Und die Kunst fügt sich bereits, noch vor den nächsten Radfahrern: Ekkehard Klemm weist in seinem
Blog auf einen interessanten
Artikel hin, in welchem endlich schonungslos das Dopinggebaren in der zeitgenössischen Literatur aufgedeckt wird. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis das brisante Thema die Komponistenzunft erreicht. Und dann ist es vorbei mit Uraufführungen, Fördermitteln und dem Preis für das (hicks) Lebenswerk. Auch die meisten Konzertsäle dürften schließen, wer will schon noch die unter enormer Pillen- und Flüssigkeitszufuhr entstandenen Stücke wie "Bilder einer Ausstellung", "Pathétique" oder gar "Finlandia" hören, ein Stück immerhin, das sogar einem Dopingmittel seinen Namen gab! Es wird Aufgaben für die Musikwissenschaftler geben: lassen sich doch noch Beethoven-Briefe finden, in denen der abhängige Künstler zugibt "Ich habe alle belogen"? Werden die unter Tee-mit-Rum entstandenen langsamen Sätze der Klavierkonzerte von Mozart aus den Urtexten getilgt? Und das schlimmste: Interpreten der Musik werden ja auch nicht mehr da sein, denn welcher Orchestermusiker kommt heute schon "clean" zu einem Konzert? Ganz zu schweigen von Solisten... Fragen über Fragen.
Ich hol mir erstmal n Pils.
Weblog mehrLicht - 26. Mai, 21:14
"Global Ear" horchte im Societätstheater in musikalische Welten
Sechs Jahre lang hat die Reihe "Global Ear" Interpreten, Komponisten und neue Werke vom ganzen Erdball her ins Societätstheater nach Dresden geholt. In rund 30 Konzerten wurden über 100 Werke gespielt, von denen viele noch nie in Deutschland oder Europa zu hören waren. Die Pionierarbeit von Klaus-Hinrich Stahmer, der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank und der Hochschule für Musik Dresden zeigt sich insbesondere in dem Punkt, dass manche der aufgeführten Komponisten sich mittlerweile auf wichtigen Musikfestivals etabliert haben. Offiziell war das 5. Konzert des sechsten Jahrgangs das letzte der erfolgreichen Reihe, doch der Leiter des Institutes für Neue Musik an der Musikhochschule, Jörn Peter Hiekel bekundete bereits Hoffnung und intensives Bemühen, der Reihe auch weitere Jahrgänge zu verschaffen, dann wahrscheinlich komplett unter dem Dach der Hochschule, die ja bereits kooperierend die Reihe betreute. Das letzte Konzert fand im Rahmen und unter der Thematik Musikfestspiele statt: "Klanglandschaften" also auch hier und im voll besetzten (!) Societätstheater führte die musikalische Reise über Japan, Taiwan und China nach Skandinavien und zurück nach Deutschland. Zunächst spielte das "Cherubin-Quartett", ein Streichquartett der Musikhochschule "Landscape I" von Toshio Hosokawa, ein in seiner Zerbrechlichkeit etwas ungeeignetes Stück für den Beginn, mit dem die Musikerinnen auch einige Probleme hatten, denn die Klanggestaltung war nicht überzeugend, außerdem hält das Stück den eigenen Anspruch des "Dialoges mit der Stille" gar nicht durch. Der international anerkannte Akkordeon-Virtuose Stefan Hussong erzeugte dann mit Yu Kuwabaras Solostück "Echoing and empty" ebenfalls einige Verwirrung, denn dieses Werk hatte genau wie Hosokawas Stück zwar reichlich avanciertes Klangmaterial aber eine antiquierte Formbehandlung, sodass man einigermaßen ratlos vor den Stücken stand. Anders Kaija Saariahos "Six Japanese Gardens", von Olaf Tzschoppe (Percussion) faszinierend interpretiert: hier wirkt die rhythmische Disziplin unmittelbar, und die Farbigkeit entsteht aus den feinsten Überlagerungen und Varianten der Schlagfolgen. Klaus Hinrich Stahmer steuerte selbst "Wie ein Stillstand der Zeit" für Sheng und Akkordeon bei und überraschte vor allem durch terzlastige Harmonik in den interessant verschmelzenden Instrumenten. Hier gab es außerdem eine Wiederbegegnung mit dem Shengspieler Wu Wei, der ja bereits in früheren Konzerten begeisterte. Zwei größere Werke standen nach der Pause an: "Fei Yang" der Japanerin Hope Lee für Akkordeon und Streichquartett zeigte viele westliche Idiome und eine nahezu studienartige Tonführung. Die daraus entstehende Banalität des Werkes war auch durch die Erläuterungen der Komponistin nicht wegzudiskutieren. Schließlich sorgten Stefan Hussong und Olaf Tzschoppe für einen einsamen Höhepunkt als Abschluss: "Metal Work" des Finnen Magnus Lindberg beginnt als echter Diskurs zwischen Akkordeon und (Metall-)Schlagwerk, heizt sich immer weiter auf und entlädt sich in einem markerschütternden Dialog aus Tam-Tams - dass die beiden Musiker das komplexe Stück mit sichtlicher Freude am Spiel interpretierten, spricht für die hohe Qualität des Konzertes. Hoffentlich nicht zum letzten Mal.
Ich habe es ja bereits
angedroht. Was lange währt, wird endlich Faust. Nun also die Premiere:
FAUST spielen
Freitag 1. Juni, 16:00 Uhr | Festspielhaus Hellerau
Kinder-Fäuste -- Musik erfinden in der Schule
Weitere Infos
Europäisches Zentrum der Künste Hellerau mit Schülern der Freien Alternativ Schule Dresden, Karoline Schulz (Komponistin), Ynez Neumann (Malerin), Schülern des Gymnasiums Romain Rolland, Alexander Keuk (Komponist), Anja Sczilinski (Theaterpädagogin)
In der Projektreihe „Musik erfinden in der Schule“ komponieren ganz „normale“ Kinder Musik, die beim Publikum manchmal ungläubiges Staunen hervorruft. Die kollektive Herausforderung in Verbindung mit maßgeschneiderter Schulung und Anregung durch professionelle Komponisten sorgt regelmäßig für ungeahnte Kreativität. Bei der Annäherung an „Faust“ soll der Ausgangpunkt unverkrampfte Neugier auf das Werk, aber auch die eigene Erlebniswelt der jungen Komponisten sein, so dass Motive des Klassikers auch in eigenen Geschichten – erzählt durch Töne, Bilder und Spiel – adaptiert werden können.
Karten: 6 | 2.50 (erm.) EUR
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Programmtext zu unserer Gruppe:
FAUST
Eine szenische Collage des Musik Grundkurses 2 des Romain-Rolland-Gymnasiums
Einen rechten Titel hat das "Kind" nie bekommen, und es darf sich doch in freundliche Gesellschaft zum Original gesellen: die Collage, Annäherung, der "Setzkasten-Faust" des Musik-Grundkurses 2 der 11. Klasse des Romain-Rolland-Gymnasiums entstand komplett auf Ideen der Schüler, die sich etwa im Februar zu fünf Gruppen zusammenfanden, um ihre Interessensgebiete beim Thema "Faust" herauszufinden und daraufhin einzelne Szenen zu erstellen. Dass daraus ein "Parallel-Faust" wurde, der sich sogar chronologisch vom Prolog im Himmel bis zum Kerker entwickelt, war uns damals noch nicht bewusst. Auch nicht, dass wir zwei Gretchens, drei Mephistos, drei "Fäuste" und eine komplette Engelschar haben werden. Noch weniger, dass Heinrich Faustus in Wirklichkeit ein ordentlicher Basketballspieler ist (obwohl er von inneren Stimmen geplagt ist), Gott äußerst musikalisch und Mephisto eine ganze Gang hinter sich hat. Fantastisch war die vielfältige Auseinandersetzung mit Musik, Theater, Szene und die erneute, unverkrampfte Annäherung an den Text. Aber was wäre dies ohne das Engagement der 25 Schüler, die für die Erarbeitung viele Freizeitstunden verwendeten, geduldig ihre selbst geschriebenen Szenen x-fach in verschiedenen Varianten wiederholten oder auch mal längere Zeit auf ihren Einsatz warten mussten. Wir hoffen, dass dieser Faust - in der Sichtweise, in den Texten einer jungen, neuen Generation - vor allem ein sinnliches Vergnügen beim Zuschauen und Zuhören bereitet.
Mehr dazu
hier
Weblog mehrLicht - 24. Mai, 14:29
Juho Pohjonen stellte skandinavische Klaviermusik vor
In Zusammenarbeit mit dem Finnland-Institut Deutschland fand in der Empfangshalle des Hygienemuseums am Montagabend ein gut besuchter Klavierabend statt, der im Focus der Reihe "Landschaften" und der Gaststadt Helsinki der Dresdner Musikfestspiele stand. Die Zuhörer erwartete ein breites Spektrum an skandinavischer Klaviermusik, wobei dieses Genre im Schaffen skandinavischer Komponisten zumeist einen Sonderfall darstellt, wie der Komponist Benjamin Schweitzer in seiner Moderation erläuterte. Denn die allseits bekannten "Lyrischen Stücke" von Edvard Grieg dienten dem Komponisten vor allem zum Broterwerb, bürgerliche Hausmusik wurde gern von den Verlagen veröffentlicht. Es verwundert daher nicht, dass gerade das Klavier als vielfältiges Studieninstrument der Komponisten für größere Werke verwendet wurde; die dargebotenen Werke von Grieg, Nielsen und Sibelius waren jedoch höchst unterschiedlich. Der junge finnische Pianist Juho Pohjonen arbeitete die Stimmungen und kleinen Geschichten der Klavierstücke sehr gut heraus und zeigte vor allem viele dynamische Nuancen im etwas überakustischen Foyer. Schön, dass der Zyklus "Die Bäume" von Sibelius trotz der folgenden Pause in seiner Kargheit und in verrätselten Wendungen nahtlos in die Moderne wies, die im 2. Teil des Konzertes ihren Platz hatte und gleich mit einem pianistischen Parforceritt startete: die 4. Klaviersonate des finnischen Komponisten Erkki Salmenhaara (1941-2002) entfaltet durch ein verbissen durchgehaltenes rhythmisches Muster eine ungeheure Sogwirkung. In dem akustisch nahezu dreidimensional wirkenden Notenstrudel gab es jedoch feine Abstufungen, die Pohjonen mit unglaublicher Ruhe, Übersicht und einem enormen Tempofeeling gestaltete. Durch diese vehemente Interpretation wirkte der 2. Satz daher auch wie von einem anderen Stern. Sehr flächig und virtuos war das Schlusswerk des Abends: "Dichotomie" des finnischen Dirigenten Esa-Pekka Salonen, der in den letzten Jahren auch als Komponist immer bekannter wird. Die körperlich-gestische Musik Salonens bezieht ihre Faszination aus einer schier unmenschlichen Dichte des Notensatzes, bei der Pohjonen aber weiterhin völlig entspannt schien und somit Steigerungen und rhythmische Ballungen mit voller Intensität entfalten konnte. Dennoch wirkte das Figurenwerk hier oberflächlicher als in der nahezu verzweifelt wirkenden Rotation in Salmenhaaras Sonate. Dass Pohjonen den starken Applaus auch noch mit einem hochvirtuosen und dennoch weich und flüssig dargebotenen Ravel-Werk beantwortete, läßt diesen finnischen Pianisten im Gedächtnis bleiben.
...sieht die Frauenkirche mal richtig bedrohlich aus:

(Quelle:
mdr)
Weblog mehrLicht - 22. Mai, 17:04
Helsinki Philharmonic gastierte in der Semperoper
Wenn alle Konzerte der diesjährigen Dresdner Musikfestspiele einen solchen Jubel entfachen, kann Intendant Hartmut Haenchen zufrieden sein. Denn gleich zum Auftakt konnten die Dresdner Zuhörer ein packendes Gastspiel des Helsinki Philharmonic Orchestra unter ihrem Chefdirigenten Leif Segerstam in der Semperoper erleben. Es war gleichzeitig das Abschlusskonzert einer Europatournee des Orchesters und die Absicht des Orchesters, im wunderbaren Dresdner Opernbau noch einmal die musikalischen Funken sprühen zu lassen, war von Beginn an spürbar. Zunächst stand ein Kultstück der Moderne auf dem Programm, kaum ein Werk hat in dreißig Jahren nach der Uraufführung in den 70er Jahren soviele Aufführungen erlebt und dabei nichts von seiner Faszination eingebüßt: der "Cantus Arcticus" von Einojuhani Rautavaara besticht durch die plastische Darstellung der nordischen Natur. Vom Band ertönen Vogelrufe, im Orchester wird dazu ein warmer Streicherteppich gelegt, Holzbläser imitieren die Laute von Kranichen und Schwänen und erzeugen ein flirrendes Stimmengewirr. Füllig und warm klingt das finnische Orchester hier und die Zuhörer ließen sich von diesem Klanggemälde faszinieren. Christian Tetzlaff betrat dann die Bühne zum 1. Violinkonzert von Karol Szymanowski. Ich muss sagen, dass spätestens ab dieser Darbietung das Konzert für mich zu einem der klassischen Höhepunkte des Jahres in Dresden zählt. Tetzlaff war vom ersten bis zum letzten Takt wie ein Magier in dieses Konzert versunken; mit völlig kompromisslosem Zugriff bearbeitete er sein Instrument derart kraftvoll, dass man einige Male Angst um die Saiten haben musste. Dabei verlor Tetzlaff nie die Kontrolle über die musikalische Gestaltung, formte zauberhafte Flageoletts und kostete die Leidenschaft, den inneren schwärmerischen Druck dieses Konzertes bis ins allerletzte aus. Die konkurrenzlose Interpretation, die auch im Orchester konzentriert und mit farbigen Höhepunkten musiziert wurde, führte zu großem Beifall, den Tetzlaff spannungsvoll mit einem Satz aus der Solosonate von Bartók beantwortete. Der Rest des Konzertes gehörte Leif Segerstam und Jean Sibelius. Eine wunderbare Interpretation der 1. Sinfonie e-Moll Opus 39 glückte dem Orchester. Segerstam bringt für diese Musik die rechte Mischung aus impulsivem Musizieren und präziser Klangattacke mit und führte das Ensemble zu einer Spitzenleistung. Das Sibelius'sche Füllhorn wurde dann in den Zugaben noch reichlich ausgegossen: Finlandia, Valse Triste und Karelia-Suite waren die Zuckerstückchen, die zu Standing Ovations für einen großen Dirigenten und sein Orchester führten.
7. Kammerabend der Staatskapelle
Der gut besuchte 7. Kammerabend der Staatskapelle Dresden bot am Donnerstagabend in der Semperoper ein abwechslungsreiches Programm, das quer durch kammermusikalische Besetzungen und Stilistiken führte. Der Potpourri aus insgesamt sechs verschiedenen Zyklen und Sonaten bildete insgesamt trotz der "kleinen Form" ein gut zweistündiges Konzert. Innerhalb der eher leichten Muse von Poulenc und Mozart wirkte die große (und dennoch kaum bekannte) Sonate für zwei Violinen von Eugène Ysaye etwas deplatziert. Dieses Gefühl entstand, weil der Anspruch dieses Werkes und seine hervorragende Interpretation aus dem Kontext des Konzertes deutlich herausstach. Wer die Solosonaten von Ysaye kennt, weiß, dass diese keinesfalls Studienwerke für den Hausgebrauch darstellen. Die beiden Geiger Annika Thiel und Anselm Telle beschritten einen Weg zwischen klanglicher Rafinesse, ungestümem Vorwärtsdrang und konzentrierter Technikbeherrschung - ein großes, trotz der Duobesetzung fast "sinfonisches" Erlebnis vor der Pause. Zuvor gab es eingangs eine Urauffühung von Friedbert Streller, dessen Vier Gesänge "Sommermitte" nach Gedichten von Rudolf Scholz für Mezzosopran, Flöte und Streichtrio erklangen. Die karge Musiksprache Strellers, die sich kaum einmal über einen deklamierend-kühlen Zwölftonstil hinaushebt wirkte zu akademisch für die Stimmungen der Texte, zudem hatte das Streichtrio kaum einmal dynamische Akzente zu setzen. Sofi Lorentzen bewältigte ihren Gesangspart souverän, dieser bot aber zuwenig gestalterische Möglichkeiten, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Der Bariton Matthias Henneberg war im Konzert mit drei Liederzyklen von Francis Poulenc und Louis Spohr betraut. Hier zeigte sich eine ganz andere Liederwelt: die kleinen Absurditäten ("Banalités") und Derbheiten der Texte wurden von Poulenc kongenial vertont. Durch alle Lieder zieht sich ein feiner Faden der Ironie, den Henneberg gemeinsam mit Marlies Jacob am Klavier gut herausarbeitete, beide waren auch durchaus versiert mit der speziellen Leichtigkeit der Musik. Weniger erfreulich war das etwas grobe Französisch von Henneberg, doch die durchweg vitale Interpretation mit einigen atemberaubenden Tempi in den "Chansons Gaillardes" entschädigte. In den "Sechs deutschen Liedern" von Louis Spohr gesellte sich der Geiger Gaetano d'Espinosa zu den beiden Musikern dazu und gemeinsam wurde eine ansprechende Darstellung dieser Lieder geformt, bei welchen die Geige mal einen kadenzierenden Kommentar übernimmt, zumeist aber virtuos im Vordergrund steht. Etwas einsam stand das Hornquintett Es-Dur KV407 im Programm. Das auch von Mozart eher lässig und ohne besondere Überraschungen komponierte Werk konnte aber in einer durchweg sauberen und schwungvollen Interpretation durch die Kapellmusiker ebenfalls überzeugen. Für die zahlreichen Freunde der Kammermusik war dieses bunte Programm auf jeden Fall eine Bereicherung.
gibt es bei der günstigen EMI-Doppel-CD-Serie einen kleinen Schatz zu heben, und damit das nicht untergeht, wird die CD hier eben vorgestellt: Bruckners 4. und 8. Sinfonie, dirigiert von
Klaus Tennstedt. Dieser galt schon zu Lebzeiten als ausgezeichneter Bruckner- und Mahlerinterpret, ist aber kaum zu großem Ruhm gekommen, auch posthum nicht - wenn man etwa den Rummel um Celibidache danebensetzt. Ganz unauffällig veröffentlichte EMI nun die beiden Aufnahmen aus den Jahren 1982 und 1983, die Vierte mit den Berliner Philharmonikern, die 8. mit dem London Philharmonic, dessen Chefdirigent Tennstedt 1983-87 war. Für die Vierte würde ich die Aufnahme sogar als Referenzaufnahme bezeichnen, die Achte wiederum wird von Tennstedt vor allem im ersten und letzten Satz mit organisch wachsender Dramatik genommen, die immer rund und weich bleibt und so einiges an Kraft entwickelt. Ein "natürlicher" Bruckner, dem aber weder die gewisse Weihe fehlt noch der orchestrale Schwung und Blechbläserglanz. Anhören!
Links:
frz. Artikel über Tennstedt
Diskografie
Der Sommer naht und damit an der Elbe die Zeit der bierflaschenzerdeppernden Chaoten. Gar nicht toll für den Hund, den man kaum noch unbeobachtet auf die Uferwiesen lassen kann. Aber heute hat es mich selbst erwischt. Trete ich doch auf einen harten Gegenstand, im selben Moment knackt es und eine offenbar perfekt in der Wiese platzierte Scherbe durchbohrt die komplette Turnschuhsohle, die Socke und den Fußballen. Alle Achtung. Glück im Unglück, dass ich mit einer perfekt ausgebildeten DRK-Sanitäterin zusammenwohne :) *davonhumpel*
Weblog mehrLicht - 16. Mai, 15:27
...möchte ich natürlich auch dokumentieren, solch wütende Wolken sieht man selten:

(Klick vergrößert)
Weblog mehrLicht - 15. Mai, 01:15
Gestern war der britische Komponist
Brian Ferneyhough an der Hochschule. Im Podiumsgespräch ging es um das Komponieren heute, um seine Ansichten dazu. Irgendwann fiel das Zitat "Musik müsse erschüttern" - es nütze nichts, wenn die Nachhaltigkeit, die Tiefe der Musik nicht vorhanden ist, sie nicht beim Hörer ankommt. Ein Grund übrigens, warum man viele Werke der letzten 50 Jahre nach ihrer Uraufführung nie wieder hört. Stillschweigendes Durchfallen. Jedenfalls gab Ferneyhough ein schönes Gegenbeispiel für "Erschütterung". Er war in der Schweiz bei Leuten (Name vom Komponisten nicht genannt) zum Diner eingeladen. Diese bereiteten sich intensiv auf den Gast vor und waren der Überzeugung, man müsse ihm zum Essen auch eine adäquate Musik anbieten. So saß Ferneyhough dort beim Schweinebraten und im Hintergrund lief eines der späten Beethoven-Quartette, so etwas müsse einem Komponisten doch gefallen. Ferneyhough berichtete, an diesem Abend sei er wirklich "erschüttert" gewesen...
Nebenbei bleibt mir als Essenz der Veranstaltung in der Hochschule die Formulierung "durchgeknallte Intellektualität" hängen. Viele Künstler sind durchgeknallt. Andere sind hochgradig intellektuell. Doch meistens trennen sich dort die Wege. Der eine läßt alles fließen und zeigt auf seinen Bauch. Der andere konstruiert himmlische Hirnkonstruktionen, die einen emotional völlig kalt lassen. Dass sich beides in einer dermaßen explosiven und kompromisslosen Form in einer Person gegenseitig befruchtet, ist mir eine neue Erfahrung.
8. Spannungen-Konzert der Sinfonietta Dresden
Zwei Termine sollte sich der musikbegeisterte Dresdner im Jahr mindestens im Kalender einschreiben, nämlich die beiden "Spannungen"-Konzerte der Sinfonietta Dresden im Frühjahr und im Herbst. Wo sonst bekommt man gleich zwei Mozart-Klavierkonzerte und kontrastierende zeitgenössische Musik in einem Konzert? Die Kombination wirkte auch im 8. Konzert der Reihe, denn man kann immer noch seinen persönlichen Mozart für sich entdecken als auch feine Verbindungslinien zu den Zeitgenossen ziehen. In der Dreikönigskirche stand zunächst das Klavierkonzert C-Dur KV 246 von Mozart auf dem Programm, sicherlich eines der weniger oft aufgeführten Werke in diesem Genre. Dabei wirkt es durchaus hell und dankbar - Milko Kersten hatte am Dirigentenpult keinerlei Probleme, den lebendigen Gestus mitzuteilen. Diana El-Hassani, Pianistin an der Hochschule für Musik (Klasse Prof. Winfried Apel) folgte der Lockerheit der Orchestereinleitung und spielte ihren Part flüssig und angenehm, im Finalsatz gibt es sogar einiges an Raffinement, was von El-Hassani gut phrasiert wurde. Dass die Komposition lediglich als gute Unterhaltung im Gedächtnis haften bleibt, ist der Pianistin nicht anzulasten, denn extremer Ausdruck wäre in solch einem perlenden Stück nicht angebracht, insofern entsprach El-Hassanis luftiges Spiel durchaus dem Charakter des Stückes. Völlig anders gelagert sind die Dinge in Mozarts letztem Klavierkonzert B-Dur KV 595. Obwohl auch dieses nicht ins spielerische Extrem geht, fällt sofort der reife, flexible Spätstil Mozarts auf, in welchem überraschende Wendungen, geniale Instrumentation und schon fast romantische Themenanlage vorherrschen. Der Dresdner Pianist Andreas Henkel war für dieses Konzert der richtige Mann, denn er nahm sich gemeinsam mit der Sinfonietta die Ruhe, alle Schönheiten dieses Werkes auszukosten. Auch hier war wiederum überzeugend an der Interpretation, dass nicht Schnelligkeit und Virtuosität in die Tiefe des Werkes führt, sondern eher das konzentrierte Herangehen und die überlegte Ausformung. Die zeitgenössische Ebene des Konzertes war ebenso spannend und abwechslungsreich - die Sinfonietta stellte zwei eher streng komponierte Kammermusikstücke in völlig unterschiedlicher Musiksprache vor. Die slowenische Komponistin Larisa Vrhunc (*1967) näherte sich in "Where the moonbeam fell" einem Gedicht von Edgar Allan Poe an und schuf in ihrem zarten Gebilde eine Fülle von vielfarbigen Klanginseln, die in kleinen Wellen immer wieder neu entstanden und verschwanden. Sie konnte sich hier der Versiertheit der sechs Musiker versichern, die im Kirchenrund besonders auf Präzision und dynamische Balance achteten. Dem Dresdner Komponisten Carsten Hennig ging es in "Die Angst des Flusses vor der Mündung" eher um die Transformierung eines musikalischen Prozesses. Trotz des konstruktiven Ansatzes wirkten hier vor allem die emotionalen Gesten im Streichorchester stark. Milko Kersten fand für die beiden sehr anspruchsvollen Stücke eine packende Darstellung und somit war diese achte Begegnung mit neuer Musik und Mozart ein rundum gelungenes Konzert.
9. Spannungen-Konzert am 10.11.07, 19.30 Dreikönigskirche Dresden
Fabio Luisi* im Staatskapellenkonzert
Mit dem Tod umgehen, ihm eine Farbe, eine Stimme zu geben oder ihn auch nur zu betrachten, das war und ist immer wieder Anlass für große Werke von Künstlern. So beschäftigten sich mehr oder weniger direkt auch die beiden Kompositionen des 10. Sinfoniekonzertes mit diesem Thema. Dabei sind die "Jedermann"-Monologe klar auf die Position des Sterbenden bezogen, der im Angesicht des Todes sein Leben und seine Ansichten überdenkt - der extreme Grenzfall menschlichen Daseins erfordert auch extreme Gedanken. Für die emotional vielschichtige Erzählung des "Jedermann" fand der Schweizer Komponist
Frank Martin eine unglaublich packende und plastische Musikform: Die Monologe des Jedermann werden von einem hochdramatischen Orchesterpart unterstützt, der gleichsam zu Herz und Hirn der Hauptperson mutiert - Schönbergs "Erwartung" wird hier sicherlich Pate gewesen sein. Man glaubt angesichts der stupenden Leistung von
René Pape (Bariton) kaum, dass er diese Partie extra für die Dresdner Aufführung einstudiert hat. Sicher, überragend in Stimme und Textausformung und mit großer Wandlungsfähigkeit zwischen Gebet und Aufschrei bot Pape eine exemplarische Darstellung der Komposition, von Fabio Luisi am Pult der Staatskapelle konzentriert unterstützt. Der künftige GMD der Staatsoper setzte in den Zwischenspielen deutliche Akzente, das eigentlich klein besetzte Orchester zeigte vor allem die gestische Kraft der Musik in harter Akzentuierung oder in warmem Lyrismus. Dass ab dem Sommer 2007 mit Luisi eine neue Zeit an der Staatsoper anbrechen wird, dürfte jedem gewiss sein, der den charismatischen Dirigenten bereits aus anderen Konzerten kennt. So war man sehr gespannt auf seine Darstellung von Anton Bruckners "Opus Summum", der unvollendeten 9. Sinfonie. Es ist zwar so, dass man sich der Wirkung der Sinfonik Bruckners generell in guten Live-Aufführungen kaum entziehen kann, doch was die Staatskapelle hier bot, ist nicht anders als Weltklasse zu nennen und bewegte tief. Im 1. Satz war auffällig, dass Luisi eine enorme Sensibilität für die Abläufe des Werkes hat: in stillen Passagen läßt er flüssig und weich ausmusizieren, Steigerungen vermag er einen Atem über die volle Zeit zu geben, sodass die Eruptionen von einer unglaublichen Energie getragen werden. Auf diese Weise geraten die oft in einem verlassenen Hornton oder liegenden Streichern endenden fortissimo-Passagen zu einer Einheit, der Satz wird architektonisch klar und die Musik überträgt sich unmittelbar. Dies galt auch für den 2. und 3. Satz - das Scherzo nahm Luisi schnell, aber nicht überfahrend, der 3. Satz wiederum wurde in seiner Rätselhaftigkeit erhalten, indem Luisi deutliche Akzente auf harmonische Überraschungen oder Abbrüche setzte. Während des letzten Höhepunktes des Adagios wünschte man sich ein offenes Dach der Semperoper um selbst einmal den Himmel zu schauen, aber dieser Einblick blieb dem Komponisten vorbehalten. Gleich ob es das präzise und selbst im Strudel lautester Fanfaren sensibel agierende Blech oder die rhythmisch bohrenden Streicherfiguren waren, diese "Neunte" war eine nachhaltig beeindruckende Interpretation. Fabio Luisi wurde vom Dresdner Publikum nach einigen Momenten der Stille und des Durchatmens triumphal gefeiert - ein frühsommerlicher Willkommensgruß also, verbunden mit der Hoffnung auf viele weitere spannende musikalische Begegnungen.
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* Endlich mal ein Musiker, der eine angenehme und witzig gestaltete
Homepage hat. Die verlinke ich doch gerne!
Marathonlauf. Ich laufe konzentriert im hinteren Drittel mit, um später im Rennen anzugreifen. Dabei überhole ich mühelos einige hundert Läufer und setze mich vorne an der Spitze ab. Den Rest der Strecke laufe ich alleine, wundere mich aber über die merkwürdig abgestreckte Strecke, die im Zickzack in Straßen führt, wo überhaupt kein Publikum mehr ist. Schließlich sehe ich durch Häuserschluchten hindurch den Pulk in der Ferne vorbeilaufen und erkenne langsam, dass man mir einen falschen Parcours gewiesen hat. Ich bin aus dem Rennen.
von
ARD-Sport hat wohl jemand schon vor dem Spiel zu tief ins Glas geschaut:
"Hannover 96 : Energie Cottbus
32. Min. Rostock kommt etwas besser ins Spiel. Die Gäste haben plötzlich mehr Raum zum kombinieren und nutzen diesen auch."
[Edit: Und heute gehts gleich weiter:
"Hamburger SV : VfL Bochum
79. Min. Benjamin spielt den Ball im Strafraum mit dem Ball."]
Weblog mehrLicht - 4. Mai, 21:12
Manch zeitgenössischer Kollege mag mich nun vielleicht verfluchen, weil ich wieder für "schlabbrige Postmoderne" Werbung mache, aber nichts ist ekliger als solche Kategorisierungen itself, also los:
Meine CD des Monats, wenn nicht die Entdeckung des Jahres 2007 bis dato wäre diese hier:

Valentin Silvestrov, 6. Sinfonie (1994/95), SWR SO Stuttgart, Leitung Andrej Boreyko (ECM).
Ich kannte Silvestrovs Musik schon früher, allerdings vor allem die 2. und 4. Sinfonie, die in einem rebellischen, avantgardistischen und sehr emotionalen Stil verfasst sind. Wie viele andere Komponisten im Osten muss auch Silvestrov eine "Wende" im OEuvre erlebt haben hin zu einer Art Postmoderne, die sich in Polen noch im Pathos äußert, aber bei diesem Ukrainer schon die Barriere zur Weisheit genommen hat. Anders wäre diese fabulöse, lichte und doch sehr klug angelegte 6. Sinfonie mit ihren vier luziden Ecksätzen und einem fast halbstündigen Koloss in der Mitte nicht zu erklären. Der Film zu dieser Musik scheint noch nicht zu existieren, und doch sehe ich ihn schon. Möglicherweise hat er keine Handlung, sondern ist nur eine Betrachtung, ein langes, gedehntes Nachdenken, Nachsinnen, Anfühlen. Und wer mir nun nach dem Hören sagt "Das klingt ja wie Mahler" hat Recht, aber wenn ihm dies als einziges einfällt, tut derjenige mir leid...
Peter Gülke dirigierte die Hochschulmatinee in der Semperoper
Normalerweise stehen bei den Konzerten des Hochschulsinfonieorchesters die jungen Musiker im Mittelpunkt des Geschehens, am Sonntagvormittag war es in der Semperoper ein bißchen anders: Die große Aufmerksamkeit galt dem Dirigenten der Matinee, der zwar notwendigerweise die konzentrierten Blicke der Musiker auf sich gerichtet sieht, aber sich ansonsten mit Leidenschaft in den Dienst der Musik stellt, und dies in Schrift, gesprochenem Wort und natürlich in Tönen auf einem herausragenden qualitativen Niveau. Dem Musikwissenschaftler und Dirigenten Peter Gülke, der am Konzerttag übrigens seinen 73. Geburtstag feierte, wurde im Anschluss an die Matinee die Ehrendoktorwürde der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden verliehen - ein Zeichen des Dankes und der besonderen Verbundenheit mit dem Institut, aber eben auch eine besondere Würdigung eines Lebenswerkes, das Studenten, Musikern und Musikwissenschaftlern, aber auch interessierten Laien zugute kommt, denn Gülke liegt es stets an Verständlichkeit und Plastizität bei seiner Arbeit. So trifft man in einer Ringvorlesung Beethoven und Schubert in den Gassen von Wien, bewundert seine Plädoyers für Zeitgenössisches ebenso wie unzählige außergewöhnliche Ausgrabungen der Musikgeschichte, die Gülke sowohl verlegerisch als auch durch Aufführungen und Einspielungen dokumentierte. Die musikalischen Spuren Gülkes in Dresden gehen zurück auf seine Tätigkeit an der Sächsischen Staatsoper ab 1976, schon damals leitete er auch das Hochschulsinfonieorchester, sein weiterer Lebensweg führte über Weimar, Wuppertal und Freiburg nach Berlin, wo er heute als freier Musiker, aber eben auch als gefragter Dozent lebt. Für die Studenten ist seine stetige Rückkehr an die Hochschule in Dresden ein Glücksfall - im Konzert am Sonntag standen folgerichtig für Gülkes Arbeitsschwerpunkte Werke von Beethoven, Schubert und eine Uraufführung auf dem Programm. Stephan Lewandowskis "Moments musicaux. Détails de l'éternité" war eine klug gearbeitete Klangstudie, die sich aber nur selten zu tieferer Emotion aufschwang. Das lag vor allem am karg behandelten harmonischen Material, das viele Rotationen und Varianten aufwies, aber sich innerhalb des Stückes nicht zu dramaturgisch plastischen Verläufen entwickelte. So entstand der Eindruck eines steinigen Klangfeldes zwischen Statik und (leichter) innerer Unruhe. Im Violinkonzert von Ludwig van Beethoven war sogleich bemerkenswert, mit welcher Akribie Gülke den Orchesterpart vorbereitet hatte, viele Details waren zu hören und Gülke verlegte sich niemals auf einen reinen Begleitapparat, sondern hatte eine Menge mit dem Orchester zu sagen. Auffallend waren die gemäßigten Tempi aller drei Sätze, wobei der 3. Satz nur noch mit Mühe als Allegro wahrnehmbar war. In den anderen beiden Sätzen störte diese Ruhe weniger, denn Gülke und die hervorragende Solistin Fanny Fröde (Klasse Prof. Ivan Zenaty) konnten so vieles ausspielen. Bei Frödes sehr intensivem Klang, selbstverständlicher Sauberkeit und makelloser Technik entfaltete sich die Partitur sehr natürlich. Im Kopfsatz allerdings hätte sie mehr Piano-Kultur zeigen können, manche Passage wurde von ihr mit zuviel Kraft unterlegt. Traditionell werden jedes Jahr im Rahmen einer Matinee zwei Stipendien der Stiftung für Kunst&Kultur der Stadtsparkasse Dresden verliehen. In diesem Jahr dürfen sich Kateryna Titova (Klavier, Klasse Prof. Zenziper) und Jörg Genslein (Chordirigieren, Klasse Prof. Rademann) über die Auszeichnung freuen, beide wurden für ihre herausragenden musikalischen Leistungen innerhalb und außerhalb der Hochschule geehrt. Zum Abschluss zeigte das Hochschulsinfonieorchester eine gute Gesamtleistung in Schuberts "Großer" C-Dur-Sinfonie. Peter Gülke dirigierte sehr flexibel, strukturierte die Teile deutlich und ließ immer wieder Raum für melodische Entfaltung in den diesmal gut disponierten Orchestergruppen, ein anspruchsvolles Konzert fand damit einen harmonischen Abschluss.
Merken für den nächsten Berlinbesuch:
Retrospektive
Ré Soupault im Martin-Gropius-Bau, 28.4.-13.8.07
Weblog mehrLicht - 28. Apr, 11:17