Montag, 23. April 2007

Wandlung

Merken: Oft ist in einem extremen Ereignis eine Tür verborgen. Grenze, Schwelle, Übergang - in dramatischem Zeitfluss, der stillzustehen scheint öffnen sich Horizonte, wechseln die Farben und Raumdimensionen, schmeckt, riecht, atmet plötzlich (oder allmählich) alles anders. Nur niemals nach dem Warum der Situation fragen. Es klingt, wie es klingt, wenn es klingt. Sic.

Lass alles geschehen, genieße JEDEN Tag.

Und: NICHTS ist sicher.

Freitag, 20. April 2007

Kultivierte Achterbahnfahrt

Brass-Variationen bei "Philharmoniker-Anders"

Ein Sinfonieorchester birgt in seiner klanglichen Vielfalt ja die unterschiedlichsten Kammerbesetzungen in sich - neben den Kammerkonzerten ist es vor allem die Reihe "Dresdner Philharmoniker - Anders", die nicht nur interessante Besetzungen zusammenbringt, sondern auch die stilistischen Grenzen in einem Programm mühelos überspringt. Das war auch im 4. Abend im Alten Schlachthof der Fall. Das "Allround Brass Consort Dresden" mit Musikern aus beiden großen Orchestern der Stadt trägt die Aufgabe schon im Ensemblenamen: "Allround" heißt soviel wie: alles möglich, alles machbar. Das Consort tritt in einer großen Blechbläserbesetzung auf, in der auch Zusatzinstrumente wie das Corno da Caccia vertreten sind. Und will es der Komponist, dann wird die Tuba auch mit der E-Gitarre eingetauscht. Gespannt sein durfte man auf das Cellokonzert von Friedrich Gulda, dem zwei allbekannte Werke vorausgingen - Händels "Einzug der Königin von Saba" dürfte den Dresdnern als Straßenmusik in furchterregender Interpretation geläufig sein, in der Bearbeitung für großes Brass-Ensemble erklang dieses Stück als festliche Intrada zum Konzert. Statt mit zwei Händen bemühten sich alsdann 26 Hände um die Préludes cis-Moll und g-Moll von Sergej Rachmaninov: die Klavierstücke erklangen in wirkungsvoller Bearbeitung. Liebevoll wurde zwischen den Stücken moderiert, doch so rechte Stimmung kam im nur halb gefüllten Saal noch nicht auf, selbst das Hauptstück des 1. Teils konnte nur ansatzweise überzeugen. Friedrich Guldas Cellokonzert ist ein Ausnahmewerk dieser Gattung. Instrumentiert mit Bläsern, Gitarren und Schlagzeug schafft es den nahezu shizophrenen Dauerspagat zwischen alpenländischer Seligkeit und rockigen Cello-Riffs, komponiert wurde es wohl zwischen mehreren Gläsern Rotwein für den Freund Heinrich Schiff. Was sich von der Bühnenrampe übertrug, war mir jedoch teilweise viel zu brav und "klassisch" und passte nicht zu Guldas extrovertiertem "Wurf". Victor Meister, Cellist der Philharmonie, ist hoch anzurechnen, dass er sich überhaupt für diesen halsbrecherischen Solopart entschied, doch ihm fehlte vor allem in den ersten beiden Sätzen (Chick Corea muss beim Komponieren dort auch mitgeholfen haben...) der Mut zur Übertreibung und zum temperamentvollen Ausdruck. Das Stück benötigt einen wahren Teufel am Violoncello, Meister jedoch blieb weitestgehend gelassen und die konzentrierte Atmosphäre hätte sich an einigen Stellen besser freisprengen sollen. Das freie Spiel war zwar im Finale stärker vorhanden, doch die Interpretation war auch im Orchester (Leitung Olaf Krumpfer) zu sehr vom guten Willen durchzogen, das Stück "ordentlich" zu präsentieren. Genau diese Haltung relativiert aber Guldas musikalische Achterbahnfahrt zu sehr. Im 2. Teil des Konzertes standen zunächst Kompositionen von Peter Tschaikowsky ("1812"-Ouvertüre) und Enrique Crespo auf dem Programm. Das angekündigte Nyman-Werk musste entfallen, stattdessen gab es zum Abschluss ein Medley aus Filmmusiken zu "James Bond". Das löste großen Jubel beim Publikum aus, verständlich war dies vor allem wegen des kultivierten und überlegten Gesamtklangs des Ensembles, der nur selten in schnellen Passagen insbesondere in der Trompetensektion einige Intonationsflüchtigkeiten aufwies. Zwischen vollen, warmen Piano-Flächen (Crespo) und extremen Schallpegeln (Bond) war hier alles möglich und vieles bewundernswert - ein "Allround"-Ensemble eben.

Dienstag, 17. April 2007

...

Keinen Weg lässt Gott uns gehen,
den er nicht selbst gegangen wäre,
und auf dem er uns nicht vorausginge.

Dietrich Bonhoeffer

Mut zu leisen Tönen

Das Landesjugendorchester Sachsen im Frühjahrsprojekt

Das 33. Projekt des Landesjugendorchesters Sachsen bestand aus einer Arbeitswoche, die mit insgesamt vier Konzerten beendet wurden, eines davon konnten die Dresdner am Sonntag in der Dreikönigskirche erleben. Ein rein romantisches sinfonisches Programm in nicht allzu großer Orchesterbesetzung war diesmal zu bewältigen und erneut konnten die Zuhörer bemerken, in welch hervorragender Qualität sich der sächsische musikalische Nachwuchs im Orchester zusammenfindet. Solch eine Leistung wächst innerhalb der gemeinschaftlichen Probenphase und somit war zu Beginn des Konzertes auch eine gewisse Anspannung unter den Jugendlichen zu bemerken. Der hohe Anspruch, den die Musiker sich selbst setzen, wurde in diesem Konzert aber vorzüglich eingelöst. Der Gastdirigent Alexander Mayer, sonst in pfälzisch-saarländischer Umgebung tätig, präsentierte ein rein romantisches Programm, das aber eben nicht die Klangopulenz des spätromantischen Orchesters auskostete, sondern in nahezu allen Stücken kammermusikalische Feinheiten darbot. Plastisch wurde dies gleich in der Ouvertüre "Die schöne Melusine" von Felix Mendelssohn-Bartholdy in stimmungsvoller Bläserführung vorgeführt, wenngleich der Beginn vor allem im Streicherapparat noch von etwas Lampenfieber und Vorsicht geprägt war. Mayer legte aber ein frisches Tempo vor und das Orchester kam im Laufe des Werkes immer besser in Schwung. Vom Leipziger Gewandhauskapellmeister Carl Reinecke erklingen selten Kompositionen in den Konzertsälen, eines seiner reifsten und intensivsten Stücke, das Flötenkonzert D-Dur, Opus 283 ist jedoch vor allem aufgrund des Engagements der Solisten öfter zu hören. Was die in Leipzig studierende Soloflötistin Ina Richter in ihrer Interpretation an vielfältigen Klängen, sattem und vor allem überlegtem Ton sowie virtuos perlendem Spiel zeigte, war durchweg faszinierend. Richter formte die Melodien aus großer innerer Ruhe heraus und gestaltete etwa 2. Satz sehr intensiv, konnte sich dabei aber auch auf ein höchst aufmerksames, flexibel reagierendes Orchester im Hintergrund verlassen. Dankbar durften die Zuhörer über die Auswahl des Schlusswerkes sein, denn dieses hört man wahrlich selten, obwohl es ein musikalisches Kleinod ist: die Bühnenmusik zu "Pelléas und Mélisande" von Jean Sibelius wartet mit großer Melancholie, einem (hier wunderbar gelungenen) Englisch-Horn-Solo und zauberhaften Orchesterfarben der leisen Art auf. Alexander Mayer musizierte einige Male an der Unterkante der Tempi, dennoch wurde der Klang nie brüchig, man konnte sich über ein gutes Miteinander in den Orchestergruppen freuen. Auch der Gesamtklang blieb in der Kirche immer ausgewogen. Mit Mélisandes Tod endete das Konzert in intensiver, ruhiger Weise. Statt Glanz und Gloria (das folgt unter Garantie im nächsten Projekt, in welchem das Ensemble sein 15jähriges Bestehen feiern wird) formulierten die jungen Musiker hier ein Exempel an Schönklang und feiner Ausgestaltung - in überzeugender Weise.

Montag, 16. April 2007

Grieg mit Charakter

8. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie in der Kreuzkirche

Ausschließlich Bekanntes gab es im 8. Zykluskonzert der Dresdner
Philharmonie zu hören, das in der Kreuzkirche am vergangenen Wochenende stattfand. Keine idealen akustischen Bedingungen für große Sinfonik also, aber Publikum und Orchester arrangieren sich mit der Situation und machen das Beste daraus. Chefdirigent Rafael Frühbeck de Burgos präsentierte zunächst die 1. Suite aus der Bühnenmusik zu "Peer Gynt" von Edvard Grieg und setzte in den ersten beiden Sätzen sogleich persönliche Akzente, denn die "Morgenstimmung" kam recht flüssig daher, hier hätte ich mir mehr Zeit zum Ausspielen gewünscht. Diese war dann in "Ases Tod" in äußerst langsamem Tempo vorhanden, und Frühbeck de Burgos nutzte die nachdenkliche Stimmung des Stückes, um im Kirchenraum besonders feines Pianissimo auszukosten. Die beiden folgenden Sätze gelangen solide, wobei "Die Halle des Bergkönigs" natürlich immer ein Stück zum Glänzen darstellt. In nördlichen Gefilden verblieb auch das Solokonzert des Abends: Das Klavierkonzert von Edvard Grieg ist bei Solisten wie beim Publikum gleichermaßen beliebt. Schön, dass der österreichische Pianist Christoph Berner nach seinem Engagement im 4. Kammerkonzert erneut im philharmonischen Rahmen brillierte. Seine Interpretation hob sich wohltuend von den unzähligen Einspielungen dieses Werkes ab und legte deutlichen Augenmerk auf die charakterliche Themengestaltung. So modellierte Berner etwa das erste Hauptthema als Ruhepunkt des 1. Satzes und kontrastierte dazu die vielen Läufe und leidenschaftlichen Temposteigerungen. Auch in der Kadenz legte er mehr Wert auf klangliche Ausgestaltung denn auf virtuoses Feuerwerk. Letzteres hob er sich für den 3. Satz auf, bei dessen atemloser Tempogestaltung man zu Beginn zweifelte, ob das durchzuhalten war. Doch die emotionale, flexible Haltung von Berner überzeugte hier, lediglich der 2. Satz wusste einige Male nicht recht vom Fleck zu kommen. In der Orchesterbegleitung hätten vor allem die Achtelbegleitungen der Streicher stimmiger erscheinen dürfen, sicher und klangschön präsentierten sich die Hornsoli. Mit Ludwig van Beethovens 5. Sinfonie c-Moll, Opus 67 stand ein weiteres bekanntes Werk auf dem Programm, doch ein jedes Mal darf man fragen: kennt man es wirklich? Wer genau hinhört, wird auch heute noch Rätsel in den Durchführungen entdecken, harmonische Irrläufe oder ein Panoptikum von kleinen Begleitfiguren, die sich urplötzlich zu einem Orkan aufschwingen. Frühbeck de Burgos dirigierte dieses Werk mit Leidenschaft und Strenge im Tempo, ausgerechnet der Beginn kam aber doch recht langsam von der Bühne und hätte viel mehr Dramatik im Ausdruck vertragen können. Vielleicht hätten extremere dynamische Kontraste, die ja in der Grieg-Suite bereits vorgestellt wurden, der Interpretation gutgetan. Im 4. Satz jedenfalls war nur noch ein lärmender Vorwärtsdrang zu bemerken, der deutlicher hätte differenziert werden müssen, außerdem stimmten einige Bläserakkorde nicht. Die Mittelsätze waren feiner ausgehört und auch im Raum klanglich gut abgestuft. Interessant waren die von Frühbeck de Burgos durchgeführten Attacca-Übergänge und auch die internen abrupten Tempowechsel, die eben betonen, dass hier keineswegs ein Werk zur leichten Unterhaltung vorliegt - ein Konzert mit Repertoire also, das aber durchaus wieder einmal zur intensiveren Betrachtung dieser Werke einlud.

Donnerstag, 12. April 2007

Online

Bin wieder da. Aufgrund ungünstiger Kabelverlegungssituation im Flur erstmal sporadisch.

Montag, 9. April 2007

Entspannung durch Überlegung

Das "Freie Ensemble Dresden" im philharmonischen Kammerkonzert

Sinfonisch ging es zu beim 4. Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie. Das mag ein Widerspruch sein, saßen doch nur vier Musiker auf der Bühne - doch nahezu alle aufgeführten Werke des Abends hatten einen stark kontrapunktischen, dichten Charakter. Nicht ohne Grund hat ja auch Schönberg das jüngst erklungene Klavierquartett g-Moll von Johannes Brahms orchestriert. Am Ostersonntag erklang das 3. Klavierquartett c-Moll Opus 60 als Hauptwerk und Höhepunkt eines hochrangigen Kammermusikkonzertes. Begonnen hatte das "Freie Ensemble Dresden" mit einem der beiden Klavierquartette von Wolfgang Amadeus Mozart. Gerade in der Kammermusik dieses Komponisten zeigt sich, dass es einen "typischen" Mozart nicht gibt, im Es-Dur-Quartett überraschen immer wieder harmonisch kühne Wendungen, dazu ein lichter Finalsatz, der eher an Haydn gemahnt. Was die vier Musiker Gaetano d'Espinosa (Violine), Christina Biwank (Viola), Daniel Thiele (Cello) und Christoph Berner (Klavier) auszeichnet, ist ein überlegter Zugang zu allen Werken des Abends. Außerdem ist eine große gemeinsame Musizierhaltung zu bemerken, kein Primarius sticht hervor, sondern die Partituren stehen im Vordergrund des Interesses. Mozarts Quartett wurde eine reine Demonstration von Entspannung, alle Abschnitte des Werkes wurden aus der Ruhe gezeichnet, ein kultivierter, ausgehörter Klang herrschte vor. Das Quartett harmoniert so gut miteinander, dass exaltierte Grenzübertritte gar nicht notwendig sind, sondern sich aus dem Miteinander eher eine zwingende Gestaltung formt, die die Linie und den Fortgang der Musik betont, dadurch wurde etwa der langsame Mozart-Satz zu einem Schmuckstück. Christoph Berner fügt sich hier in die Klangwelt der Streicher optimal ein und präsentiert ebenfalls einen leicht perlenden Mozart-Klang, der im Kronensaal im Schloss Albrechtsberg gut trägt. An zweiter Stelle stand das Klavierquartett-Fragment von Gustav Mahler, ein ebenfalls "orchestral" wirkendes Werk, in welchem das Freie Ensemble Dresden die Dramaturgie vom Anfang bis zum Ende plastisch darstellte. Zu einem packenden Ereignis geriet die Entscheidung, Mahlers Skizze des 2. Satzes in der Bearbeitung durch Alfred Schnittke folgen zu lassen. Schnittke seziert die wenigen Takte Mahlers und formt einen eigenen, heftigen Kommentar daraus, der in vollgriffigen Klavierclustern und einem klangmalerischen Aufschrei des ganzen Ensembles kulminiert - aber genau diese Ausdrucksstärke und Übertreibung findet auch in Mahlers Scherzi Raum zur Entfaltung, insofern komponierte Schnittke nur konsequent. Nach den überschwänglichen Gesten erklang das Mahler-Fragment original und verschwand sogleich - vor allem durch die starken dynamischen Kontraste der vier Musiker gelang die Interpretation vorzüglich. Die kluge Formung einer Partitur bei beherztem Zugriff der Streicher setzte sich auch in der Brahms-Interpretation fort. Da hier nirgends "die Pferde durchgingen", was bei der drängenden Faktur der Brahms'schen Kammermusik oft allzu verständlich ist, konnte der Zuhörer alle vier Sätze optimal durchdringen. Überzeugend baute sich das Scherzo bis zum Schluss-Triller auf; der langsame Satz wurde zu einem gesanglichen Ereignis mit einem wunderbarem Cello-Solo, und das Finale war mit all seinen Abbrüchen und Anläufen als überaus leidenschaftliche Szene dargestellt. Dieses überaus geschlossen und intensiv musizierte Kammermusikkonzert der Philharmonie fand großen Beifall und wirkte nach.

Scary music

Varèse und Zappa in "Philharmoniker anders"

Dass diese hervorragende Konzertreihe der Dresdner Philharmonie überhaupt noch "anders" heißt, sollte schnellstens überdacht werden, denn rein von der Atmosphäre im Saal und vom Mut und Engagement der Musiker aus gesehen hat das mit einem "Ableger" der normalen Philharmoniekonzerte nichts mehr zu tun - die Reihe hat sich längst verselbständigt, der Alte Schlachthof ist stets gut besucht. Und so avancierte dort im Konzert am Sonnabend das Orchestergemälde "Amériques" von Edgard Varèse zum Kultstück, das Strawinskys "Sacre" maximal wie eine Gute-Nacht-Geschichte aussehen läßt. Erst recht begeistert konnte man von der fabelhaften Leistung der Philharmoniker sein, die unter Leitung von Roland Kluttig - ausgewiesener Spezialist vor allem in der zeitgenössischen Musik - nicht nur Phonstärken unter die Leute brachten, sondern auch die vielen Ebenen, rhythmischen Zellen und Wellen konsequent plastisch machten. Hier sei nur das Finale von "Amériques" genannt, in welchem Kluttig einen konsequent klaren Puls als Basis der verschiedenen klangfarblichen Ebenen aufrechterhielt und so die Apotheose wirklich bis zum Schluss spannend machte. Im Mittelpunkt des Konzertes standen jedoch drei Orchesterkompositionen von Frank Zappa - die Verbindung zu Varèse ist in vielen Passagen nahezu ohrenfällig. Überliefert ist die Geschichte, dass der junge Zappa von einer Varèse-Platte so überwältigt war, dass er mit dem Komponisten per Telefon Kontakt aufnahm. Außenseiter waren beide, dem Experiment zugeneigt ebenfalls, kritisch und zum Perfektionismus neigend auch. Das ist akribische Kunst - im Fall Zappa geht das allerdings nicht ohne untergründigen, eigenen Humor ab, der, wenn er sich wie in "Bogus Pomp" (etwa: "falsche Pracht") plötzlich Bahn bricht, jenseits von Platitüden meist eine andere, tiefere Ebene erreicht - "scary music" nannte Zappa dies selbst. Hollywood zieht dort in Schräglage vorüber, so manche Volksmusik und gar serielle Passagen lassen sich ausmachen, zum Schluss versinkt das Stück in Nikotinschwaden - Musik zum Sehen und Schmunzeln. Zappas Orchesterwerke würden kaum einer speziellen Ästhetik zuzuordnen sein - Zappa ist vielseitig und die Orchestrierungen sprechen eine eigene, starke Sprache. Und wenn "Bogus Pomp" vor dem vorzüglichen Solisten-Dramolett eine Weile klanglich ausfranst und zerfasert, so ist Zappa genau an diesen Stellen Varèse in der Ästhetik reiner Klang-Musik besonders nah. Kluttig nannte den Abend im Schlachthof mit Recht "Klang-Theater", denn die vielen Farben und Gesten sowohl in "Amériques" als auch in den Zappa-Werken sprechen für sich selbst. Schön, dass "Bogus Pomp" auf der einen Seite von der eher lichten Ballettmusik (zu der niemals jemand tanzte, aus gutem Grund) "Sad Jane" umrahmt wurde, auf der anderen Seite von "Strictly Genteel", wie "Bogus Pomp" ebenfalls ein Grenz-Stück einer stets auf der Kippe befindlichen Aussage. Zappa besaß Handwerk und Ideen genug, um große Orchesterpartituren niemals ins Banale oder gar Belanglose abgleiten zu lassen, der Grenzritt gelingt durchweg. Nicht nur für eine ganze Batterie von Schlagzeugern gab es am Samstag den "großen Auftritt", die Gleichberechtigung aller Instrumentalgruppen forderte in den Stücken von der Dresdner Philharmonie Äußerstes und die Musiker legten eine Spitzenleistung hin. Dem gleichzeitig mitreißenden, fordernden und kontrollierenden Dirigat Roland Kluttigs ist eine exzellente Darstellung dieser selten zu hörenden, reichlich genial zu nennenden Werke zu verdanken.

Spannende Leichtigkeit

7. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie in der Kreuzkirche

In aller Welt ist die Dresdner Philharmonie ein geschätztes Orchester, doch dass das Ensemble innerhalb der eigenen Stadt zum "Reiseorchester" wird, ist ein ziemlich absurder Vorgang. Des Kulturpalastes beraubt, wird die Philharmonie ihre kommenden Konzerte in der Kreuzkirche und im Congress Center Dresden stattfinden lassen. Dass das Zustandekommen der Ausweichquartiere in so kurzer Zeit möglich war, dafür dankte Intendant Anselm Rose vor dem 7. Zykluskonzert ausdrücklich. Ebenso zeigte das "mitgereiste" Publikum in der Kreuzkirche durch seine Anwesenheit, dass es in dieser schwierigen Zeit bis nach der Sommerpause dem Ensemble die Treue hält. Konzertmeister Wolfgang Hentrich betonte außerdem, dass das Orchester dem Wunsch nach einem dauerhaften, geeigneten Konzertort in Dresden nachgehen werde. Dies streift wiederum absurde Gefilde: in welcher Stadt Deutschlands ruft ein an Traditionen reiches, städtisches Orchester nach einem "Konzertort"? 800 Jubeljahre Geschichte reichen wohl in Dresden nicht aus, um mit der Gegenwart fertig zu werden. Die Kreuzkirche bot für das erste Konzert nach der Schließung des Kulturpalastes ein Asyl, und das geänderte Programm begann gleich mit einem Stück, das sehr gut in den Raum passte - Arvo Pärts "Cantus in memoriam Benjamin Britten" für eine Glocke und Streichorchester. Das Orchester gestaltete den herabsinkenden Klangstrom sehr intensiv und zeigte einen satten Streicherklang. Der estnische Gastdirigent Kristjan Järvi hätte für den Kreuzkirchenraum ohne weiteres noch extremere Dynamik und ein etwas ruhigeres Tempo fordern können - zu schnell verschwand der Eindruck dieses tönernen Denkmals für den geschätzten Komponistenkollegen. Der durch die notwendige Programmänderung erfolgte Verlust der Skrjabin-Werke wurde mit einer echten Bereicherung aufgefangen - das 2. Klavierkonzert F-Dur Opus 102 von Dmitri Schostakowitsch erklingt selten in den Konzertsälen, in des Komponisten OEuvre scheint es in seinem aphoristischen Duktus wie ein verborgener Diamant. Dass der junge Pianist Florian Uhlig als Solist gewonnen werden konnte, entpuppte sich als ein Glücksfall, denn dieser fand genau den richtigen Tonfall für das Werk, den man nur mit "spannender Leichtigkeit" beschreiben kann. So spielte Uhlig die Ecksätze mit brillanter Rhythmik, aber eben in lockerer, fast schon entspannter Agogik, während er den langsamen 2. Satz wie eine einzige große Rede formulierte. Diesem Klangkünstler am Klavier hörte man gebannt zu und durfte sich dann noch über eine intelligente Zugabe freuen: Louis Moreau Gottschalks Komposition, die augenzwinkernd zwischen Liszt, Chopin und salonartigen Albumblättern hin- und her hüpfte, dürfte manchem Appetit auf diesen interessanten Komponisten gemacht haben. Das Orchester begleitete im Klavierkonzert gut, doch waren einige kleine Unstimmigkeiten im Temperament zwischen Solist und Dirigent zu merken. Was Uhlig vorne am Klavier vor allem im Bereich der Nuancierung deutlich gestaltete, hätte Järvi stärker auf das Orchester übertragen müssen. Das Schlusswerk des Konzertes war die so genannte "Fünfte Sinfonie" von Brahms, das von Arnold Schönberg für Orchester instrumentierte Klavierquartett g-Moll. Die virtuose Komposition gestalte Järvi vor allem im stringend formulierten 3. Satz überzeugend. Hier fand die Philharmonie zu einer für den schwierigen Raum exzellenten Klangkultur und stimmte die Klangkombinationen im Orchester hervorragend ab. Dem Orchester gab Järvi ansonsten viele motivierende Hinweise, doch fehlte mir an manchen Stellen ein größerer Spannungsbogen, der zwingende Fluss der Musik stellte sich nicht überall ein. Um dies zu erhalten, hätte Järvi den 2. Satz etwas ruhiger angehen und die Dynamik noch flexibler gestalten können. Das überschwängliche Finale lief dann nahezu von alleine, flottes Tempo und virtuoses Spiel mischten sich zu einem sehr guten Ausklang dieses ersten "Exilkonzertes".

Sonntag, 25. März 2007

OFFLINE

...da Umzug vollzogen. Bin angekommen. Nur noch ohne Netz. Bis später dann.

Donnerstag, 22. März 2007

UNO-Jahr des Delfins


(Quelle)
UNO-Jahr des Delfins? Das habe ich gar nicht mitbekommen. Wusste allerdings auch gar nicht, dass es sowas wie ein "UNO-Jahr" gibt. Kein Wunder, angesichts vom "Tag der Eisenbahner", "Tag des Quartalssäufers" Himmelfahrt sowie weiterer unsinniger Feier- und Jubiläensriten bekommt man das auch nicht mit.
Natürlich dienen solche "Merkzeichen" auch dem Schutz der Umwelt, z.B. der "Vogel des Jahres", eine Aktion vom Nabu (in diesem Jahr ist es der Turmfalke). Aber bei der Delfin-Geschichte stutze ich doch sehr, insbesondere weil in der Aktion die TUI mit beteiligt ist. Hoffentlich geht der fromme Wunsch des Schutzes da nicht nach hinten los. Touristen und Zoobesucher haben selten ein Verständnis jenseits von Gafferei und Attraktion. Da erscheint mir ein Engagement bei der WDCS sinnvoller, etwa durch eine Patenschaft für Nordsee-Delfine. Oder man schaut sich einfach den größten Web-Banner der Welt an (hier ein Artikel darüber) und kommt ins Nachdenken.

Gymnasium streicht Harry Potter vom Lehrplan

"Der Zauberlehrling als Gefahr für die religiöse Erziehung?

Um eine Verletzung religiöser Gefühle zu vermeiden, wird ein Harry-Potter-Roman an einem Chemnitzer Gymnasium nicht mehr im Unterricht behandelt. Zwei Elternpaare hätten darauf hingewiesen, dass die Darstellung von Geistern im Widerspruch zur religiösen Erziehung ihrer Kinder stehe, so der Leiter des Johannes-Kepler-Gymnasiums, Stephan Lamm. Um ihre Kinder nicht diesen zwei Welten auszusetzen, baten die Eltern darum, Harry Potter als Unterrichtsstoff zu streichen. Daraufhin habe die Fachlehrerin entschieden, stattdessen das Buch "Rennschwein Rudi Rüssel" im Unterricht zu behandeln." (Quelle: tagesschau.de)

...ich erinnere mich, dass in unserem Gymnasium Schiller und Lessing gelesen wurde. Da ist wohl meine Erziehung misslungen. Mist.

Dienstag, 20. März 2007

Kein Zurück

hoyerswerdaerstr
Der Mietvertrag ist unterschrieben, morgen ist die Übergabe. Nun werde ich mit der 6. Dresdner Wohnung in 13 Jahren doch noch ein "Neustädter" - Striesen, Glasfaser und Kohleofen adé. Nur noch das kärgliche Künstlermobiliar (vorsicht ironie) muss rüber *ärmel hochkrempel* und dann hat hoffentlich bald mein 3monatiges Leben auf Kisten (die erste Wohnung in die ich umziehen wollte, hatte sich zerschlagen) ein Ende.

:)

In der Welt

Ich lasse mein Gesicht auf Sterne fallen,
die wie getroffen auseinander hinken.
Die Wälder wandern mondwärts, schwarze Quallen,
ins Blaumeer, daraus meine Blicke winken.

Mein Ich ist fort. Es macht die Sternenreise.
Das ist nicht Ich, wovon die Kleider scheinen.
Die Tage sterben weg, die weißen Greise.
Ichlose Nerven sind voll Furcht und weinen."
Paul Boldt (1885-1921)

(via Lyrikmail)
(mehr über Boldt)

Montag, 19. März 2007

Zur Waldkulturschlößchenpalastbrücke

...für die Dresdner unter den Lesern:
a) ich brauche keine Brücke
b) ich brauche auch keinen Kulturpalast

Beide Objekte, so unterschiedlich sie sind, stellen der Stadt Dresden in Projektierung / Planung und Umsetzung der Vorhaben ein Armutszeugnis aus. Seit Jahrzehnten hat die Dresdner Philharmonie keine eigene Spielstätte, wer dieses Orchester wirklich HÖREN will, muss mit ihm auf Tournee in bessere Säle fahren. Holterdipolter wurde der Saal nun mit sofortiger Wirkung aus "Brandschutzgründen" geschlossen. Seit ich hier lebe, ist die Diskussion um Renovierung und Erneuerung des Kulturpalastes im Gange. Und da soll niemandem aufgefallen sein, dass in dem DDR-Prunkstück "Gefahr für Leib und Leben" besteht? Das ist keine Posse, sondern ein Irrsinn. Das Orchester, dass zumindest bis August, dann ab 2008 (natürlich nur wegen "erhaltender Renovierung" - von einer neuen Spielstätte ist längst keine Rede mehr) erneut auf der Straße steht, ist zu bedauern.
Und die Brücke? Wozu denn? Wer mir mit Entlastung kommt, bekommt von mir höchstens einen Vogel gezeigt, denn im Stau stehe ich in Dresden nur noch bei extremen Baustellen oder in Folge eines Unfalles. Die 3 Minuten, die ich durch die Brücke bei einer Fahrt von Striesen zum Heiderand einsparen würde, gönne ich mir gerne zum Betrachten der (noch) Unesco-Landschaft zwischen Blauem Wunder und Albertbrücke.
In einem guten Wikipedia-Artikel läßt sich übrigens die Chronologie des laufenden Wahnsinns in Dresden nachlesen. Mittlerweile gilt es, Welterbe (nein, nicht der Titel zählt, sondern die Landschaft selbst!) und ein OVG-Urteilgegeneinander abzuwägen. Ein Interimsbürgermeister, der überdies noch aus dem Kulturressort kommt, scheint dies übergehen zu wollen. Hoffentlich weht ihm ein starker Bürgerwindentgegen.
Aktuelle Blogmeinungen dazu bei den Umgebungsgedanken, bei Eldersign und Tourdresden

A rose is not a rose

"Projekt Limina"von Patrick Frank im Festspielhaus Hellerau

Ein Ereignis mit Worten zu beleuchten, das in der künstlerischen Absicht schon die Betrachtung der Indifferenz postuliert, muss unzulänglich bleiben. Denn was im Festspielhaus Hellerau am vergangenen Wochenende als Projekt "Limina" (lat. "Schwelle") zu hören und zu sehen, ja auch zu fühlen war, war absichtsvoll auf die Auseinandersetzung mit "beliebiger Kunst" focussiert und zielte nicht auf Ergebnisse und Lösungen. Im Projekt greifen mehrere Ebenen ineinander - die des Schweizer Komponisten und Projektleiters Patrick Frank, der "Limina" von vornherein so konzipierte, dass sich viele Fragen unweigerlich stellen müssen, die des Rezipienten, der sich per Willensbekundung zum Besuch des Projektes dieser Auseinandersetzung mit seinem persönlichen Erfahrungshorizont öffnet, dazu der Kunst-Raum Hellerau mit seinen Freiheiten, aber eben auch räumlichen Grenzen. Es folgt ein Prozess, der dem eines "normalen" Konzertes nicht unähnlich ist. Dort eine traditionelle Konzertsituation mit vorgesetzter Musik von der Bühne. In Hellerau die Installation, ein Symposium und ein "Act", frei begehbar, dennoch ebenso "präsentiert". Und an dieser Stelle stutzt man bereits: der Indifferenz fehlt ja jegliche Konsequenz, wenn der Projektleiter vorab mit komponierten Klängen, Situationen und architektonisch gestalteten Räumen eingreift. Seine Entscheidungen beschneiden den Rezipienten, der erwünschte Diskurs über Beliebigkeit in der Kunst wird somit schon im Ansatz absurd. Die im Programmheft angesprochene Sinnfreiheit findet schon dann nicht statt, wenn Frank sich auf einen Raum, eine Projektdauer oder gar auf Instrumente festlegt. Demnach wäre eine wirklich "indifferente Komposition" utopisch. Frank scheint aber genau dieses Scheitern des Projektes vom Ansatz her gleich einzubeziehen und damit entstehen wiederum Zwischenräume der Interpretation, die spannend sein können. Denn was passiert beim Eintritt in die Installation: man wird gebeten leise zu sein, eine Black Box (im übrigen eine nicht gerade neue Idee innerhalb moderner Kunst) lädt zum Schwimmen in Wahrnehmungswelten ein, und von außen klingen die Instrumente herein, die leider kompositorisch zu oft an Bekanntes erinnern. Doch in solcher Weise die persönliche musikalische Sprache als Komponist zu verschleiern gehört eben auch zur Indifferenz - mit dem Unterschied, dass anderen Komponisten dies versehentlich passiert, Frank es aber von vornherein thematisiert. Ein Grenzgang war dies in jedem Fall, zu fragen ist, ob die Darstellungsform nicht hätte präzisiert werden können, um eben den Rezipienten noch viel stärker in den Bedeutungsraum der Indifferenz gleiten zu lassen. Als Gegenstück zum eher stillen Installationsraum fand ein ACT statt, der die "Grammatik des Glamours" in eine Tanzperformance (Konzeption Alexandra Bachzetsis) verpackte. Das war ein lauter, stilisierter und ebensowenig indifferenter Kontrapunkt, mehr aber auch nicht, denn der Focus auf Weiblichkeit und Zur-Schau-Stellung, noch dazu im Genre der Tanzperformance, war in seiner zeitlich, optisch und akustisch überdeutlichen (und damit begrenzten) Darstellung denkbar weit entfernt von der Thematik des Projektes. Die Bewegung auf der Grenze hätte sowohl im stillen Raum als auch im ACT gerne extremer ausfallen dürfen. So verließ man nach zwei Stunden dann doch einen künstlerischen Mikrokosmos, einen sinnlichen Raum, der eben fernab von Beliebigkeit war, es sei denn, man schaltet die persönliche Relativität der Erfahrung ein: Nur dann ist "a rose is a rose is a rose" eben keine Rose mehr. Das Projekt beinhaltete außerdem ein Symposium, das über die Künste hinaus die Thematik als soziologisches Phänomen betrachtete. In der Musik ist Indifferenz übrigens ein "alter Hut": Variable Interpretations-, Analyse- und Hörmöglichkeiten sind fester Bestandteil lebendig entstehender Musikerfahrung seit Jahrhunderten. Dazu lieferte Frank einen weiteren, intellektuellen Baustein, der unbedingt zeitgenössisch zu werten ist und die Diskussion fortsetzen wird.
Infos zum Projekt

Buchtipp:
(Vorträge des Symposiums)
Limina - zur Indifferenz in zeitgenössischer Kunst und Musik
hrsg. v. Patrick Frank
Pfau-Verlag, Saarbrücken 2007
ISBN 978-3-89727-358-0

Montag, 12. März 2007

Fulminante "Rheinische"

Das Swedish Chamber Orchestra gastierte in der Frauenkirche

Freie Kammerorchester stellen in der Orchesterlandschaft meist etwas Besonderes dar, wenn sie über die Gabe verfügen, ihr Profil ohne Abhängigkeit von Institutionen oder gewachsenen Traditionen schärfen zu können. Seit nunmehr zehn Jahren ist der Däne Thomas Dausgaard Chefdirigent des "Swedish Chamber Orchestra" und formte aus den Potenzialen des erst 1995 gegründeten Orchesters ein Spitzenensemble. Über die Jahre hinweg waren Zyklen mit Beethoven, Schumann und Brahms Säulen der Konzertarbeit, die Dausgaard mit einer in den Kritiken gerühmten Komplettaufnahme der Beethovenschen Orchesterwerke krönte. Derzeit befindet sich das Swedish Chamber Orchestra auf einer Deutschlandtournee und das Publikum in der Frauenkirche durfte sich auf ein hochrangiges Konzerterlebnis freuen. Die "Egmont"-Ouvertüre von Ludwig van Beethoven ist kurz, knackig und dramatisch - nur selten tritt in Beethovens OEuvre die Dramaturgie so offen zu Tage. Für Thomas Dausgaard ein Grund mehr, die vermeintlich "einfache" Partitur mit vitalem Zugriff zu bereichern und daraus ein packendes Entrée für das Konzert zu formen. Einziges Manko in allen Werken des Abends war die nicht ganz gelungene Anpassung an den Raum, vor allem die Holzbläser waren dynamisch oft unterbelichtet. Positiv fällt die Bilanz jedoch aus, was das exakte Zusammenspiel, die solistischen Leistungen (exzellente Hörner) und die sofortige Reaktion der Musiker auf Dausgaards flexibles Dirigat angeht. Da das Trompetenkonzert von Joseph Haydn in der gut ausbalancierten Interpretation durch den Solisten Håkan Hardenberger aufgrund seiner kurzen Spieldauer nur einen Appetithappen darstellte, gab es noch ein zweites Konzertstück dazu: die "MOB Pieces" des Wiener Komponisten HK Gruber sind subtil gearbeitete Unterhaltungsstücke. In der verschrobenen rhythmischen Welt, die an Satie oder Weill erinnert, lauern kleine Fallen und Abgründe, doch niemals kippt die Stimmung, ein rhythmisches Band hält die Stücke zusammen. Mit virtuoser Leichtigkeit präsentierte Hardenberger die Komposition, Dausgaard übertrug die lässige und dennoch auf Präzision basierende musikalische Haltung auf das Orchester, so entstand eine kernige Interpretation. Nach einer kurzen Pause beschloss das Swedish Chamber Orchestra das Gastspiel mit der 3. Sinfonie von Robert Schumann, der so genannten "Rheinischen". "Türen öffnen", unter diesem Motto ist gerade erst eine Schumann-Aufnahme des Orchesters im Handel erschienen. Das Motto, oder besser, die Interpretationshaltung, konnte man auch nahtlos auf das fulminante Hörerlebnis der "Rheinischen" im Konzert anwenden. Man erlebte ein Orchester, das eine gute Kommunikation untereinander betreibt; dazu einen dynamischen Dirigenten, der für die Partitur nicht nur ein Detailverständnis hat, sondern auch die Sätze zu großen Bögen zusammenfasst. Flotte, aber kontrollierte Tempi fügten die Interpretation zu einem großen Ganzen, wodurch Schumanns Partitur so frisch erschien, als wäre die Tinte noch nicht lange getrocknet. So macht romantische Orchesterliteratur Spaß. Skandinavisch - mit Sibelius' "Valse Triste" und einem Stück aus Hugo Alfvéns Ballett "Der Bergkönig" als Zugabe - verabschiedete sich das Orchester unter großem Applaus aus der Frauenkirche.

CD-Tipp:

Schumann, Sinfonien 2+4, Ouvertüren - Swedish Chamber Orchestra, Thomas Dausgaard

Scharlachwürstchen?

Es war doch nur ein Verhörer. Die Tante ging als Scharlachwürstchen zum Faschingsball. Achnein, die Csardasfürstin war es. Und wer außerdem wissen will, was es mit dem "16. Kind" im Erlkönig auf sich hat, möge sich bitte dringend dieses Buch zulegen - endlich ist die Fortsetzung da:

Sonntag, 11. März 2007

manche Sonnenuntergänge

...muss man einfach festhalten. Das scheint mir das Tor zum Frühling zu sein :)

01

Samstag, 10. März 2007

Schumann und die Brötchentüte

Ich bin ja ein akustisch sensibler Mensch. Ist eigentlich jeder, der im Konzert sitzt, denn es geht ja ums Zuhören. Dementsprechend sind mir die rituellen Nebentätigkeiten des Publikums einigermaßen zuwider, als da wären Husten, Scharren, Bonbons auswickeln oder 3jährigen (der Babysitter hatte was anderes vor an dem Abend) während des Konzertes den Sinn einer Sonatenhauptsatzform erklären - eben alle akustischen Nebengeräusche (Ausnahme: Die akustischen Ereignisse stehen im Vordergrund des kompositorischen Interesses, dann wären wir aber bei Cage oder Kagel und beide standen nicht auf dem heutigen Programm...) - Das alles wäre aber selbst in geballter Form nichts gegen die Dame heute im Konzert. Sie hatte einen Rollstuhlplatz in der Mitte der Frauenkirche, also perfekt akustisch justiert unter der Kuppel, vier Parkettblöcke im Quadrat vor und hinter sich. Schumanns "Rheinische" war keine 20 Takte alt, sie wartete nicht einmal den Beginn der Durchführung ab, da griff sie in ihre auf dem Schoß plazierte Einkaufstasche, holte umständlich (knarzknister) eine BRÖTCHENTÜTE heraus, öffnete (rssschhhknarz-schschzzzz) diese und friemelte (chrrrrzschschsch) ein Laugenbrötchen heraus. Spätestens hier konnte sie sich sternförmig (Parkett, Block A-D) auf sie gerichtete Gesichter sicher sein, deren Ausdruck nicht unähnlich von Gewehrmündungen waren. Bevor sie das Naschwerk während der Durchführung genüsslich verzehrte, musste die leere Brötchentüte natürlich wieder in der Einkaufstasche versenkt (knarzchrschschzzzzchrrrrssss) werden. Meine Mordgelüste in den kommenden 40 Takten versuchte ich mit dem tröstlichen Gedanken zu verdrängen, dass der Dame möglicherweise gerade beim Kauen der Sinn vertrackter Schumann-Durchführungen aufgegangen ist. Ich werde fortan in Sinfoniekonzerten immer einen Vorrat Laugenbrötchen bei mir tragen. Und Tüten. Stapelweise. *PENG*

Mittwoch, 7. März 2007

Kaum ist der Winter vorbei...

kommt der große Restefresser...

(Klicken vergrößert)

SUV

Na, weiß jemand was das ist? Ich musste mich auch erst bilden, wie man diese Art Autos überhaupt nennt. Früher fuhr man ja als Statussymbol sowas:

Heutzutage sieht man kaum noch S-Klasse, stattdessen heißen die "dicken Dinger" neudeutsch SUV - Sports Utility Vehicle. So einer z.B.:

Sport? Schonmal eins von diesen Teilen gesehen, wie es beim Lidl versucht, in die Parklücke zu kommen? In eine Tiefgarage gar? - Utility? Was hat man denn davon im Autobahnstau auf Höhe eines Lieferwagens sitzend an den Allradknöpfen rumzuspielen!? Vans fand ich ja zumindest noch als Familienkutsche sinnvoll, aber diese aufgeblähten Spritfresser haben nur noch einen Sinn: "Ich verprasse sinnlos mein Geld und zeige es Euch"

(p.s. einen Vorschlag für ein neues Modell hätte ich auch noch)

mehrLicht

Musik Kultur Dresden

Aktuelle Beiträge

Sie haben ihr Ziel erreicht.
Liebe Leserin, lieber Leser dieses Blogs, sie haben...
mehrLicht - 20. Jul, 12:04
Ein Sommer in New York...
Was für eine Überraschung, dieser Film. Der Uni-Professor...
mehrLicht - 19. Jul, 21:53
Sturmlauf zum Schlussakkord
Albrecht Koch beim Orgelsommer in der Kreuzkirche Auch...
mehrLicht - 14. Jul, 18:54
Wenn der "innere Dvořák"...
Manfred Honeck und Christian Tetzlaff im 12. Kapell-Konzert Mit...
mehrLicht - 14. Jul, 18:53
Ohne Tiefgang
Gustav Mahlers 2. Sinfonie im Eröffnungskonzert des...
mehrLicht - 14. Jul, 18:51
Sich in Tönen zu (ent-)äußern
Staatskapelle Dresden spielt Schostakowitschs "Leningrader"...
mehrLicht - 14. Jul, 18:50
Chopins Cellowelten
Kammerkonzert der Dresdner Philharmonie mit Sol Gabetta Für...
mehrLicht - 14. Jul, 18:48
Fest der Klangfarben
Saisonabschluss der Dresdner Philharmonie im Albertinum Verklungen...
mehrLicht - 14. Jul, 18:46

Lesen!

Hören!

van anderen

Sämtliche Weihnachtslieder machen
Kreidler - 26. Dez, 04:08
Jet Whistles / The Grand Exhalation
Jet Whistles / The Grand Exhalation (2025) Thunder...
Kreidler - 23. Dez, 04:02
Vom Buzzword zum Kollegen: Der KI-Hype hat den Gipfel erreicht
Künstliche Intelligenz (KI) prägte auch 2025...
gast - 22. Dez, 12:40
Ankündigung – Kreidler @Concertgebouw Brugge
Upcoming- www.concertgebou w.be/en/johannes-… [image. ..
Kreidler - 22. Dez, 04:31
Schwerkräfte im Vergleich
Gravity in the solar system pic.twitter.com/yrEzytrqlH —...
Kreidler - 21. Dez, 04:33
Schildkröte kapiert Skaeboarden
Just a turtle skateboarding: apparently it understood...
Kreidler - 20. Dez, 04:32

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

stuff

PfalzStorch Bornheim Pinguin-Cam Antarktis
Conil de la Frontera
Kram Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Status

Online seit 7309 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Jul, 02:01

Credits


Dresden
hörendenkenschreiben
nuits sans nuit
Rezensionen
Weblog
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
development