in Wahrnehmungswelten ein, und von außen klingen die Instrumente herein, die leider kompositorisch zu oft an Bekanntes erinnern. Doch in solcher Weise die persönliche musikalische Sprache als Komponist zu verschleiern gehört eben auch zur Indifferenz - mit dem Unterschied, dass anderen Komponisten dies versehentlich passiert, Frank es aber von vornherein thematisiert. Ein Grenzgang war dies in jedem Fall, zu fragen ist, ob die Darstellungsform nicht hätte präzisiert werden können, um eben den Rezipienten noch viel stärker in den Bedeutungsraum der Indifferenz gleiten zu lassen. Als Gegenstück zum eher stillen Installationsraum fand ein ACT statt, der die "Grammatik des Glamours" in eine Tanzperformance (Konzeption Alexandra Bachzetsis) verpackte. Das war ein lauter, stilisierter und ebensowenig indifferenter Kontrapunkt, mehr aber auch nicht, denn der Focus auf Weiblichkeit und Zur-Schau-Stellung, noch dazu im Genre der Tanzperformance, war in seiner zeitlich, optisch und akustisch überdeutlichen (und damit begrenzten) Darstellung denkbar weit entfernt von der Thematik des Projektes. Die Bewegung auf der Grenze hätte sowohl im stillen Raum als auch im ACT gerne extremer ausfallen dürfen. So verließ man nach zwei Stunden dann doch einen künstlerischen Mikrokosmos, einen sinnlichen Raum, der eben fernab von Beliebigkeit war, es sei denn, man schaltet die persönliche Relativität der Erfahrung ein: Nur dann ist "a rose is a rose is a rose" eben keine Rose mehr. Das Projekt beinhaltete außerdem ein Symposium, das über die Künste hinaus die Thematik als soziologisches Phänomen betrachtete. In der Musik ist Indifferenz übrigens ein "alter Hut": Variable Interpretations-, Analyse- und Hörmöglichkeiten sind fester Bestandteil lebendig entstehender Musikerfahrung seit Jahrhunderten. Dazu lieferte Frank einen weiteren, intellektuellen Baustein, der unbedingt zeitgenössisch zu werten ist und die Diskussion fortsetzen wird.
Infos zum Projekt
Buchtipp:
(Vorträge des Symposiums)
Limina - zur Indifferenz in zeitgenössischer Kunst und Musik
hrsg. v. Patrick Frank
Pfau-Verlag, Saarbrücken 2007
ISBN 978-3-89727-358-0
Das
Swedish Chamber Orchestra gastierte in der Frauenkirche
Freie Kammerorchester stellen in der Orchesterlandschaft meist etwas Besonderes dar, wenn sie über die Gabe verfügen, ihr Profil ohne Abhängigkeit von Institutionen oder gewachsenen Traditionen schärfen zu können. Seit nunmehr zehn Jahren ist der Däne Thomas Dausgaard Chefdirigent des "Swedish Chamber Orchestra" und formte aus den Potenzialen des erst 1995 gegründeten Orchesters ein Spitzenensemble. Über die Jahre hinweg waren Zyklen mit Beethoven, Schumann und Brahms Säulen der Konzertarbeit, die Dausgaard mit einer in den Kritiken gerühmten Komplettaufnahme der Beethovenschen Orchesterwerke krönte. Derzeit befindet sich das Swedish Chamber Orchestra auf einer Deutschlandtournee und das Publikum in der Frauenkirche durfte sich auf ein hochrangiges Konzerterlebnis freuen. Die "Egmont"-Ouvertüre von Ludwig van Beethoven ist kurz, knackig und dramatisch - nur selten tritt in Beethovens OEuvre die Dramaturgie so offen zu Tage. Für Thomas Dausgaard ein Grund mehr, die vermeintlich "einfache" Partitur mit vitalem Zugriff zu bereichern und daraus ein packendes Entrée für das Konzert zu formen. Einziges Manko in allen Werken des Abends war die nicht ganz gelungene Anpassung an den Raum, vor allem die Holzbläser waren dynamisch oft unterbelichtet. Positiv fällt die Bilanz jedoch aus, was das exakte Zusammenspiel, die solistischen Leistungen (exzellente Hörner) und die sofortige Reaktion der Musiker auf Dausgaards flexibles Dirigat angeht. Da das Trompetenkonzert von Joseph Haydn in der gut ausbalancierten Interpretation durch den Solisten Håkan Hardenberger aufgrund seiner kurzen Spieldauer nur einen Appetithappen darstellte, gab es noch ein zweites Konzertstück dazu: die "MOB Pieces" des Wiener Komponisten HK Gruber sind subtil gearbeitete Unterhaltungsstücke. In der verschrobenen rhythmischen Welt, die an Satie oder Weill erinnert, lauern kleine Fallen und Abgründe, doch niemals kippt die Stimmung, ein rhythmisches Band hält die Stücke zusammen. Mit virtuoser Leichtigkeit präsentierte Hardenberger die Komposition, Dausgaard übertrug die lässige und dennoch auf Präzision basierende musikalische Haltung auf das Orchester, so entstand eine kernige Interpretation. Nach einer kurzen Pause beschloss das Swedish Chamber Orchestra das Gastspiel mit der 3. Sinfonie von Robert Schumann, der so genannten "Rheinischen". "Türen öffnen", unter diesem Motto ist gerade erst eine Schumann-Aufnahme des Orchesters im Handel erschienen. Das Motto, oder besser, die Interpretationshaltung, konnte man auch nahtlos auf das fulminante Hörerlebnis der "Rheinischen" im Konzert anwenden. Man erlebte ein Orchester, das eine gute Kommunikation untereinander betreibt; dazu einen dynamischen Dirigenten, der für die Partitur nicht nur ein Detailverständnis hat, sondern auch die Sätze zu großen Bögen zusammenfasst. Flotte, aber kontrollierte Tempi fügten die Interpretation zu einem großen Ganzen, wodurch Schumanns Partitur so frisch erschien, als wäre die Tinte noch nicht lange getrocknet. So macht romantische Orchesterliteratur Spaß. Skandinavisch - mit Sibelius' "Valse Triste" und einem Stück aus Hugo Alfvéns Ballett "Der Bergkönig" als Zugabe - verabschiedete sich das Orchester unter großem Applaus aus der Frauenkirche.
CD-Tipp:

Schumann, Sinfonien 2+4, Ouvertüren - Swedish Chamber Orchestra, Thomas Dausgaard
Jan Voglers neue CD "My tunes" wandert mit dem Cello durch die Welt
Die Diskografie des Dresdner Cellisten Jan Vogler wächst beständig. Nach dem Cellokonzert von Dvorák, das Vogler 2005 mit den New Yorker Philharmonikern aufnahm, widmet er sich nun seinen Lieblingsmelodien:
"My Tunes"heißt die am 16. Februar bei Sony erschienene und im vergangenen Oktober in der Lukaskirche aufgenommene CD unspektakulär und betont im Titel die persönliche Auswahl. Schaut man in den Plattenschrank und betrachtet die schier unübersichtliche Masse von "Favourites", "Encores" und "Melodien", die vor allem Instrumentalsolisten gerne veröffentlichen, so hofft man inständig, diese CD würde nicht eine weitere der austauschbaren Virtuosen-Porträts sein. Doch solche Bedenken sind bei Vogler unangebracht, denn "My tunes" überzeugt vom ersten Track an mit einer klugen und spannenden Werkauswahl. Im Vordergrund der CD steht ein Grundgefühl von nachdenklicher Melancholie und von Sehnsucht, die aus Liebe, aber auch aus Trauer und ernster Betrachtung des Lebens erwachsen kann. Hinter den kleinen Stücken mit Orchesterbegleitung stehen viele persönliche Erfahrungen von Jan Vogler - es sind Werke, die ihn durch das Leben begleitet haben oder mit bestimmten Orten und Personen verbunden sind. Seine zweite Heimat USA ist etwa mit Dvoráks Rondo g-Moll, dem "Prayer" (Gebet) von Ernest Bloch, aber auch mit dem berühmten Song "Moon River" aus dem Film "Frühstück bei Tiffany" von Henry Mancini vertreten. Die "alte Welt" wird auf der CD allem durch Johann Sebastian Bach bestimmt, doch die Cellosuiten sind hier nicht Gegenstand der Betrachtung. Vogler wählte Arien aus der Kantate "Ich habe genug" BWV 82 und deutet diese Betrachtung eines vollendeten Lebens mit "singendem" Cello, das den Vokalpart übernimmt, beinahe philosophisch aus. Aus St. Petersburg schließlich erklingen Melodien von Peter Tschaikowsky und Carl Davidoff. Einige der Piècen, etwa die Orchesterfassung von Davidoffs "Am Springbrunnen" erklingen in der Instrumentation des Dresdner Komponisten und Dirigenten Manfred Grafe und sind somit Weltersteinspielungen. Die Dresdner Kapellsolisten unter Leitung von Helmut Branny sind verlässliche Partner von Voglers Spiel und verschmelzen sehr gut mit dem weichen Klang des Cellos. Wer meint, vom Cellorepertoire alles zu kennen, erfährt mit Jan Voglers CD auf jeden Fall eine Bereicherung. Und wer sich zu ruhiger Musik einfach nur abends entspannen will, liegt mit dieser Aufnahme sowieso goldrichtig.

Jan Vogler, My Tunes, Sony BMG
Truls Mørk und David Robertson musizierten mit der Staatskapelle Dresden
Wenn ein Gastdirigent vor einem Konzert erkrankt, heißt es schnell einen "freien" Ersatzdirigenten zu finden, der möglichst auch noch Teile des Programms übernimmt. So bedeutete es mehr als einen glücklichen Umstand, dass der Amerikaner David Robertson nicht nur Zeit für das Gastspiel hatte, sondern auch das sehr anspruchsvolle Programm des 7. Sinfoniekonzertes der Sächsischen Staatskapelle komplett erhalten konnte. Robertson steht schon seit längerer Zeit auf der Wunschliste für Kapell-Dirigenten, und wieder einmal zeigte sich das Phänomen, dass der "Einspringer" eine nicht nur überzeugende, sondern in vielen Punkten auch faszinierende Leistung zeigte. Das Konzert begann mit einem der beliebtesten Cellokonzerte - das Werk von Edward Elgar gehört zum Repertoire aller berühmten Cellisten rund um den Erdball, wohl vor allem wegen seiner "singenden" Natur, der melancholischen Grundhaltung und der besonderen Stellung des Soloinstrumentes. Das Bekannte birgt vor allem beim Hörer selbst Gefahren. Natürlich hat man die persönliche Version im Ohr, aus früheren Konzerten oder von der Schallplatte. Daher war es um so frappierender, das der norwegische Solist Truls Mørk, der zum ersten Mal mit der Staatskapelle musizierte, diese "Ohrwürmer" gleich mit den ersten Takten wegwischte - Mørk ist eine starke Künstlerpersönlichkeit, die keine Vergleiche scheut. Seine Darstellung fußte vor allem auf einem unablässigen Fluss der Melodie und auf einer klaren Darstellung, die auf kluge Weise zupackendes Temperament und verträumte Ruhe auslotete. Ständig befand sich Mørk in lebendigem Kontakt mit den Kapellmusikern und formte gemeinsam mit Robertson eine atmende Darstellung, die den Ausdruckswelten von Elgar in besonderer Weise gerecht wurde. Auch in den schnellen Passagen zeigte Mørk einen stets weichen und transparenten Klang, das war durchweg überzeugend. Einige kleine Zögerlichkeiten in der Orchesterbegleitung fielen da kaum ins Gewicht.
Man möchte kaum glauben, dass nach der Pause eine Erstaufführung in den Kapellkonzerten erklang: Béla Bartóks Tanzspiel "Der holzgeschnitzte Prinz" wird in den Konzertsälen kaum einmal höchstens als Suite aufgeführt, dabei zählt diese Partitur zum Faszinierendsten, was das beginnende 20. Jahrhundert zu bieten hat. Robertson musizierte mit der Kapelle das komplette Tanzspiel und schaffte es sogar, Tänze, Übergangsmusiken und viele Details zu einem theatralisch anmutenden Ganzen zu formen. Hier zeigte sich die Kapelle in hervorragender Laune, es war schlicht überwältigend, wie vor allem in den zahlreichen Tutti-Passagen ein klar abgestufter und in seinen vielen Schattierungen stets deutlicher Klang entstand. Robertson geleitete die Musiker mit großer Präzision, aber auch genügend Freiheit zum Ausmusizieren durch die fast einstündige Partitur. Zwischen "hölzernen" Englisch-Hörnern, kompromisslosen Posaunenglissandi und feinen Klarinettensoli gab es eine Menge zu entdecken und man folgte Prinz und Prinzessin bei der märchenhaften Begegnung in der ganz eigenen Musiksprache Bartóks, die nur gelegentlich zu Strawinsky, Strauss oder Ravel hinüberzwinkert. Einen großen Applaus erhielt David Robertson für sein überaus gelungenes Debut bei der Kapelle; zu hoffen ist, dass sein voller Terminkalender dennoch ein Wiederhören in Dresden ermöglicht.
6. Zykluskonzert mit Brahms-Werken zum Dresdner Gedenktag
Wenn in Dresden des 13. Februars 1945 gedacht wird, findet dies in jedem Jahr seinen Ausdruck nicht nur im stillen Gedenken, sondern auch im klingenden eines Konzertes. Zu diesem Anlass eignen sich nicht nur die Requiemkompositionen verschiedener Komponisten, auch die Musik von Johannes Brahms passt in ihrer nachdenklich-ernsten, aber eben oft auch trostvollen Weise zu diesem Anlass - die "weltlichen" Textgrundlagen verdeutlichen das Ringen des Menschen mit dem Leben. So wählte die Dresdner Philharmonie zu ihrem 6. Zykluskonzert Chor- und Orchesterwerke aus: am Montagabend erklang die 1. Sinfonie C-Moll, Opus 68, am Gedenktag die 3. Sinfonie F-Dur Opus 90. Gekoppelt waren diese Werke an seltener zu hörende Chorwerke mit Orchester, die aber gleichsam in der kleinen, kompakten Form Brahms' Meisterschaft in der Vokalkomposition wie in der Orchesterbehandlung darstellen. Der Chefdirigent Rafael Frühbeck de Burgos leitete das Programm, mit dem die Philharmonie übrigens in dieser Woche noch in Bremen und Berlin gastiert, mit "Nänie" (nach Schiller), Opus 82 ein. Die "EuropaChorAkademie" (Einstudierung: Joshard Daus) konnte hier wie in allen vorgestellten Chorwerken mit klarer Textverständlichkeit und unstrittiger Intonation überzeugen. Frühbeck de Burgos modellierte die Werke deutlich, arbeitete in den a-cappella-Stellen die Phrasierungen heraus und sorgte für einen insgesamt warm klingenden Orchestersatz. Der einzige Makel, der sich besonders deutlich im "Schicksalslied" offenbarte, war eine Begrenzung im Legato-Strom des Chores. Einige Male versandeten die großen Bögen im Bemühen von zu deutlicher Deklamierung; in der letzten Strophe konnte man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass der natürliche Spannungsfluss ins Stocken geriet. Dennoch überzeugte diese Aufführung der Chorwerke durch viele gemeinsam ausgeführte Nuancen und einen angenehmen Gesamtchorklang. Im zweiten Teil des Konzertes erklang die 1. Sinfonie c-Moll, Opus 68 von Johannes Brahms in ungewöhnlicher Weise, nämlich mit vierfachen Holzbläsern. Diese künstlerische Entscheidung rückte zwar den Forte-Klang einige Male gefährlich nahe an eine Strauss-Partitur (und die Homogenität wird eher schwieriger), ansonsten hatte diese Variante keine nennenswerten Auswirkungen im Kulturpalast. Frühbeck de Burgos zog den 1. Satz straff durch, hier waren feine Abstufungen und ein spannungsreiches Vorwärtsdrängen zu hören. Im zweiten Satz vermisste ich eine echte Piano-Kultur, vieles drang hier zu sehr in den Vordergrund, insbesondere beim Geigen-Solo von Heike Janicke hätte ich mir einen etwas lichteren Orchestersatz gewünscht. Der dritte Satz verlief wiederum angenehm, doch im Finale, von einem brillanten Hornquartett abgesehen, war zuviel in Unordnung. Die in den vorherigen Sätzen vorgestellte Qualität war hier nicht vorhanden. In den hohen Streichern misslangen vor allem Tremolo-Läufe, der Beginn des Allegros war auseinander. Eine schärfere Pronouncierung (Staccato-Viertel) und die Finaltakte im Originaltempo wären weitere Wünsche gewesen. Doch insgesamt, so zeigte der große Applaus, konnte man mit diesem Konzert zufrieden sein.
5. Zykluskonzert mit
Sergej Nakariakov und
Olari Elts
Ein russisch-armenisches Programm, geleitet von einem estnischen Dirigenten, bot die Dresdner Philharmonie am Wochenende im 5. Zykluskonzert der laufenden Saison. Peter Tschaikowskis große Orchesterwerke und Sinfonien sind den Zuhörern geläufig, sie erklingen regelmäßig in den Konzerten. Die Bühnenmusik zu "Schneeflöckchen", die zeitlich etwa mit der Entstehung seiner 2. Sinfonie zusammenfällt, ist nicht im Konzertrepertoire verblieben. Der junge Gastdirigent Olari Elts musizierte mit dem Orchester drei Sätze aus diesem "Frühlingsmärchen". Angesichts der raffinierten Orchestrierung war diese Aufführung eine Bereicherung, wenngleich der "Tanz der Gaukler" in einem wahren Geschwindigkeitsrausch zwar jede Menge Phonstärken entfaltete, Elts aber dem stetig hinterherhechelnden Orchester vor allem etwas hätte nachgeben sollen, um schnellen Binnenwerten der Partitur eine deutlichere Zeichnung zu geben. Ein wahrer Star der Klassik-Szene war dann im Kulturpalast zu erleben: Sergej Nakariakov gilt weltweit als einer der besten seiner Zunft - seiner Trompete entlockte er auch im Philharmoniekonzert wahrlich "goldene" Töne. Das Instrument selbst ist stets von den Komponisten sträflich vernachlässigt worden. Zwischen Haydn, Hummel, Schostakowitsch und Zimmermann bekommt man vielleicht ein Dutzend bekannte Trompetenkonzerte zusammen - Alexander Arutjunjans Beitrag aus dem Jahr 1950 hat vor allem aufgrund seiner Eingängigkeit ins Repertoire gefunden, ansonsten ist der 1920 geborene Komponist in westlichen Gefilden kaum vertreten. Nakariakov wirkte auf der Bühne äußerst unprätentiös, stellte sich ganz in den Dienst der Musik und spielte das Konzert mit einer kompromisslosen Selbstverständlichkeit, die fast vermuten lässt, der Solist sei mit den paar Noten unterfordert gewesen. Ist dies ein Kompliment? In jedem Fall, denn die kleine Zugabe zeigte dann doch einen winzigen Ausschnitt derjenigen Virtuosität, die Arutjunjans Konzert ihm eben nicht abforderte - dieses Trompetenkonzert betonte mehr die singbaren, volkstümlich anmutenden Melodiewelten. Nakariakovs absolut reine und klare Klanggebung ist dennoch einzigartig und bewundernswert. Etwas grob und nicht unbedingt vertraut mit dem Werk zeigte sich das Orchester, das vor allem im ersten Teil des Konzertes im Zusammenspiel mit Elts und dem Solisten nicht gut ausbalanciert war, dann aber immer besser "ins Spiel" fand. Sergej Rachmaninows 3. Sinfonie, die nach der Pause erklang, atmet russische Seele im amerikanischen Exil des Komponisten. Im Gegensatz zur breit angelegten 2. Sinfonie ist Rachmaninows letzte Sinfonie zwar knapper formuliert, dafür aber verstrickt sie sich oft in zielloser Kontrapunktik, dem ein angestrengtes Fugato im letzten Satz die Krone aufsetzt. Olari Elts zeigte mit der Philharmonie zwar eine insgesamt gute Leistung, überzog aber auch hier manchmal die Tempi, dadurch verwischten die Strukturen. Etwas mehr Ruhe in den Übergängen und eine konsequente dynamische Abstufung hätte ein besseres Ergebnis gebracht. Insbesondere bei den Blechbläsern waren auch manche Akkorde überprüfenswert. Positiv fielen jedoch viele kantable Passagen auf, die Elts rubato ausmusizieren ließ und so den Philharmonikern Möglichkeiten zur flexiblen Gestaltung in den zahlreichen Soli gab.
Hugh Wolff zu Gast bei der Dresdner Philharmonie
Der amerikanische Dirigent Hugh Wolff leitete bis 2006 fast ein Jahrzehnt das Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks, er setzte sich dort vor allem für die Musik der Wiener Klassik sowie für zeitgenössische und amerikanische Musik ein. Die Vielseitigkeit des Repertoires und das Streben nach außerordentlicher Qualität, die Rundfunkorchestern zu eigen ist, brachte Wolff auch zu seinem Dresdner Gastspiel beim 4. Philharmonischen Konzert mit. Nicht jeder Dirigent beginnt ein Konzert gleich mit einer kompletten Sinfonie. Hugh Wolff wählte die 3. Sinfonie, die "Schottische", von Felix Mendelssohn-Bartholdy aus, ein Werk, was in der Rezeption immer noch ein wenig vernachlässigt eher gelegentlich auf Programmzetteln erscheint. Wolff öffnete gemeinsam mit der Dresdner Philharmonie eine Schatztruhe voller Klangzauber und fein abgestufter Nuancen. Der Kopfsatz hatte ein straffes Metrum, wirkte dabei aber überlegt ausmusiziert. Dem schloss sich ein - ganz nach Mendelssohns Tempovorschrift "assai vivace" - äußerst flottes Scherzo an, in dem Wolff aber Maß hielt und immer wieder zu neuem Schwung ansetzte. Attacca-Übergänge und ein selbst im Adagio flüssiges Musizieren formten ein frisches, von aller Patina befreites Mendelssohn-Bild, dem Wolff mit einem übersichtlichen, moderat abschließenden Finale noch einen weiteren persönlichen Akzent hinzufügte - eine schlüssige Interpretation. Obwohl Béla Bartók sein Bratschenkonzert vor seinem Tod nicht mehr fertigstellen konnte, hat die rekonstruierte Fassung einen festen Platz in den Konzerthäusern gefunden. Der aus Litauen stammende Solist Julian Rachlin dürfte weder mit der Berufsbezeichnung "Geiger" noch mit "Bratscher" zufriedenstellend benannt sein - er spielt beide Instrumente, und dies auf einem weltweit beachteten hohen Niveau. Gleich zu Beginn des Konzertes konnte man Rachlins voluminösen Bratschen-Klang bewundern und wurde diesen auch nicht mehr los, denn Rachlin formte bis zum letzten Ton des Bartók-Konzertes eine packende, "sprechende" Darstellung, die voller Leidenschaft und Dramatik war. Dabei ging er oft frei mit dem Material um, verstärkte aber dadurch den ohnehin oft ruhelosen, intensiven Charakter der Partitur. Im 2. Satz fand Rachlin tröstende, warme Ruhepunkte und brannte schließlich im 3. Satz ein virtuoses Feuerwerk ab, das nur zu Beginn gemeinsam mit Hugh Wolff etwas zu überhitzt angegangen wurde. Zeitlich parallel zu Bartóks letzten Werken entstand 1945 Igor Strawinskys "Sinfonie in drei Sätzen" - ein Stück, das mit dem Etikett Neoklassizismus nur unzulänglich klassizifiert werden kann. In vielen Schattierungen schimmert diese Sinfonie, die traditionelle Elemente zwar selbstverständlich einbezieht, aber avanciert verarbeitet. Wolff setzte in der Interpretation quasi auf eine eigene Retrospektive Strawinskys. Er legte den Akzent auf rhythmische Transparenz und eine punktgenaue Darstellung der schroff gestalteten Harmonik; auf diese Weise schlug Wolff eine Brücke zu den frühen Ballettmusiken Strawinskys. In dem komplexen Stück blieben in der Balance und Präzision sicherlich noch Potenziale zur genaueren Darstellung, angesichts knapp bemessener Probenzeit war das Konzertergebnis jedoch eine sehr gute Leistung.
Silvesterkonzert der Dresdner Philharmonie
"Spielen die immer so leise?" fragte mich meine Begleitung im Silvesterkonzert der Dresdner Philharmonie, obwohl vorne auf der Bühne die Schlagzeuger und Blechbläser des Orchesters ihr Bestes gaben. Nunja, in anderen Städten der Republik ist man bessere Säle gewohnt, man hört dort das Sinfonieorchester plastisch und direkt, vor allem, wenn man laut Karte in einer "Loge" sitzt. Im Laufe des Konzertes wurde Chefdirigent Frühbeck de Burgos gefragt, was er sich für 2007 wünsche. Seine Antwort "den Frieden in der Welt" dürfte ebenso schwer realisierbar sein, wie in Dresden lediglich einen neuen Konzertsaal zu bauen. Dies aber fiel Frühbeck nicht einmal als Wunsch ein, insofern warten wir stattdessen auf den Frieden in der Welt und erfreuen uns an leicht verdaulichen Encores, die in diesem Jahr, pardon im letzten, nein, in beiden Jahren - denn die Musiker setzten das Programm insgesamt viermal an Silvester und Neujahr an - auf dem Programm standen. Unbedingt erwähnenswert ist die interessante Dramaturgie des Abends, die einen Bogen von Mozart bis Luciano Berio spann und dabei sogar seltene Kostbarkeiten wie Orchesterstücke aus "Schwanda der Dudelsackpfeifer" von Jaromir Weinberger präsentierte. Wieder einmal standen Mikrofonbatterien auf der Bühne, und wieder einmal behinderte die CD-Aufnahme leider ein befreites Aufspielen des Orchesters. Gar zu gekünstelt und akkurat wirkten manche Stücke, vor lauter bravem Spiel ging dann eher aus Konzentrationsgründen mehr daneben als sich in den Saal an Stimmung übertrug. Gleich zu Beginn fehlte in Mozarts "Le nozze di Figaro"-Ouvertüre die rechte Balance, hier war das Fagott sehr präsent. Zwei slawische Tänze von Dvorak litten unter zu gemäßigten und unausgewogenen Tempi, böhmische Tanzlust wollte dort nicht aufkommen. Auch der Ausflug in die k.u.k.-Monarchie misslang, der Einsatz des Tanzes im "Kaiserwalzer" wurde von Frühbeck de Burgos in sehr eigensinniger Weise mit Dehnungen versehen, der tänzerische Schwung wurde dadurch brüchig. Dieser gemäßigte, gediegene und etwas aufgesetzte Duktus der ersten Konzerthälfte war auch in Anna-Katharina Mucks Moderation präsent, die den ungarischen Tanz von Johannes Brahms mit einer Emphase ankündigte, als würde man entweder der Uraufführung beiwohnen oder befinde sich unter lauter Schwerhörigen. Beides war nicht der Fall und so war erfreulich, dass die Schauspielerin im zweiten Teil des Konzertes in weitaus natürlicherer und angenehmerer Weise interessante Texte zum Jahreswechsel vortrug. Auch in den Interpretationen ging es nun um einiges spannender zu, das lag zum einen an der nun weitaus südlicheren Herkunft der Kompositionen, zum anderen waren die Stücke bestens präpariert, da diese bereits auf Tourneen der Dresdner Philharmonie als Zugabe zu hören waren. So kam nun auch das Dresdner Publikum in den Genuss von Gerónimo Giménez' Paradestück "La boda de Luis Alonso" und auch das Intermezzo aus "Goyescas" von Enrique Granados gelang vorzüglich. Dass Frühbeck de Burgos auch das Publikum bestens im Griff hatte, bewies die "Zugaben-Zugabe", ob die nuanciert vorgeklatschte Radetzkymarsch-Fassung des 15 Uhr-Konzertes auf der CD zu hören sein wird, ist noch fraglich. In Reihe 7 wurde das Piano schlecht abgenommen. Und das, obwohl Frühbeck de Burgos bereits zum zweiten Mal ansetzte. CD-Aufnahmen sind eben nichts für Silvesterkonzerte...
Mozart und Beethoven/Strauss bei der Dresdner Philharmonie
Dass das Resümée des 4. Zykluskonzertes der Dresdner Philharmonie bereits im Programmheft zu lesen war, ist nur eines der vielen Kuriosa in diesem Konzert: "Strauss-Kenner und -Liebhaber stehen heute ratlos vor diesem Wiederbelebungsversuch, mit dem schon die Beethoven-Freunde nicht recht glücklich gewesen waren." Besser hätte der Autor des Textes über Strauss' Bearbeitung der "Ruinen von Athen" von Ludwig van Beethoven meine Stimmung nach dem Abend nicht beschreiben können. Wenn man Raritäten der Konzertliteratur wiederbelebt, sollte man sie entweder in einen aktuellen, spannenden Kontext bringen oder zumindest gute Gründe für diese Auferweckung mitbringen. Beides war im Konzert nicht der Fall. Wolfgang Amadeus Mozarts Ballettmusik aus der Oper "Idomeneo", die vor der Pause erklang, hätte im Kontrast zu Werken von Charpentier oder Lully eine gute Figur gemacht, denn in dieser Tradition steht die Einbindung der Ballettmusik in die auch im Wortsinn spektakuläre Oper, die Mozart selbst mit großer Leidenschaft schrieb und die nicht nur Darstellung, sondern auch auskomponierte Überwindung alter Traditionen bedeutet. Auch eine der mittleren Sinfonien Mozarts hätte die Qualität der Musik deutlich gemacht. Im Kulturpalast standen die hübschen Ballettsätze aber allein auf weiter Flur, freuen konnte man sich nur am kultivierten, weichen Spiel der Philharmoniker. Fassen wir nun einmal kurz die tragische Geschichte der "Ruinen von Athen" zusammen: Nach der Uraufführung in Pest verschwand das Werk in der Versenkung, Beethoven selbst bearbeitete Teile daraus mehrfach. Richard Strauss versuchte mit Hugo von Hofmannsthal die Wiederbelebung und komponierte als einzige Zutat ein Melodram ein, bei dessen unverhohlen benutztem "Alpensinfonie"-Thema ich mich im Konzert innerhalb der Beethovenwelt nahezu "im falschen Film" vermutete. Auch die Strauss-Fassung hatte bei der Uraufführung nur mäßigen Erfolg. Philippe Entremont, Gastdirigent des 4. Zykluskonzertes, setzte das Werk nun auf das Programm und müßte eigentlich angesichts der kadenzlastigen, oft homophonen und in den rein orchestralen Ballettteilen furchtbar langweiligen Partitur selbst Zweifel bekommen, ob ihm hier ein spannender Konzertabend gelingt. Das lustlos hinkomponierte Chorfinale innerhalb des angestaubten Textes von August von Kotzebue sowie rasselnde Orchesterfiguren, die eigentlich noch Mannheimer Provenienz sind, sind weitere Beispiele des Scheiterns eines Gelegenheitswerkes. Philippe Entremonts vornehmlich steifes Dirigat half da wenig, zumindest die Kleinodien eines Hornquartetts und eines Cello-Solos blieben im Ohr; in vielen Teilen des Werkes hätte man sich jedoch mehr Präzision und Zugriff gewünscht. Der Philharmonische Chor hatte wenige, z.T. aus der Komposition begründbar undankbare Aufgaben und bewältigte diese (vor allem in puncto Textverständlichkeit) gut, wenngleich der Gesamtklang der Damen in der Höhe nicht befriedigend ist. Die Solisten Abbie Furmansky (Sopran) und George Mosley (Bariton), sowie der Sprecher Lars Jung interpretierten ihre Partien souverän, lediglich Vincent Pavesi (Bass) wirkte angestrengt. Natürlich sollen gerade die Zykluskonzerte der Philharmonie den Raum für Entdeckungen jenseits des Repertoires geben, doch anstelle des Notenschrankes der großen Komponisten würden manch vergessene Zeitgenossen (erinnert sei z.B. an den Beethoven-Schüler Ferdinand Ries) ungleich spannendere musikalische Erlebnisse bieten.