Freitag, 14. März 2008

Systemkollaps und kalkuliertes Schwindelgefühl

Portraitkonzert Wilfried Krätzschmar im "Klangnetz Dresden"

Die Dresdner Musiklandschaft wird in den nächsten vier Jahren dank der neuen Einrichtung des "Klangnetz Dresden" deutlich von zeitgenössischer Musik geprägt sein, stärker noch als es bisher ohnehin durch viele engagierte Musiker, Komponisten, Ensembles und Institutionen in der Stadt geschieht. Denn das Förderprojekt der Kulturstiftung des Bundes ermöglicht nun nicht nur sporadische, individuelle Konzerte, sondern setzt auf Netzwerk und Vermittlung. Einen der wichtigsten "Verkehrsknotenpunkte" stellt im Projekt die Hochschule für Musik Dresden dar. Dort fand auch am Mittwoch innerhalb einer neuen Workshopreihe "Komponieren in Sachsen" ein umfangreiches Portrait des Dresdner Komponisten und ehemaligen Rektors der Musikhochschule Wilfried Krätzschmar statt. Nach einer Vortragsveranstaltung am Nachmittag widmete man sich am Abend der vielfarbigen Kammermusik Krätzschmars. Interessant war vor allem die Gegenüberstellung alter und neuer Werke, wobei Krätzschmar im Gesprächsteil des Konzertes nicht nur die Wende als besondere Schnittstelle im OEuvre hervorhob. Auch die Beendigung seines Rektoratsamts war eine Zäsur, die nach 2003 Raum für neue Werke erkennen ließ. Im Ablauf der Stücke im Konzert waren aber diese biografischen Markierungen kaum fühlbar, denn jedes einzelne Werk blieb ein "echter Krätzschmar". Denn schlicht unverwechselbar ist in Krätzschmars Kompositionen die formale Sicherheit, die Sinnlichkeit des Gestischen und die Unverzagtheit, ja der Mut, den Krätzschmar im schmalgradigen Bereich des Halbszenischen aufbringt. So gerät man als Zuhörer ins Wanken, ins Trudeln, und das mit voller Absicht, aber auch mit vollem Genuss. Es entsteht ein akustisches Schwindelgefühl, das Krätzschmar in seinen Partituren fein kalkuliert. Rasch stellte sich dieser Schwindel im Ensemblewerk "... possibilmente alla serenata ..." (1989) schon angesichts des Gedankens ein, dass das Stück nach dem Willen der Musiker auch zwei volle Tage dauern könnte. Müde würde man beim Zuhören wohl dennoch nicht, auch wenn der Posaunist zum x-ten Mal am Rande seiner Luftmöglichkeiten um die Töne ränge. Solch akustischer Seiltanz setzte sich im "TANGO" für Klavier zu vier Händen fort. Hier sind es vor allem rhythmische Wucherungen, die den Eindruck einer argentinischen Bandoneontruppe vor einem riesigen Zerrspiegel entstehen lassen. Der Tango-Tanzboden federte durch, auch wenn die gehämmerten Rhythmen beizeiten den Systemkollaps markierten. Die beiden koreanischen Studenten leisteten hier Außergewöhnliches, ebenso wie Seong Ryeom Lee an der Großen Trommel in der "sérénade noire" - oder hat man vor diesem Konzert gewusst, dass dieses Instrument auch sprechen, singen, klagen, juchzen und töten kann? Am Ende des Konzertes stand das "scenario piccolo" für einen Pianisten und Instrumente aus dem Jahr 1986. Hier wagte sich Krätzschmar doch weit über den Rand des Subtilen hinaus und stellte einem nahezu hyperaktiven Instrumentalensemble eine apathische Theater-Pianistin gegenüber; ein nacktes, offenes Spiel mit Kontrasten anstelle braver Kammermusik. Was folgte, war ein pures Drama instrumentaler, musikalischer und musikantischer Natur. Krätzschmars Werke hinterließen starke Eindrücke, und bei den für ihren ehemaligen Rektor äußerst engagiert agierenden Studenten der Dresdner Musikhochschule (in der bewährten Gesamtleitung von Christian Münch) waren die Kompositionen in besten Händen.

Donnerstag, 13. März 2008

Behinderten-Sex bald verboten!

Wenn das BuVerfG mit seiner heutigen absurden Begründung zum Inzesturteil konsequent wäre, wäre die zeitnahe Umsetzung meiner Artikelüberschrift die logische Folge. Dass die Herren Richter sich mit ihrer Beurteilung in eine Grau-, nein eine Schwarzzone bewegen, die in früheren Zeiten mit Begriffen wie "Gutmenschen" umschrieben wurde, ist skandalös. Es gibt keine Begründung für ein solches Urteil, außer der anhalten Tabuisierung innerhalb überkommener Moralvorstellungen. Ein wenig erinnert es mich auch an Vorschlaghammererziehung: Was schon immer gut für Dich war, kann nicht verkehrt sein. Bloß dass das BuVerfG bereits das letzte Glied in der Kette ist. Anfechtung möglich (Die Kläger wollen jedenfalls weiterkämpfen)? Ich glaube eher, dass eine öffentliche Diskussion um das Rechtsempfinden in solch sensiblen ethischen Fragen überfällig ist. Schließlich leben wir nicht mehr im Urwald und Darwin ist tot.

Mehr dazu auch hier:
* Die Zeit, 46/2007 (beschreibt den Fall um den es geht)
* Sarah Benke
* Holger Klein, dazu siehe auch die 10 Wahrheiten bei unfehlbar.net
* taz
* Interview bei SpOn mit Tatjana Hörnle

Mittwoch, 12. März 2008

Konzerthinweis

Falls es Münchner Mitleser gibt, oder zum Weitersagen - ein Konzerthinweis für den Ostersonntag, in der architektonisch phantastischen Herz Jesu-Kirche München Neuhausen.
(Klick vergrößert)

Kahn in Indien?

Das drohte ja heute morgen am Frühstückstisch ein weiterer Schenkelklopfer zu werden, als ich in meiner lokalen Zeitung las, dass "Oliver Kahn sein letztes Spiel als Profitorhüter am 27. Mai in Indien vor 100000 Zuschauern" bestreiten wird.
Weit gefehlt, das stimmt tatsächlich. In meiner Zeitung allerdings keine weitere Erklärung außer "INDIEN", sodass ich mich im Internet durchbeißen muss, und beim FCB wird man dann auch fündig.
Ok, im September gibts noch eine Feier in München, aber das Abschlussspiel gegen Mohun Bagan ? Barca oder Milan wäre mir da ja lieber gewesen, schon allein wegen der gehaltenen Torschüsse. Die dürften in Indien Mangelware sein, wenn Lucio die 11 Kalkuttaner (sagt man das so?) nicht mal bis zur Mittellinie vorlässt...

Obwohl ich kein FCB-Fan bin, meinen Respekt hat dieser Spieler vor ALLEN anderen in der Welt, daher heute schonmal von so nem öseligen Miniblog ein "DANKE, OLLI !!" :)

(...und lass noch 'n paar durch bis Mai, damits spannend bleibt *g*)

Samstag, 8. März 2008

Auslacher des Tages

Ruhr hoch n Team-Work-Capital ist der neue Slogan für das Ruhrgebiet.
*schluck* *hinsetz*
OK.
Abgesehen davon, dass das
- kein Slogan ist
- "hoch n" sogar in den Online-Meldungen als "hoch n" erscheint und nicht als "hochgestelltes n", somit international nicht verwendbar und in jedweder Übersetzung irreführend
- es assoziativ nichts mit dem Ruhrgebiet zu tun hat
- man es nach dem ersten Hören gleich falsch niederschreibt, es somit auch nicht fehlerfrei reproduzierbar ist
- die Rechnung ein furchtbares Ergebnis hat, wenn team MINUS work MINUS capital, heißt das nix anderes als Leute, die weder Arbeit noch Geld haben. Und "n" ist auch ne Unbekannte. Heißt im Ergebnis: was soll ich da? *g*
- der RUHR-Slogan von einer Agentur aus Düsseldorf stammt *lol*

...kann man wenigstens herzhaft drüber lachen. Und das, obwohl noch nicht der 1. April ist.


Der geneigte Leser der WAZ bekommt das Logo auch erklärt: "Pinke, gelbe, grüne oder blaue Punkte bilden links neben dem Wort Ruhr(hoch n) in Anlehnung an das Ruhr-2010-Logo die Umrisse des Ruhrgebiets ab" - AHJA. Vielleicht auch noch grüne Rauten oder silberne Quadrate!? Ein Logo kann ja so vielfältig sein... *prust*

p.s. "WATTENSCHEID-HÖNTROP - auch ganz o.k." finde ich sehr genial ;)

Mehr dazu:
* Forum "derwesten"
* Artikel der WAZ
* Medienbeobachter 50hz

Donnerstag, 6. März 2008

Saftig musizierte Klangmärchen

3. Sinfoniekonzert der Landesbühnen Sachsen

Es gibt unter den klassischen Komponisten Charaktere, die eigentlich auch hervorragende Geschichtenerzähler oder Vorleser gewesen wären. Wenn man sich die Partituren von Ravel und Strawinsky anschaut, offenbart sich deren Leidenschaft im Erfinden von phantastischen Szenen und dem Ausloten von Humor und Tragik sofort. Dem Hörer eines Konzertes teilt sich dies nicht automatisch mit, dazu bedarf es einer Interpretation, die die schillernden Farben dieser Komponisten hervorkitzelt. Im 3. Sinfoniekonzert der Landesbühnen gelang dies in beglückender Weise, und GMD Michele Carulli schaffte es sogar, der Ouvertüre zur Oper "Cenerentola" von Gioacchino Rossini nicht nur selbstverständlich das italienische Feuer zu entlocken, sondern auch den kammermusikalischen, rhythmischen Zauber, der den Meisterwerken Rossinis innewohnt. Lediglich im Beginn der Ouvertüre musste sich das Orchester klanglich etwas zusammenfinden, um dann aber souverän aufzuspielen. Das reine Orchesterkonzert um Märchen und Mythen wurde mit Ravels Suite "Ma Mère l'Oye" (Mutter Gans) fortgesetzt. Hier zeigte sich, dass Carulli, der noch am schmissigen Ende der Rossini-Ouvertüre wahre Flugqualitäten am Pult bewies, mit seinem Orchester auch wunderbar leise Töne und sanfte Klangfarben hervorbringen kann. Kaum etwas konnte die entspannende Atmosphäre dieser ruhig und breit strömenden Melodien schmälern.
Der "Brocken" des Konzertes stand jedoch noch bevor und man darf feststellen, dass die Leistung des Orchesters nach der Konzertpause beeindruckend war. Nicht die allseits bekannte Suite aus dem "Feuervogel" von Igor Strawinsky stand auf dem Programm, sondern die komplette Ballettmusik und diese läßt sich beileibe nicht vom Blatt spielen. So bekamen die Hörer einen saftigen Vorgeschmack auf den zweiteiligen Ballettabend nach Reiner Feistel, der mit diesem Stück und "Le Sacre du Printemps" am 15.3. an den Landesbühnen Premiere hat. Eine tolle Erfahrung der Aufführung des "Feuervogels" im Sinfoniekonzert war die Leichtigkeit, mit der Carulli in der gesamten Ballettmusik den musikalischen Fluss unterstützte und so selbst schwierigste Bläserpassagen sauber und koordiniert ausmusiziert werden konnten. Immer wieder stufte Carulli die Dynamik fein ab; feines, vielfach geteiltes Streicherflirren klang ebenso spannend wie der Höllentanz von Kaschtschej, nach welchem der GMD in satt angelegten Klangfarben auf das große Finale des Balletts zusteuerte. Es gab unzählige Soli der Musiker zu bewundern und besonders beeindruckte, wie aufmerksam und präzise das Orchester eine gute Balance für die einzelnen Klangbilder in dem Ballett erzeugte. Der märchenhafte und doch klanggewaltige Abend wurde begeistert aufgenommen und es ist sicher nicht untertrieben zu bemerken, dass Carulli binnen dreier Amtsjahre als GMD in Radebeul einen Klangkörper geschaffen hat, der beim Zuhören schlicht Freude macht.

Yoga für die Ohren

Ranajit Sengupta (Sarod) gastierte in der Dreikönigskirche

Die Dresdner Konzertreihe "Musik zwischen den Welten" wartet (der Titel sagt es) immer wieder mit besonderen Musikern, Kompositionen und kulturellen Begegnungen aus der ganzen Welt auf. Angesichts des Gastspiels von Ranajit Sengupta am Sonntag in der Dreikönigskirche reicht die Vokabel "besonders" allerdings kaum mehr aus, um das Erlebnis auch nur annähernd in Worte zu fassen. Zuvor sei gesagt, dass die Rezeption klassischer indischer Musik vor allem seit den sechziger Jahren in Europa stark zunahm. Dabei kam und kommt es oft zu Begegnungen der westlichen mit der indischen Kultur, deren bekannteste, wenn auch vielleicht nicht unbedingt historisch wertvollste, die von Yehudi Menuhin mit dem Sitar-Spieler Ravi Shankar war. Aber auch die zeitgenössische (elektronische) Musik des Westens ist stark an indischer Musik interessiert, schon allein wegen der spannenden Mikrotonalität. Auch der Sarod-Spieler Ranajit Sengupta verschließt sich nicht vor solchen Begegnungen, und man kann ihn auch durchaus als einen offenen, fortschrittlichen Spieler ansehen. Zudem genießt er in Indien ein sehr hohes Ansehen, lehrt bereits selbst das Sarod-Spiel und bereichert das Raga-Repertoire durch eigene Kompositionen. Dennoch hatte der Abend in der Dreikönigskirche etwas sehr Ursprüngliches, Reines. Das lag zum einen daran, dass eben auf die multikulturellen musikalischen Begegnungen verzichtet wurde, zum anderen wurde mit Sengupta ein Musiker ausgewählt, der eben auch die großen überlieferten Ragas mit äußerster Kunstfertigkeit spielt. Läßt man sich auf Senguptas Spiel ein, merkt man schon nach wenigen Minuten, wie sich Rhythmus, Dynamik, Virtuosität und damit die Gesamtenergie aus einer großen inneren Ruhe formt. Dazu kommt eine ehrliche Freude beim Spielen, die Sengupta auch sanft mit dem Publikum kommunizierte. Spätestens da waren die Hörkonventionen ausgehebelt, die Vergleiche sinnlos. Man stelle sich lediglich ein deutsches Sinfonieorchester während des Spiels lächelnd vor - es passiert selten genug, möglicherweise haben wir noch viel zu lernen von anderen Kulturen. Im Raga transportiert sich trotz der fremden Skalen der Ausdruck sofort und eigentlich hätte es für die enorm vielseitige, rhythmisch ohne weiteres neben Freejazz und Hardrock bestehener Ornamentik Zwischenapplaus geben müssen, allein dies verbot die angenehme Hör-Versenkung, in die man durch Senguptas Spiel augenblicklich geriet. Im ersten Teil des Konzertes, das Sengupta mit wunderbaren Partnern bestritt (Samir Nandi, Tabla und Norbert Klippstein, Tanpura) gab es einen großen, einstündigen Frühlings-Raga (Raga Basant), der eine positive, vitale Grundstimmung verbreitete. Im zweiten Teil steuerte Sengupta eine eigene Komposition bei, die sich auf Volksmusik aus der Pahari-Gegend (Nord-Ost-Indien) bezog und beschloss schließlich das Konzert mit einem in Indien sehr traditionellen, bekannten Raga Malhar. Diese Demonstration klassischer indischer Musik geriet zu einem Hörabenteuer vor allem im virtuosen Bereich der Melodieausgestaltung. Zwischen Entspannung, Vitalität und ekstatischer Entfesselung konnte Ranajit Sengupta seiner Sarod ein ganzes Orchester an Klangfarben entlocken. Die Kooperation mit dem Yoga-Zentrum Dresden war ebenfalls sinnfällig, waren doch diese Ragas wahres Yoga für die Ohren. Sengupta spielte weit über zwei Stunden und konnte Freunde dieser Musik genauso wie nicht mit dem Raga vertraute Hörer absolut überzeugen.

Sonntag, 2. März 2008

Emma war da.

Bei dem Sturm setz ich mir lieber ne Mütze auf, sagte sich die Litfasssäule.


Gute Idee, meinten auch die anderen Litfasssäulen


Der Parkbank hätte auch keine Mütze geholfen...

Samstag, 1. März 2008

Gomorrha, später am Tag

Ein Schlag mit der gestreckten Hand auf die schimmernde Wasseroberfläche würde vollkommen ausreichen, dachte er. Sein Handstreich würde alles, alles neu ordnen, endlich. Beginn und Ende zugleich. Alles auf einmal. Er gestikulierte. Noch sah er, am Straßenrand auf dem Bürgersteig kauernd, die sorgfältig verlegten Pflastersteine im Wasser vage vibrieren - das sich am Gulli stauende Regenwasser war seltsam klar und er wunderte sich über seine eigene, momentane Gedankenklarheit, die ihm erlaubte, die Pflastersteine durch das Wasser zu erkennen. Er hatte diese Stelle an der Bundesstraße auserkoren für seine persönliche Revolution, seine eigene, einzige, größte, schönste. Es regnete auch nicht mehr, so dass keine Tropfen den kleinen See vor ihm aufwühlten. Er rutschte auf seinen Knien nah an die Wasseroberfläche heran, sah regungslos und ohne eine Gefühlsveränderung bemerkt zu haben in sein faltig-knöchernes, von unzähligen geleerten Flaschen gezeichnetes Gesicht. Das Wasser geriet auf einmal ganz leicht durch den Wind in Bewegung und der Wasser-Spiegel verzerrte in einer Art, die ihm augenblicklich Angst machte. Ein riesiger Schmerz kam da plötzlich aus dieser erbärmlichen Gesichtspfütze, den er nicht verstand, aber der ihm durch alle Glieder fuhr. Er richtete sich kurz mit dem Oberkörper auf und stieß ein mattes Grollen aus, den Kopf in den Nacken geworfen und die Augen zum vollends bedeckten Himmel gerichtet. Dann versuchte er sich zu beruhigen. Ein Schlag, ein Schlag würde genügen. Es wäre das Ende von allem, der Beginn von allem, Schluss mit der verdammten Sauferei, nie wieder Graben in Mülleimern, um nach Pfandgut zu suchen, das ihm zu seinem Schnaps verhalf. Ende, Anfang, Scheiße. Er grinste sein Konterfei an. Gedanken oder Gefühle entwickelten sich nicht mehr, er wartete auch nicht mehr drauf, sie fuhren Karussell mit ihm, Runde um Runde, seit Jahren, wenn er einen Gedanken hatte, rotzte er ihn aus, mehr nicht. Er fuhr mit ihnen Karussell, nein, sie mit ihm. Scheißegal, er würde es nun tun. Er schaute noch einmal hoch zum Himmel. Er würde zuschlagen, die flache Hand auf das Wasser, er würde dem verfickten Herrn Pflasterstein und auch der gnädgen Frau Hure Pflasterstein unter der Wasseroberfläche zeigen, dass er nun mit der Scheiße aufhören würde, entgültig. Er richtete sich noch einmal auf, atmete tief ein, drehte den Kopf, spie zur Seite aus. Bloß nicht in die Pfütze. Dann kniete er in seinen Lumpenklamotten fast wie ein demütig Betender am Rinnstein nieder und blickte tief in sein Konterfei in der Pfütze. "Mit mir nicht!" schrie er laut, drohend und plötzlich, zeigte mit der einen Hand auf die kotzarmselige Spiegeltype im gestauten Regenwasser, patschte mit einem Ausholschwung mit der anderen Hand flach auf die Oberfläche und verlor das Gleichgewicht. Er rutschte vom Bürgersteig in den Rinnstein, blieb bäuchlings im Regenwasser liegen und hob den Kopf. Aus der Käferperspektive sah er vor sich den Unterboden eines parkenden Autos. Rechts der Bürgersteig, unerreichbar wie das Leben selbst. Er senkte zweimal kurz die Augenlider wie zur Bestätigung dieses Taufvorgangs, legte die Hände neben den Kopf und fing an nach links zu robben, auf die Bundesstraße. Ganz langsam, aber mit einer entsetzlichen Entschlossenheit schob er seinen ausgelaugten, nassen Körper aus der Unsichtbarkeit zwischen den parkenden Autos am Straßenrand. Die Augen starr auf das Pflaster gerichtet, einen Streifen Wasser als Spur hinter sich herziehend, hörte er sich selbst zwischen seinen Zähnen weiterknirschen, "nnnniiiiiicht.....mmmmmir......nnnnrrr", bis seine eigene Stimme, die bereits mit diesen drei Worten Amok lief, von einem irrsinnigen Quietschen von Autoreifen abgelöst wurde.

Oben teilten sich Wolken.

(Mein Februar-Beitrag aus der Schreibwerkstatt

Donnerstag, 28. Februar 2008

PflichtgehinskinoTipp: Roy Andersson

Kaum jemand kennt den Film, den ich nenne, wenn mich jemand nach meinem Lieblingsfilm fragt: Songs from the second floor lief vor acht Jahren in ein paar Programmkinos (das "Han har skrivit dikter" geistert mir noch heute im Kopf herum). Für mich ist es ein absolutes Meisterwerk, ich kenne kaum vergleichbare Filme im Kino, die mich so emotional gepackt und innerlich gleichzeitig ein weises Lächeln erzeugt haben. Jetzt hat Roy Andersson, dessen Filmographie ganze vier Spielfilme umfasst, einen fünften gedreht. Du levande/dt. Das jüngste Gewitter (dt. Website). Laut FAZ ein Film "als würde Ingmar Bergman The big Lebowski verfilmen". Wieder skurril, in den typischen grauen Farben, die Protagonisten mehr abwesend denn wirklich im Leben stehend oder gar handelnd, das ganze in 47 Einzelszenen gedreht. Unbedingt angucken (Bundesstart: 20.3.08) !
Rezension bei SCHNITT.de
Kleiner Vorgeschmack:

Kleines Staunen

wenn man doch mal was tut, was man früher als langweilig und "nix für mich" abgetan hat. Aus irgendner Laune (Ausrede für: Waage-Anzeige im Bad) heraus hab ich mich heute zum Mitjoggen hinreißen lassen. Und was stelle ich fest: gar nicht so übel. Zumindest zu mehreren Leuten. Auch wenn ich zwischendurch surreal vor mich hingrübelte: "Hrmpf, die Strecke könnt ich auch in vier Minuten mitm Bus fahren, was soll der Mist hier?" ;)

Nach dem Schrecken...

frage ich mich nur noch, in welche Richtung dieser Zug unterwegs war...

Dienstag, 26. Februar 2008

5x mit der ausgestreckten Hand aufs Wasser

Jede Menge spannenden Lesestoff mit obigem Satzanfang gibt es in der Februarausgabe der Schreibwerkstatt. Und die Blogger-Geschichte, die am besten gefällt, kann natürlich gevotet werden.

Liebeswidmungen und Tanzbacchanal

6. Sinfoniekonzert der Staatskapelle Dresden

Brillante Orchesterfarben im Rahmen des Themas "Liebe" wurden im 6. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden ausgebreitet. Die Konzertpause markierte dabei den Wechsel von der Hochromantik in den Impressionismus. Die auskomponierten Empfindungen zwischen erster Annäherung, Liebesfreude und Liebesschmerz waren dabei fast mit den Ohren zu greifen, so plastisch musizierte die Kapelle - lediglich die Tonsprache der Komponisten war deutlich verschieden. Peter Tschaikowskys Dante-Inspiration "Francesca da Rimini" steckt voller Dramatik und findet nur in einem aparten Mittelteil einen Ruhepunkt. Der junge kanadische Dirigent Yannick Nezét-Séguin nahm die Partitur am Sonntagvormittag als sportives Aufwachwerk: wirbelnde Streicherpassagen, jede Menge Blechklang und eine fulminante Apotheose am Schluss kitzelte er mit außerordentlichem Körpereinsatz hervor, konnte sich dabei aber jederzeit auf Aufmerksamkeit und Mitgehen im Orchester verlassen. Das musikalische Geschenk, das Richard Wagner Mathilde Wesendonck mit den fünf Liedern auf ihre Gedichte widmete, ist indes das genaue klangliche Gegenteil der am Ende blutrünstigen Francesca-Geschichte. Intim und zurückgenommen ist die Sprache Wagners hier; selten einmal schwingt sich in den Liedern der große Bogen empor, und doch hat man eine große Empfindung von Geschlossenheit in jedem Lied. Dafür bedarf es eine besondere Stimme, eine Sopranfarbe, die genau auf diese feine, fast silbrig schimmernde Art der Textvertonung passt. Mit der Amerikanerin Christine Brewer lud man sich zwar eine der großen dramatischen Sopranistinnen der Gegenwart ein, aber sie war eben für dieses Werk nicht die richtige Besetzung. Angesichts ihres stimmlichen Volumens und des entsprechend raumfassenden Vibratos hatte man spätestens im dritten Lied, "Im Treibhaus" Befürchtungen um die Zartheit der Atmosphäre. Brewer wusste aber die Stimmungen des Zyklus mit ihren Möglichkeiten zu erfassen und tat alles, um leise Farben und eine schlanke Stimmführung zu erzeugen. Dennoch konnte man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass eine Sopranistin mit einem lyrischeren Timbre und einer weitaus unauffälligeren (eben nicht dauernd in der Zurücknahme befindlichen) Stimmführung einfach für diese Lieder besser geeignet ist. Waren bei Wagner schon im Orchester glänzende Farbnuancen enthalten, so konnte Nezét-Séguin nach der Pause in den großen Farbeimer greifen und mit Werken von Debussy und Ravel nicht nur schwelgen, sondern die Kapelle auch zu einer "tänzerischen" Höchstleistung animieren. Schwierig war dies im Fall der Tanzdichtung "Jeux" von Claude Debussy, denn die Partitur des kurzen Ballettpoems wartet mit ständigen dynamischen Wechseln auf, die selbst den Höhepunkt quasi malerisch "verwischen". Das Stück mag wohl für Debussy vor allem im Sinne der Entwicklung von Harmonik und einer äußerst experimentellen Orchestrierung wichtig gewesen sein, entfaltet aber kaum auf der konzertanten Bühne eine nachhaltige Wirkung. Das gelang (und gelingt auch heute noch) Maurice Ravel mit seiner Ballettmusik "Daphnis & Chloé" mühelos, da er klare rhythmische Fundamente komponierte, die sowohl in der leichtfüßigen Pantomime mit herrlichen Bläsersoli als auch im "Danse générale" den Hörer mitreißen. Yannick Nezét-Séguin fand im Konzert in allen Werken einen sicheren Zugang zwischen entfesseltem Spiel und kontrollierter Betreuung und konnte sich am Ende über begeisterten Applaus freuen.

Samstag, 23. Februar 2008

Nich gucken!

Auch wenn er nun Oscars abräumt und super Kritiken: ich kann von There will be blood nur abraten. Und das trotz eines sprachlosen, vielversprechenden Beginns und einer absolut avancierten Tonspur (Jonny Greenwood). Aber mir geht der Sinn des Filmes nicht auf: Ölbaron entdeckt Quellen, wird reich und zum Arsch. Ok, das reicht für ein Buch und ich meine mich zu erinnern, dass Sinclairs Buch mich vor 20 Jahren gefesselt hat, aber das mehr wegen der alten Autos die darin vorkamen (nur ein Ölbaron konnte sich so ne Kiste damals leisten). Daniel Day-Lewis spielt bedeutungsschwanger, aber wirklich interessante Passagen seines Charakterwandels werden vom Regisseur kaum ausgespielt. Die Darstellung fanatischer Freikirchen wird im prüden Amerika sicher Kritik hervorrufen, da sie sich deutlich gegen die Freiheit der Religionsausübung ausspricht, wenn diese genau so fadenscheinig und opportunistisch agiert wie die Diktatur des Kapitals. Da liegt vielleicht der stärkste Aspekt des Filmes, aber wie gesagt: viel zu dürftig ausgearbeitet. Und so bleibt es einer der vielen Helden- und Histörchen-Hollywood-Filme, die bald wieder im Untergrund der Videotheken verschwinden werden.

Mittwoch, 20. Februar 2008

Springer manipuliert Presserat?

Entweder die haben bei Springer zuviel getrunken, oder dieser Maßnahme gegen das Bildblog ist von einem üblen Witzbold verfasst worden. Das klingt ja fast nach Mediendiktatur. Das beleidigte Bildkind wehrt sich, aber mit was für unlauteren, dämlichen Mitteln? - Vielleicht sollten sich die Springer-Kollegen mal diese kleine Seite auf den Nachttisch legen, bevor sie anfangen an der Pressefreiheit zu rütteln.

Mehr dazu hier (doku vom bildblog)

Dienstag, 19. Februar 2008

Ouha

Dies ist keine Vorhersage für die Costa Brava, sondern für Deutschland, nächstes Wochenende:

So, 24.02. 11° - 17°

Montag, 18. Februar 2008

Eine Alpensinfonie...

ist es nicht ganz geworden, aber die Serie der letzten Tage läßt zumindest eine solch visuelle Komposition zu. Und der Winterberg ist auch nur 556m hoch, aber nicht weniger imposant, wenn man die Bergstiege von Schmilka erklommen hat... Dass die Bildchen an drei verschiedenen Tagen entstanden sind, macht die Manipulation komplett, ändert aber nichts an der Schönheit der Natur :)

Nachtmorgen


Sonnenaufgang


Auf blumige Wiesen


Im Wald


(Nebel, Visionen, Gewitter, Sturm, Gipfel spar ich mir...)

Sonnenuntergang I


Sonnenuntergang II

Dienstag, 12. Februar 2008

*schmunzel*

und so landen Google-Reisende auf meinem Blog:

"Google: ravel klavierkonzert für die rechte hand"

Vielleicht sollte ich anstelle des Sonnenuntergangs oben mal ein Sackgassen-Schild hinmachen...

Nochmal Wikipedia

Irgendwann erstelle ich hier noch die Menü-Kategorie "Best of Wikipedia". Derzeit bin ich noch mit Händeübermkopfzusammenschlagen beschäftigt angesichts solcher Sätze:

"Man muss sich schon bewusst sein, wie schwer es der Komponist Sibelius hatte, wurde er doch mitten in die Spätromantik hineingeboren"

Stimmen zu Schoecks Penthesilea

- NZZ
- Deutschlandradio
- Freie Presse
- Frankfurter Rundschau

Und wer sich diese spannende Wiederentdeckung anschauen möchte, sollte dies bald tun!

mehrLicht

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