Montag, 18. Juni 2007

Geistvoll, weich und gelassen

Uraufführung der 9. Sinfonie von Alfred Schnittke in der Frauenkirche

Manche Dinge bleiben unerklärlich. Da gelingt es der Dresdner Philharmonie, ein Musikereignis von internationalem Rang samt berühmten Interpreten wie dem Hilliard-Ensemble in die Stadt zu holen und man wundert sich über eine gerade einmal halb gefüllte Frauenkirche. Doch das Konzert selbst wirkte lange nach. Uraufgeführt wurde die 9. Sinfonie von Alfred Schnittke, seinem letzten vollendeten Orchesterwerk. Schnittke starb nach schwerer Krankheit 1998 und hinterließ die Sinfonie als musikalisches Vermächtnis. Es musste lange Zeit vergehen, ehe sich der Wunsch der Witwe Irina Schnittke erfüllte, dass das Manuskript eine aufführbare Fassung erhält. Sich diesem Werk nun rezipierend zu nähern, verlangt einiges an Beschäftigung mit der Materie, stellt doch der spezielle Nimbus letzter bzw. unvollendeter Werke in der Musikgeschichte bei vielen Komponisten ein spannendes Kapitel dar. Den Abschied von der Welt musikalisch zu artikulieren, dafür gibt es weder ein Rezept noch eine gültige musikalische Sprachform. Tod und Vergänglichkeit sind für Komponisten ohnehin immer Themen großer musikalischer Werke gewesen, doch die Gewissheit des persönlichen Abschieds von der Welt mag eine Partitur erzeugen, die sich einer Deutung schlicht entzieht. Nun erklangen die drei vollendeten Sätze der 9. Sinfonie von Schnittke in der Rekonstruktion des russischen Komponisten Alexander Raskatov vor, der insgesamt vier Jahre an der Dechiffrierung des Autografs gearbeitet hat. Reduziert sind in dieser Partitur vor allem die Klangfarben und die rhythmische Finesse, faszinierend ist allerdings der kontrapunktische Bereich. Schnittke findet in der Neunten zu einer sehr frei wirkenden Arbeit mit Harmonik und vor allem Skalenläufen, die aber niemals dramatische Aufschwünge oder Abstürze demonstrieren, sondern eher gelassen im Raum rotieren - am ehesten erinnert die Musik an die Concerti Grossi Schnittkes, in denen ebenfalls das freie Spiel mit Formen und Entwicklungen dominiert. Selten, aber dann doch mit der bekannten Härte, blitzt der "andere" Schnittke aus der Partitur: in Extremlagen der Hörner, geschärfter Harmonik oder dem metallischen Gesang des Cembalos im Orchester. Doch in der Neunten überwiegt eine weiche, geistvolle Grundhaltung, die sich vor allem in den ruhigen Satzschlüssen zeigt. Dennis Russell Davies verhalf der Partitur am Dirigentenpult zu einer lebendigen Interpretation und das Orchester konnte durch Aufmerksamkeit und transparentem Klang der Orchestergruppen überzeugen. Eingebettet war die Uraufführung in einen Rahmen aus alter und neuer Musik, und dies wäre sicher ganz im Sinne Schnittkes gewesen. Vor allem die Entscheidung für die Motetten von Guillaume de Machaut war im Vergleich zu Schnittkes Werk frappierend, denn gerade die alte Motettenkunst scheint in der motivischen Arbeit der Neunten eine besondere Rolle zu spielen. Nicht durchweg überzeugend war die Interpretation der drei- und vierstimmigen Motetten durch das Hilliard Ensemble. Deren besondere Souveranität beim Umgang mit dieser Musik leuchtet zwar durch jede Note, doch hätte die Verschmelzung der Stimmen noch größer sein können, die Gestaltung indes markanter. Das Hilliard Ensemble und Elena Vassilieva (Mezzosopran) waren zum Abschluss des Konzertes die Solisten in Alexander Raskatovs "Nunc Dimittis", einem musikalischen Epilog zur 9. Sinfonie, "in memoriam Alfred Schnittke" komponiert. Raskatov kombinierte in diesem langsamen musikalischen Satz Texte von Joseph Brodsky und des Heiligen Siluan und verblieb mit wenigen klar gesetzten musikalischen Elementen in der Atmosphäre liturgischer Musik russischer Prägung, auf diese Weise erfuhr das Konzert ein angemessenes, ernstes und sogar tröstliches Ende.

Freitag, 15. Juni 2007

Bei der Post

Ich habe eine Briefmarke gekauft.
Als der Verkaufsvorgang abgeschlossen war, fragt mich die Dame hinterm Tresen:
"Haben Sie schon einmal überlegt, 50 Euro jeden Monat zu sparen?"
Ich lache schallend, dass sich alle anderen umdrehen: "Ja, aber nicht bei Ihnen."

Normalerweise bin ich ein höflicher Mensch, aber diese automatisierten Rollenspiele in der Post gehen mir seit Monaten aufn Keks. Ich will kein gottverdammtes Girokonto, ich will kein begrenztes Kontingent von 10% und erst recht keinen Finanzberatungstermin - vor allem nicht, wenn ich nicht ausdrücklich danach gefragt habe. Würden die diesen Kram schriftlich machen, wären sie längst wegen unerlaubter, aufdringlicher Werbung abgemahnt. Liebe Postbanktrainees, hört endlich mit den Gehirnwäscheseminaren für Eure Schalterbeamten auf, es nervt gewaltig.

Aber vielleicht geht es auch anders. Beim nächsten Briefmarkenkauf nehme ich mir ne Wasserpistole mit und wer mich nach einem kostenlosen Girokonto fragt, bekommt eine ebenso kostenlose Erfrischung.
So.

Kunst aufräumen

Da ist es wieder mal passiert. Straßenkehrer und ihre gespaltene Beziehung zur Kunst...tze...

(Nebenbei: Kunst kann man auch ordentlich aufräumen - ein schönes Buch!)

Abschied vom Leben

Zur Uraufführung der 9. Sinfonie von Alfred Schnittke

Vor neun Jahren verstummte eine der wichtigsten kompositorischen Stimmen des 20. Jahrhunderts, der russische Komponist Alfred Schnittke, der zuletzt in Hamburg lebte und lehrte. Der schwerkranke Schnittke schrieb seine 9. Sinfonie im Sommer 1998 kurz vor seinem Tod, ein Uraufführungsversuch zu Lebzeiten des Komponisten misslang. Nun hat der russische Komponist Alexander Raskatov (*1953) die Sinfonie rekonstruiert, sie wird am Sonnabend von der Dresdner Philharmonie in der Frauenkirche in Anwesenheit der Witwe, Frau Irina Schnittke, uraufgeführt. Alexander Keuk sprach mit Alexander Raskatov.

Wenige Werke haben bereits vor ihrer Uraufführung eine so bewegte Geschichte erfahren wie die 9. Sinfonie von Alfred Schnittke - weshalb erleben wir erst jetzt die Uraufführung dieses wirklich letzten Werkes des Komponisten?

A.R.: Schnittke war schwerkrank, er hatte bereits mehrere Schlaganfälle hinter sich. Er war zum Teil gelähmt und schrieb die Noten der neunten Sinfonie mit links, mit zitternder Hand. Vor seinem letzten Schlaganfall, an welchem er 1998 verstarb, hatte er bereits ein Manuskript der Neunten angefertigt - mit klarer Schrift und in ganz anderer Stilistik. Er verwarf diese Skizzen und schrieb das komplette Stück neu. Es liegen drei komplette Sätze vor. Schnittke gab das Stück dem Dirigenten und Freund Gennady Rozhdestvensky zur Uraufführung - dessen bearbeitete Version, die er vom Rundfunkmitschnitt abhörte, missfiel ihm aber. Bald darauf starb Schnittke und es war ein großes Anliegen der Witwe, Irina Schnittke, dass seine letzte komponierte Musik wieder aufgeführt werden kann. Der Komponist Nikolai Korndorf begann die Noten zu rekonstruieren, starb aber 2001, dann fragte mich Irina Schnittke, ob ich mich der Sinfonie annehmen könnte. Später erhielt die Sinfonie von mir den Beinamen "Es muss sein" - damit weise ich auf Schnittkes starken Willen zur musikalischen Äußerung auch in seinem letzten Lebensabschnitt hin.

Jedes Werk von Schnittke ist einzigartig und vielschichtig, die Folge seiner neun Sinfonien läßt sich nicht thematisch in eine Reihe bringen. Was kennzeichnet diese letzte Sinfonie?

A.R.: Die Sinfonie ist ein komponierter Abschied vom Leben. Schnittke wusste, dass es mit ihm zu Ende geht, doch dieser Mann hatte eine unglaubliche kreative Kraft, auch bei den schicksalshaften Schlaganfällen, die ihn vorher ereilten entwickelte Schnittke unglaublich produktive Phasen, in denen Orchesterwerke und in den 90er Jahren auch Opern entstanden. Am Ende war der Körper kaum noch zum Überleben fähig, aber die Hand schrieb stetig weiter die Noten.

Wie gingen Sie an diese schwierige Arbeit heran? Das Wissen, ein musikalisches Vermächtnis zu betreuen, erfordert eine große Verantwortung.

A.R.: Dieser war ich mir bewusst und ich lege Wert auf die Feststellung, dass dies die 9. Sinfonie von Schnittke ist, nicht eine Bearbeitung von Raskatov, die Noten lagen ja fertig vor, sie mussten "nur" in eine aufführbare Form gebracht werden. Ich habe mir für die Arbeit eine spezielle Lupe gekauft. Zunächst begann eine Analyse, dann habe ich mit verschiedenen Farben sichere und zweifelhafte Passagen markiert und quasi die Sinfonie mehrfach nachgeschrieben, in immer mehr freigelegten Schichten. Ich habe 2003 begonnen, die Arbeit hat also vier Jahre gedauert. Es war wichtig, bei der Rekonstruktion der Noten ein Gefühl des Stiles und der Absicht der Musik zu entwickeln, in dem Bewusstsein um den speziellen, charakteristischen Klang von Schnittkes Musik. Beispielsweise gibt es in Schnittkes Manuskript kaum Angaben zu Tempo und Dynamik, dies habe ich behutsam mit der stetigen Vorstellung, wie es Schnittke gemeint haben könnte, ergänzt. Es gab auch emotionale Prägungen während der Arbeit, man beschäftigt sich in dieser Partitur zwangsläufig mit der musikalischen Artikulation von Tod oder Jenseits und ich glaube, Schnittke entwickelte in dieser Sinfonie eine Idee des "Verschwindens", des Abschiednehmens, dies scheint mir in der Musik sehr deutlich.

Erklärt das die fast kammermusikalische Struktur des Werkes?

A.R.: Ja, es ist fast eine Art Kammersinfonie. Schnittke hatte sicher nicht die Absicht, äußerlichen Erfolg mit dem Stück zu haben - es ist nahezu "effektfrei" und ein sehr ernstes, nach innen gerichtetes Werk. Überdies ist es mit dem Gedanken des Abschieds fast monothematisch und steht damit im Kontrast zu Schnittkes früheren, oft doppelbödigen Werken, in denen Gegensätze und Infragestellungen eine große Rolle spielen.

Also hört man eine große Konzentration, eine Zurücknahme aller äußerlichen musikalischen Dekorationen?

A.R.: Es ist eine Art Freiheit, die Schnittke am Ende seines kompositorischen Schaffens auslebte, die Stimmen des Orchesters verlaufen in klarer Polyphonie. Es gibt keinen Impressionismus in dieser Sinfonie, es ist kein Orchestergemälde, sondern eine Zeichnung.
Diese Direktheit der musikalischen Sprache, die in ihrer Kargheit dennoch nicht "leicht" vom Hörer zu fassen ist, führt vielleicht zur Seele von Schnittkes Musik, diese 9. Sinfonie ist in gewisser Art eine "ausgezogene" Musik, bei der Arbeit spürte ich oft die sehr spezielle Energie des Werkes, die sprachähnlichen Charakter hat.

Im Konzert wird außerdem ein Stück von Ihnen, Herr Raskatov, uraufgeführt, "Nunc dimittis", für Singstimmen und Orchester. In welcher Beziehung steht das Werk zu Alfred Schnittke?

A.R.: Mein Stück wurde zwar im Voraus als eine Art Finalsatz zur Neunten angekündigt. Doch "Nunc dimittis" ist von der Sinfonie zu trennen, maximal würde ich es als imaginären Epilog zu bezeichnen. Ich schrieb das Stück "in memoriam Alfred Schnittke" und verwendete Texte von Joseph Brodsky, einem der Lieblingsdichter Schnittkes, und des russischen Heiligen Siluan. Außerdem enden viele Sinfonien Schnittkes mit einem langsamen Satz, aber ausgerechnet die Neunte endet mit einer Art "Presto". Deswegen weist mein langsamer Epilog noch einmal auf diese Finali hin.

Die Zusammenführung geistlicher und profaner Themen in einem Werk wäre ja auch eine Hommage an Schnittke, der ja beiden Welten in seinen Kompositionen gleichberechtigten Raum gab, zudem singt das Hilliard Ensemble im Konzert Motetten von Guillaume Machaut, und weist somit auf die Tradition hin, die für Schnittke Reibungsfläche und Bedingung für die Entstehung neuer Werke war.

A.R.: Alfred Schnittke war ein sehr gläubiger Mensch, aber die weltlichen Themen integrierte er ebenso. Er war quasi polykulturell, nicht nur aufgrund seiner Herkunft, sondern auch in seinen vielen Interessen denen er nachging. Die Frage von Identität und Tradition war immer wichtig für ihn.

Welche Bedeutung hat Schnittke im heutigen Russland? Er gehört ja zu einer ganzen Reihe russischer Komponisten, die im Westen leben bzw. gelebt haben?

Es ist eine sehr komplexe kulturelle Situation im gegenwärtigen Russland. Schnittke ist als großer Komponist anerkannt und wird oft gespielt, vor allem auch seine vielen Filmmusiken, von denen man hier nur wenige kennt. Doch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat sich im kulturellen Leben Russlands vieles verändert, die Komponisten sind nicht so gut vernetzt wie früher, und manche mussten schon aus finanziellen Gründen emigrieren. Schnittke wäre auch gerne zurückgekehrt, aber dies verhinderte vor allem seine Gesundheit. Ich habe die Befürchtung, dass die jüngere Generation russischer Komponisten sich immer weniger mit der Tradition und der russischen Kultur identifizieren. Es darf keine Uniformität entstehen und es ist niemals ein gutes Zeichen, wenn die intellektuellen Größen das Land verlassen.

Dennis Russell Davies wird die Uraufführung von Schnittkes 9. Sinfonie leiten. Inwieweit wird das Werk noch im Probenprozess gestaltet oder möglicherweise verändert?

Es gibt manche Details, in denen z.B. durch eine Unlesbarkeit mehrere musikalische Lösungen möglich sind, das wird in den Proben deutlich werden. Aber die Geschichte dieser Sinfonie startet ja jetzt erst. Ich bin froh, dass diese bisher ungehörte Musik Schnittkes nun erklingen wird und weitere Aufführungen sind bereits mit dem Bruckner-Orchester Linz [am 30.6. in Linz/A] und der Juilliard School geplant.
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Sa 16.06.2007 20.00 Uhr, Frauenkirch]

Guillaume de Machaut: Motetten
Alfred Schnittke: 9. Sinfonie (Uraufführung), Rekonstruktion des Manuskripts von Alexander Raskatov
Alexander Raskatov: Nunc dimittis - in memoriam Alfred Schnittke (Uraufführung)

The Hilliard Ensemble
Elena Vassilieva, Mezzosopran
Dresdner Philharmonie, Leitung Dennis Russell Davies

Donnerstag, 14. Juni 2007

Tagesthemen

Seit Tom Buhrow die Tagesthemen moderiert, kann ich die Sendung kaum noch gucken. Er macht das ja ganz professionell, aber sein "unbedingtsympathischwirkenwollen" schlägt in fast jeder Sendung durch und dann wirkt sein Lächeln wie bei einer männlichen Lottofee.
Und was mach ich ab 1.7., wenn Anne Will geht und Caren Miosga kommt?

Abschied

Er war mir ja immer ein treuer Gefährte. Aber irgendwann erwischt es auch einen Audi: Kühler, Schalldämpfer, Achsmanschetten, Wasserpumpe. Gut 1000 Euro, das ist zuviel auf einmal, zumal erst vor ein paar Wochen die Bremsen fällig waren. Und nun ich habe einen autolosen Sommer :(

Mittwoch, 13. Juni 2007

Epilog

zu einem Beitrag vom Steppenhund.
Aber diesen übernehme nicht ich, sondern dieser Herr, bitteschön:



[...derweil übt die WG Rachmaninov Opus 23/5...noch ist kein Nachbar ausgezogen, ein Wunder...]

Umfrage

Volker Lösch inszeniert in Dresden einen neuen Woyzeck. Da die Inszenierungstrilogie "Orestie", "Die Weber" und "Woyzeck" insbesondere die Lebensverhältnisse in den neuen Bundesländern unter die Lupe nimmt und Stellung zu aktuellen Gesellschaftsthemen bezieht, bittet das Staatsschauspiel diesmal sein Publikum um Mitarbeit - eine Umfrage soll das aktuelle, spezifische "Lebensgefühl" umreißen. Die anonymen Antworten dienen als Material für die Inszenierung, evtl. fließen auch einzelne Texte ein. Die Fragen finde ich sehr spannend, auch ein Nicht-Dresdner kann sich darüber gerne Gedanken machen (word-doc) und das ganze ausgefüllt ans Staatsschauspiel zurückmailen (dramaturgieADDstaatsschauspiel-dresden.de) Gute Sache.

Montag, 11. Juni 2007

Langeweile? Contest gucken...

da heute weder Fussball noch Hansi Hinterseer lief, habe ich meine kulturellen Bedürfnisse mal bei youtube gestillt und fand dort prompt einen Contest- es geht um das furchtbar schlechte Lied "Destiny Calling", das für ein Handy wirbt und im Wettbewerb nun filmisch umgesetzt werden soll. Leider war mein willkürliches Durchklicken durch die bisherigen Beiträge kaum von unterhaltenden Momenten geprägt, der Großteil der Videos ist furchtbar schlecht (naja dann passt es ja wiederum zum Lied...) - in dem grade verlinkten Video hört man noch die rumpiepsende Stimme des Herrn vor dem Karaokemonitor. Aua.
Zwei etwas lustigere Beiträge fand ich dennoch, der erste ist sogar einigermaßen anständig gefilmt, den zweiten finde ich surreale Collage aus ekligen Farben, schlechtem Ton und zwei ulkigen Typen ebenfalls annehmbar:




Mal sehen wer das Rennen macht...

[NB: wer ex-plantiert mir nun dieses Liedwrack aus dem Ohr?]

Geheimnisvolle Tiefen nicht erreicht

Miguel Gomez-Martinez dirigiert Mahler und Puccini im Zykluskonzert

Im Congress Center Dresden fand das letzte Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie der laufenden Saison statt, eingeleitet durch drei Orchesterstücke aus der Oper "Le Villi" von Giacomo Puccini. Angesichts der großangelegten 7. Sinfonie von Gustav Mahler, die darauf folgte, gerieten die gefälligen Sätze von Puccini bald in den Hintergrund der Hörerinnerung, dabei hatte der spanische Gastdirigent Miguel Gomez-Martinez sich um ein lichtes, transparentes Klangbild bemüht. Doch mehr als ein flüchtiger Eindruck von Puccinis früher orchestraler Kunst entstand hier nicht. Gomez-Martinez beschwor nach der Pause seinen Dirigentenstab, die fünfsätzige Siebte ist für Musiker wie Dirigenten eine besondere Herausforderung. Keine andere Sinfonie Mahlers ist so von Abbrüchen, plötzlichen Stimmungswechseln und rauschhaften Passagen gekennzeichnet und statt des etwa durch den von Mahler verehrten Bruckner hinlänglich bekannten finalen Orchesterrausches macht Mahler in der Siebten im Rondo-Finale durch zwei Akkorde lediglich "den Deckel zu". Das macht eine eindeutige Richtung der Interpretation schwer. Den Zuhörern wird noch die tiefgründige Deutung des Werkes mit der Philharmonie unter der Leitung von Marek Janowski in bester Erinnerung sein. Miguel Gomez-Martinez arbeitete nah an der Partitur und versuchte Mahlers zum Teil übergenaue Anweisungen mit temperamentvollem körperlichen Einsatz umzusetzen. Der Gastdirigent konnte den Ansprüchen des Werkes nicht immer gerecht werden, im 1. Satz kam er über die schlichte Organisation der Partitur kaum hinaus - großformaler Zusammenhang und die Erforschung geheimnisvoller Klangtiefen waren hier zu selten spürbar. Im Detail waren jedoch von den überaus konzentriert agierenden Philharmonikern wunderbare Klangfarben zu hören. In der Tempowahl warf beispielsweise die viel schneller genommene Reprise im 1. Satz warf Fragen auf, ebenso Gomez-Martinez' Verständnis von einem "Andante Amoroso" der zweiten Nachtmusik, die erst gegen Mitte des Satzes ein entspanntes Tempo erreichte, das der zarten Begleitung von Gitarre und Mandoline entgegenkam. In der 1. Nachtmusik hätte man die rhythmischen Ebenen zwischen Triolenfluss und Marschelementen noch stärker konturieren können, im 3. Satz, "Scherzo" waren die fragmentarisch-schattenhaften Passagen oft zu laut, dafür war hier das Tempo konsequent in Spannung gehalten. Die gewisse Flüchtigkeit in der Interpretation machte insgesamt den Eindruck eines nicht fertigen Werkes, zudem schockte Gomez-Martinez vor allem im Finale durch plötzliche Tempoattacken und eckige Übergänge, auf die die Musiker nicht wirklich vorbereitet waren. Faszinierend war allerdings, wie die Philharmonie im "fremden" Saal Homogenität und energetischen Schub entwickelte; trotz vor allem gefährlich direkter Akustik für die Holzbläser setzte genau diese Orchestergruppe die intensivsten Akzente des Stückes. Die souveränen und markanten Tenorhorn- (Olaf Krumpfer) und Hornsoli (Jörg Brückner) bereicherten die Aufführung ebenfalls. Anzuerkennen ist die Aufführungsleistung in jedem Fall, und gerade bei Mahler bleibt manches wie der von Gomez-Martinez überaus lang gehaltene vorletzte Akkord eben Ansichtssache.

Nochmal AU!!

Das AU!! hat noch nicht sein Finale gefunden. Die Wunde heilte zu, es folgten drei Wochen Druckschmerz und siehe da nun eine dicke Eiterblase - also ab zum Chirurgen. Und wieder humpel ich verbandverstärkt rum. Inlinern und Volleyball erstmal wieder abgelehnt *seufz*

Sonntag, 10. Juni 2007

Sonntag

Während gleich der Artikel über das gestrige Mahler-Konzert in die Tastatur gehackt wird, schalte ich mich musikalisch nach Österreich . Das Gastspiel des San Francisco Symphony Orchestra, dessen Klang ich ohnehin sehr besonders finde, bietet ein interessantes Programm.

[Lange gesucht, nie gefunden: meine persönliche Wunschseite, Programme klassischer Radiosender auf einer Internetseite zusammenzufassen. Das war früher schon in den Fernsehzeitungen ein Problem, das Radio war immer das Stiefkind, bekam nur eine Mini-Spalte, verschwand dann ganz. Bei der heutigen Vielfalt von empfangbaren Sendern + Internetstreams wäre eine solche Seite schon sinnvoll - oder gibt es sie bereits?]

Donnerstag, 7. Juni 2007

Ach Gottchen.

"Nachdem Paris Hilton am späten Sonntagabend eine Einzelzelle der Verwahrungsanstalt bezog, verschlechterte sich die körperliche und seelische Verfassung des Party-Girls drastisch. In der auch nachts erhellten und kalten Zelle konnte sie kaum Schlaf finden, verlor den Appetit und musste häufig weinen. Am vergangenen Dienstag besuchte Hiltons Psychiater das Gefängnis und stand der 26-Jährigen bei." (Quelle)

"(Ihr) sei es nachts zu laut und zu hell, und sie langweile sich." (Quelle)

"Vermischtes: [Update] Paris Hilton: Starlet laut Medien im Knast kurz vor Nervenkollaps" (Quelle)

"Laut Gerüchten hat sie sich jeden Abend in den Schlaf geweint."
(Quelle)

Weiß grad nicht, was ich mehr bedauern soll, das bereits wieder aus der Haft entlassene Starlet oder die Boulevardschreibe. Man sollte um die Uhrzeit keine Nachrichten mehr lesen...

Mittwoch, 6. Juni 2007

Which Tarot card are you?

Hoppla, da macht man doch mal einen dieser nichtssagenden Tests, die auf Blogs so beliebt sind (die Verlinkungen spar ich mir mal), und dann kommt prompt ein Ergebnis, was einen stutzig macht...

You are The Star

Hope, expectation, Bright promises.

The Star is one of the great cards of faith, dreams realised

The Star is a card that looks to the future. It does not predict any immediate or powerful change, but it does predict hope and healing. This card suggests clarity of vision, spiritual insight. And, most importantly, that unexpected help will be coming, with water to quench your thirst, with a guiding light to the future. They might say you're a dreamer, but you're not the only one.

What Tarot Card are You?
Take the Test to Find Out.

Da der Text dort in der Formulierung eher einem Horoskop aus der Fernsehzeitung ähnelt, hier ein anderer Text, und auch eine Karte, die ich viel schöner finde:

Der Stern
Energie: Hoffnung, Verträumtheit, Vertrauen


(Quelle)

Der Stern funkelt voll Hoffnung und Zuversicht. Er verspricht Freude und Schönheit, oft losgelöst von den irdischen Banalitäten. Mit ihm entfalten sich die zartesten Gefühle, er ermöglicht die edelsten Künste. Sternenlicht verleiht besonderen Glanz.
Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf. Oft führen ungewöhnliche Lösungen ans Ziel. Der Stern steht für die elegantesten Wege. In emotionalen Fragen ist der Stern ein gutes Omen. Lassen Sie nicht zu, dass sich die Inspiration in Träumen erschöpft.

Nacht der Wissenschaft

Bei der Nacht der Wissenschaften am 29.6. bieten die Veranstalter, allen voran TU, HTW und Forschungsinstitute wieder zahlreiche Vorträge und Experimente an. Der Knüller ist jedoch die "Abschlussveranstaltung", bei der die "Lange Nacht" endlich mal bis zum Ende ausgekostet wird:

01.00 bis 04.45 Uhr Nachtigall oder Lerche?
Kurzinfo: Die Frage, die alle Liebenden bewegt. Wir geben Antworten. Lauschen Sie mit uns der frühmorgens erwachenden Vogelwelt: Erleben Sie den Abschluss der Langen Nacht der Wissenschaften in Tharandt und im ForstPark mit allen Sinnen, natürlich zum Thema Wald und Bäume und ihren Bewohnern (Film, Imbiss, Bibliothekseinlage, Forstgartenführung, Sonnenaufgangspicknick). Es wird bis zum Sonnenaufgang vor den Tharandter Rocky Mountains für alles gesorgt. Treffpunkte: um 1 Uhr vor der neuen Bibliothek in Tharandt (Pienner Straße 15), um 4 Uhr am unteren Haupteingang Tharandt des Forstgartens. Bus-Shuttle aus Dresden um 0.15 Uhr ab Bergstraße, Haltestelle Mommsenstraße nach Tharandt.
Referenten: Dr. Michael Vogel (SLUB Tharandt), Prof. Dr. Andreas Roloff (ForstPark), Dipl.-Ing. Jörg Wollmerstedt (Inst. für Waldbau und Forstschutz), J. Juretzka (Studentenwerk Dresden)

Pflichttermin :)

Montag, 4. Juni 2007

Steine, Vögel und Urgewalt

Recital Schleffen Schleiermacher im Kulturrathaus

Die wohl spannendsten Klanglandschaften der diesjährigen Musikfestspiele zeichnete der Pianist Steffen Schleiermacher bei einem Recital im Kulturrathaus. Das eher mäßig besuchte Konzert wurde zu einem packenden Bilderbogen mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Schleiermachers Konzerte sind immer auch dramaturgisch "durchkomponiert", so präsentierte er im ersten Teil quasi einen Bogen aus fünf Stücken mit einem Prolog von John Cage, diese Sechsteiligkeit spiegelte sich dann im zweiten Teil in der Klaviersuite Nr. 8 "Bot-Ba" von Giacinto Scelsi. "In a Landscape" von Cage zelebrierte Schleiermacher nahezu schwebend, der unaufhörliche leise Notenfluss wirkte als ruhiges Vergehen von Zeit. Kontrastierend dazu Olivier Messiaens "La Chouette Hulotte" (Der Waldkauz) aus dem "Catalogue d'oiseaux", sicherlich eines der schwerer zugänglichen Stücke aus der Sammlung. Schleiermacher spielte das Stück darum auch deutlich strukturiert und grenzte die einzelnen Formabschnitte klanglich gut voneinander ab. Zweimal gab es einen "Steinschlag" im ersten Teil: Nicolaus Richter de Vroes "Gabbro" und "Peridotit" (letzteres eine Uraufführung im Konzert) sind Klavierstücke, die von Gesteinsformen inspiriert wurden - rhythmische Zacken und plötzliche Ballungen im ersten Stück sowie ein "bronzefarbenes" toccatenähnliches zweites Stück wiesen auch hier einen deutlichen Bezug zu Natur und "Klanglandschaft". Schleiermacher steuerte außerdem sechs eigene Stücke aus einem Zyklus für Kinder dazu: kleine plastische Stücke, die ihre Wirkung nicht verfehlen und auf frappierende Weise zeigen, wie natürlich und farbenreich neue Musik klingen kann. Mit Toshio Hosokawas "Nacht-Klängen" endete der erste Teil, in diesem Werk wie im gesamten ersten Teil war bereits faszinierend, mit welcher Konzentration und Sensibilität für den Anschlag Schleiermacher in jede dieser Landschaften eintauchte. Für Giacinto Scelsis (1905-1988) Klaviersuite "Bot-Ba" jedoch waren diese Fähigkeiten noch einmal zu multiplizieren, das Werk verlangt eine bedingungslose Beherrschung und vor allem einen kühlen Kopf in der Herangehensweise. Schleiermacher gelang beides und dazu eine überlegte Abstufung von meditativen Passagen und (ur-)gewaltigen Ausbrüchen, die sich aber mit kontrollierter, enormer Kraft entfalteten. Aus dem Nichts heraus entstehende Klangballungen und über eine lange Zeit bis ins Bodenlose gesteigerte Wellen wurden von Schleiermacher optimal und plastisch angelegt. Die exemplarisch zu nennende, Grenzen ausreizende Interpretation wies nachdrücklich auf den italienischen Komponisten hin, dessen geheimnisvolle, extreme Klangwelt viel zu wenig gehört und gespielt wird.

Sonntag, 3. Juni 2007

Er blüht...

...der Oleander

Samstag, 2. Juni 2007

Nochmal Faust

Nun ist er über die Bühne gegangen, der Schüler-Faust - leider war ich so eingebunden, dass es gerade einmal für ein paar mäßige Probenfotos gereicht hat. Es war ein toller Erfolg, bin gespannt, was am Montag noch die Presse dazu sagt. Ich hoffe, es lassen sich noch weitere Aufführungen arrangieren, für einmal wär es wirklich zu schade.

Warm-Up in der Sonne:

Prolog im Himmel, in Rot Mephisto, hinten mit Spot und Saxophon: Gott

Schluss-Szene, Battle zwischen der MephistoGang und den Engeln, in der Mitte unter der weißen Decke Gretchen, die sich bereits dem "Gericht Gottes" übergeben hat...

(Klicken vergrößert)

Mittwoch, 30. Mai 2007

Haydn vital und Finnland modern

Stuttgarter Kammerorchester und Mats Rondin gastierten in Loschwitz

Bei der "Welterbe"-Reise der Dresdner Musikfestspiele am Pfingstmontag stand als zweite Station die George-Bähr-Kirche Loschwitz auf dem Programm, in welcher das Stuttgarter Kammerorchester die Zuhörer erwartete. Das renommierte, seit über 60 Jahren bestehende Orchester war in nach seiner Gründung vor allem durch seine Interpretationen der Musik des Barock und der Wiener Klassik bekannt. In den letzten Jahren hat das Orchester sein Repertoire beständig erweitert, die kleine Kammerorchesterbesetzung läßt vielfältige Entdeckungsreisen zu, nicht zuletzt auf dem Gebiet der zeitgenössischen Musik. Die hohe Qualität der Interpretation und das jahrelang gewachsene, homogene Zusammenspiel der Musiker konnten die Zuhörer beim Gastspiel in Loschwitz verfolgen. Der schwedische Cellist und Dirigent Mats Rondin hatte mit den Musikern ein Programm erarbeitet, welches zwei in hiesigen Breiten recht vernachlässigte finnische Komponisten der Moderne vorstellte: Aulis Sallinen und Joonas Kokkonen, beide verbunden durch eine Lehrer/Schüler-Beziehung und doch trotz Akzentuierung des sinfonischen OEuvres kompositorisch völlig verschieden, wenngleich beide sich deutlich zur finnischen Tradition und damit zu Sibelius bekannten. Im Konzert hinterließ das 3. Streichquartett "Aspekte des Trauermarsches von Hintrikki Peltoniemi" eine deutlich stärkere Wirkung als die etwas unterkühlte "Musik für Streichorchester" von Kokkonen. Die Orchesterfassung von Sallinens Quartett beeindruckte durch ihre Farbigkeit und stilistischen Witz, der aber niemals platt wirkte - dafür sorgte allein die spannende ostinate Verarbeitung des Themas. Mats Rondin gelang eine fein ausgehörte Wiedergabe des Werkes, die nicht mit opulentem Klang geizte, aber eben auch die Akustik der Kirche im Zusammenspiel berücksichtigte. Ähnliches galt für das Cellokonzert C-Dur von Joseph Haydn. Außerordentlich vital und mit sichtbarer Freude am kammermusikalischen Musizieren übertrug diese Musik sich in den Kirchenraum. Rondin leitete die Aufführung vom Solocello aus und konnte sich zwanzig aufmerksamer Mitspieler gewiss sein, gleich ob im breit ausgelegten Mittelsatz oder im überschwänglichen Finale. Rondin gestaltete das Konzert überdies im stetigen Ausgleich zwischen lebendigem Vorwärtsdrang und intensivem Ausspielen der Melodielinien - eine durchaus angenehme Deutung. Das Abschlusswerk von Joonas Kokkonen war sperrig. Dodekaphonie streitet mit Traditionsverbundenheit, heraus kommt ein in vielen Passagen zu akademisch anmutendes Werk. Stark wirkte allerdings der langsame Satz, den die Stuttgarter mit großer Ruhe formten. Bonmot am Rande: War im Konzert von Heinrich Schiff ein Werk von Olli Mustonen vom Programm genommen worden, so tauchte hier plötzlich eines auf: Rondin musizierte eine Zugabe für Cello und Kammerorchester, und so lernte man doch noch ein allerdings recht konventionelles Werk des finnischen Pianisten kennen.

Dienstag, 29. Mai 2007

Herbe Enttäuschung

Heinrich Schiff und Stefan Vladar in der Semperoper

Er zählt zu den bedeutendsten Cellisten der Gegenwart, prägend für eine ganze Generation von Musikern und es dürfte kaum einen Klassikfreund geben, der ihn nicht schon einmal live oder auf Tonträgern gehört hat. So zählte das Cellorecital von Heinrich Schiff in der Semperoper bereits im Voraus zu den Höhepunkten der Musikfestspiele - allein die Einlösung dieses Anspruches gelang nicht, im Gegenteil, das Konzert dürfte für Inhaber manch teurer Karten ein Ärgernis gewesen sein. Das lag weniger an Heinrich Schiff alleine, der zumindest in einigen Werken seine Klasse zeigte, als vielmehr an seinem Partner am Klavier, Stefan Vladar. Unerklärlich ist mir dennoch, wieso Schiff mit einem Pianisten zusammenarbeitet, der den Gedanken eines kammermusikalischen Duo-Abends nicht mit Leben erfüllt. Vladar zeichnete sich durch eine reichlich unmusikalisch zu nennende Demut am Flügel aus, die die pianistische Gestaltung völlig zunichte machte, was für Stücke von Schumann und Brahms, in welchem der Klavierpart wichtiger Motor der Struktur ist, den Tod bedeutet. Den 3. Satz der "Fantasiestücke" von Schumann gestaltete Schiff sehr impulsiv, Vladar war da schon nicht mehr zu hören, untergetaucht trotz eines Notensatzes, der eigentlich das Gegenteil anweist. Das nahezu am besten wirkende Werk des Konzertes war ausgerechnet die kurze Komposition "Grave - Metamorphosen für Cello und Klavier" von Witold Lutoslawski, deren klare Strukturen zumindest eine eindeutige Interpretation hinterließen. Statt der Sonate des Finnen Olli Mustonen erklang die Cellosonate von Claude Debussy, die weder in der Themengestaltung noch klanglich überzeugen konnte - beide Musiker waren hier zu sehr detailverliebt, verloren den Zusammenhang und waren außerdem selten zusammen auf einem Punkt. Jean Sibelius' "Malincolia" geriet unter dem packenden, stellenweise auch etwas groben Zugriff von Schiff zu einer dramatischen Erzählung, doch auch hier fehlte beiden Musikern der wirkliche Zugang zur Musik, die eine überzeugende Interpretation ausmacht. Kühl und abgearbeitet wirkte der Notensatz, von Vladar war kaum einmal ein interessanter Akzent zu hören. In der 1. Sonate e-Moll von Johannes Brahms überzeugte dann Heinrich Schiff mit markanter Ausgestaltung der drei Sätze. Ein großer Ton, eine selbstverständliche, überlegte Gestaltung und Schiffs absolutes Versenken in die Melodielinien war durchaus überzeugend. Doch das letzte Herzblut für diese leidenschaftliche Musik fehlte angesichts eines Pianisten, der jede noch so kleine Steigerung im Keim erstickt, die Partitur missversteht und sich dermaßen einem Solisten unterordnet, dass die Kompositionen und ihre Strukturen nicht mehr erkennbar sind. Was ein Höhepunkt werden sollte, geriet zu einer herben Enttäuschung und Schiff ist anzuraten, sich zukünftig gute musikalische Partner zu suchen.

Nuancenreiche Stimmungen

Klavierrecital Severin von Eckardstein bei den Musikfestspielen

Wie in den vergangen Jahren gibt es auch bei diesen Musikfestspielen eintägige Reiseangebote zu kulturellen Themen, bei denen an bedeutenden Orten kleinere Konzerte stattfinden. Die "Weinlandschaftsreise" führte am Pfingstsamstag zunächst in das Schloss Albrechtsberg, wo der Pianist Severin von Eckardstein für die Zuhörer ein einstündiges Solorecital darbot. Von Eckardstein hatte ein spannendes Programm vor allem unter dem Aspekt der "Klanglandschaft" ausgewählt, das von Schumann bis Messiaen reichte. Zu Beginn zeigte der ARD-Preisträger in Leos Janaceks Zyklus "Im Nebel" gleich seine besonderen Fähigkeiten in der Klangformung. Von Eckardstein besitzt eine subtile, sehr variable Anschlagskultur, die besonders im Piano-Bereich unzählige Nuancen
aufweist und rasant ausgeführte Steigerungen, aber auch Entspannungen ermöglicht, was für Janaceks Musik ideal erscheint. Damit interpretierte er den formal schwierig zu fassenden Zyklus wie einen nahezu improvisiert anmutenden Gedankenstrom, der eine ständige innere Melancholie aufwies, die sich nur im letzten Stück entladen darf. Von Eckardsteins Fähigkeit, verschiedene Stimmungen und Strukturen deutlich abzustufen und dennoch einen stringenten Fluss der Musik zu erzeugen, macht ihn ebenso prädestiniert für die Musik von Olivier Messiaen und Claude Debussy. In Olivier Messiaens Schlussstück aus "Catalogue des oiseaux" überzeugte zudem eine völlig überlegte und konsequent durchgeführte Fingertechnik. Auch die drei Stücke aus "Images" von Claude Debussy formulierte er klangsinnig und mit dem Mut zur leisen, unaufgeregten Gestaltung. Die einzige Kritik, die man anbringen kann, richtet sich gegen den recht müden Applaus des Publikums, das offenbar die typischen Solo-Schlager im Programm vermisste oder keinen Zugang zu der durchweg klug überlegten Interpretation der Kompositionen fand. Schließlich deutete von Eckardstein Schumanns Zyklus "Papillons" nicht als Abfolge von lauter Einzelstücken, sondern legte den ganzen Zyklus als Gesamtblock auf den Kontrast der einzelnen Tanzsätze an. Schnelle Stimmungswechsel, pianistische Lockerheit ein ausgeprägter Sinn für die jeweilige Stilistik der Kompositionen - das fügte sich zu einer überzeugenden Matinee im Schloss Albrechtsberg, der von Eckardstein noch die Etüde für die linke Hand von Felix Blumenfeld und ein Stück von Alexander Skrjabin folgen ließ.

Sonntag, 27. Mai 2007

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