Wie schon 2004 und 2006 mache ich auch dieses Jahr wieder beim feinen Tippspiel (LINK) der Webfactory mit. Vielleicht finden sich ja auch ein paar Blogger ein?
Diesmal bin ich Admin einer Gruppe namens "Bremen4u", man kann der Gruppe beitreten oder sich auch lediglich als Einzeltipper (mit Watchlist) registrieren. In jedem Fall machts Spaß - und ist auch schöner gestaltet als das trockene kicktipp.de
In fünf Jahren fünf Cellosuiten von Bach, dazu jede Menge zeitgenössische Solomusik für das Cello, zum Teil als Uraufführung und speziell auf die Bachsuiten bezogen. Dies ist ein ehrgeiziges aber auch höchst spannendes Konzept für eine Konzertreihe: Bach wird umrahmt, kommentiert, beantwortet, in Frage gestellt. Und ebenso bekommen die zeitgenössischen Werke eine "Grundierung" durch die Nachbarschaft einer Bachsuite. Das Konzertprojekt "Bach.heute", das sich der Dresdner Cellist Matthias Lorenz über fünf Jahre hinweg vorgenommen hat, geht in seinen zweiten Jahrgang und kann nun außerdem einen CD-Mitschnitt vorweisen. Die These von Matthias Lorenz für die Konzertreihe lautet, dass jede der Suiten eine Art kompositorisches Thema hat. Der Cellist gruppiert um die jeweilige Suite Werke zeitgenössischen Charakters, die zwar eine ganz andere musikalische Sprache sprechen, aber ebenfalls auf ihre Weise dieses Thema verfolgen. Nachdem 2007 der erste Konzertabend mit der ersten Bach-Suite und Werken von Jörg Birkenkötter, Hans Thomalla und Michael Maierhof stattfand, ist nun rechtzeitig vor dem zweiten Konzert der Serie der anspruchsvoll gestaltete CD-Mitschnitt erschienen. Nicht nur sind die klangstarken Interpretationen sowohl der ersten Bach-Suite als auch der zeitgenössischen Werke überzeugend gelungen, der Hörer erhält die Gelegenheit, das Bachsche Werk mit einem modernen Vertreter zu kombinieren und nicht nur das "Thema" (in diesem Fall "Umfärbung des Gleichen") nachzuhören, sondern seinen Horizont in Bezug auf die Möglichkeiten dieses Instruments, aber auch die Möglichkeiten heutigen Komponierens zu erweitern. Birkenkötter, Thomalla und auch Maierhof bewegen sich klangfarblich in radikal moderner Ästhetik, die dem Cello ungeahnte Ober- und Untertöne entlockt. Die eher "harte" Klangebene wird aber durch die transparente Konzeption aller Stücke entschärft; der Hörer wird durch ein klangliches Gebirge geleitet und findet sogar einen Ausgang. Nicht anders stellt sich die Situation bei Bach dar, allein die neue Musik schärft das Bewusstsein für diese Musik enorm. Den nächsten Soloabend der Reihe wird Matthias Lorenz am 29. Mai, 20 Uhr in der Blauen Fabrik geben. Auf dem Programm steht dann die zweite Bach-Suite d-Moll, dazu erklingen Werke von Friedemann Schmidt-Mechau (Uraufführung), Nicolaus A. Huber, Reiko Füting und Tom Johnson. "Anfangen - Aufhören" ist dann das Thema, um das sich die Werke ranken werden.
Die CD ist erhältlich bei Opus61, Wallstr. 17-19 und unter www.matlorenz.de
Karoline Schulz (Flöte) und Jens Brülls (Schlagzeug) konzertierten in der Musikhochschule
Einen zwiespältigen Eindruck hinterließ ein Konzert mit zeitgenössischer Musik für Flöte (Karoline Schulz) und Schlagzeug (Jens Brülls) am Samstagnachmittag in der Aula der Hochschule für Musik. Die Veranstalter, die Sächsische Gesellschaft für Neue Musik und der Sächsische Musikbund präsentierten ein recht anstrengend aufzunehmendes Programm. Fünf Uraufführungen von recht ähnlicher, konzeptorienterter Kompositionsweise erklangen für diese ungewöhnliche Besetzung. Obwohl man natürlich den Interpreten für das Engagement in Bezug auf neue Musik Respekt zollen muss, sollte die Entscheidung für gleich fünf neue Werke einen entsprechenden Anspruch der Interpretation nach sich ziehen. Dies wurde hier nur teilweise eingelöst. Dazu addierten sich Umbaupausen zu einer Konzertdauer von zweieinviertel Stunden Dauer: Überforderung und Ermüdung stellten sich ein. Kurze Interviews mit den anwesenden Komponisten halfen da nicht; das Nacherzählen der Musik bringt wenig, wenn die Musik selbst schon nicht überzeugt. Die Problematik der Stücke lag vor allem darin, dass sie sich zwar allesamt mit dem mannigfaltigen Instrumentarium des Schlagwerks beschäftigten, sich dabei aber zu sehr in trockener Klangforschungsarbeit ergingen. Die Interpretation der beiden Musiker war zum Teil nicht gut, da die Stücke allesamt nivelliert in Dynamik und Akzentuierung erschienen. Vielleicht hat hier einfach eine Probenwoche gefehlt, die die Stücke auf ein besseres Niveau hätte heben können. Spontane Programmumstellungen sind ebenso ein Hinweis für mit heißer Nadel gestrickten Darbietungen und müssen nicht sein. Lydia Weißgerbers "O Stern und Blume, Geist und Kleid" versuchte einen Widerspruch zwischen Komposition und Improvisation zu lösen, das war im musikalischen Ergebnis ebensowenig nachzuvollziehen wie der angestrengt akademisch wirkende Versuch von Erik Janson in "ZeitSchwellen", Bassflötenmehrklänge dem Schlagzeug zuzuordnen und dabei eine ganze Philosphie der Zeit-Behandlung mitzuschleifen. Ein rein emotionales Hören ohne Vorkenntnisse führte bei den meisten Werken in die Sackgasse von Systemen und Konzepten, wirkliche Aussagen wurden nicht über den Bühnenrand transportiert. Dieses Ergebnis ist um so unverständlicher, da gerade das Schlagzeug ideale Komponierinspiration bietet, um Form, Harmonik und Klangbalance optimal auszutarieren und zu strukturieren. Johannes Voit sprach in seinem Werk zwar von Wandeln und Wandlung, aber auch diese Prozesse kamen nicht gut zur Geltung. Karoline Schulz' "Schlag auf Schlag" war da ein eher positives Beispiel, sie konzentrierte sich nämlich auf wenige Becken- und Gong-Instrumente, um zwischen Anschlag und Nachklang nachzuhorchen. Unverständlich war, warum Jens Brülls nicht wirklich ein großes Tam-Tam für ihre Absichten verwendete. Alexander Morawitz "Entfaltung" war am Ende zwar von erschlagender Länge, aber die sieben Einzelteile "erzählten" intensiver, als es in den vorherigen Werken der Fall war.
Ich muss sagen, in diesem Jahr finde ich den Grand Prix etwas angenehmer zu sehen und zu hören. Die Peinlichkeiten und Extremlieder nehmen ab, dafür ist ein deutlicher Zug zur Retro-Discokugel und zum Schmusemist unverkennbar.
Meine Favoriten vor der Abstimmung: Albanien - junge charismatische Sängerin, melodisch gut gemachtes Lied Kroatien - sympathischer Street-Tango Türkei - guter Rocksong aus der Türkei, das ist außergewöhnlich, bestes Lied des Grand Prix Georgien - interessante Stimme und schönes Lied der Sängerin Frankreich - bekommt meinen Originalitätspreis. Groovt außerdem irgendwie, hat Ohrwurmqualität mit dem Backgroundchor
Und die Spanier spinnen, die Letten, die Bosnier und die Aserbaidschaner machen sich zum Affen, Israel kriegt den Seifen-Sonderpreis und die Serben das Taschentuch zum Tränentrocknen. Den Sonderpreis für den furchtbarsten Stilmix bekommt Portugal, den für den schlechtesten Sänger Norwegen und den für das Hochhalten guten alten Hardrocks Finnland.
Amen.
[[Das Abstimmungsverhalten und letztlich das Ergebnis ist natürlich erschütternd, das Lied von Russland ist der letzte Schrott, Griechenland und die Ukraine üben sich ebenfalls im Disko-Pop. Die Armenierin hatte zumindest eine interessante Stimme, war mir aber auch zu soft-langweilig]]
Gründungskonzert des "Projektensemble KlangNetz Dresden"
Obwohl das KlangNetz Dresden als ein Förderprojekt der Kulturstiftung des Bundes zunächst auf vier Jahre begrenzt ist, sind die innovativen Ideen, die sich nun von der Hochschule für Musik ausgehend mit vielen musikalischen Partnern in der Stadt bilden und bereits in Konzerten niederschlagen, unbedingt langfristig zu betrachten. So ist auch die jetzige Gründung des "Projektensembles KlangNetz Dresden" nicht eine fixe Herbeirufung Neue-Musik-Williger, sondern es stehen mit dem Einbezug von Dresdner Philharmonie und Musikhochschule zwei Institutionen verbindend hinter dem Projekt, die gleichzeitig seine Einmaligkeit ausmachen. In diesem Ensemble erarbeiten und spielen nämlich Studenten mit den Profis aus der Philharmonie große Ensemblewerke der zeitgenössischen Musik gemeinsam. Steht dann das Konzert noch unter so profilierter Leitung wie der des Komponisten und Dirigenten Hans Zender (dem in der nächsten Konzerten Matthias Pintscher, Beat Furrer und Ekkehard Klemm folgen werden), so ist eine hochklassige Qualität garantiert. Beispielhaft für die Vermittlung neuer Musik im Konzertsaal war auch die Präsentation des Abends im Kleinen Haus, der im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele stattfand: Hans Zender hatte nicht nur eine vollkommen schlüssige Programmdramaturgie mitgebracht, er wusste die durchaus unterschiedlichen Werke unter dem Oberthema "Klang-Stille" auch in wenigen Worten mit Musikbeispielen plastisch und für jedermann verständlich einzuführen. Morton Feldmans oberflächenartige, statische Musik aus dem Zyklus "The Viola in my life", die dennoch in kleinen Nuancen "bewegt" wirkte, konnte so ebenso faszinieren wie das mit heftigen, heterogenen Klangattacken gänzlich entgegengesetzte "Le Silence - Tystnaden" von Isabel Mundry. Einen starken Eindruck hinterließ Giacinto Scelsis "Natura Renovatur", das aus einem einzigen sogartigen Klangstrom der Streicher gebildet war. Hans Zender selbst steuerte "Furin no kyo" bei, ein vor allem sinnliches Spiel mit verschiedenen Sprachen und Bewusstseinszuständen von Zeit und Klang. Angelika Luz (Sopran), Albrecht Scharnweber (Klarinette) und Wenbo Xu (Viola) waren die durchweg überzeugenden Solisten des Abends, dem Ensemble unter Zenders umsichtiger Leitung war volle Konzentration und Entschlossenheit anzumerken. Angesichts vieler musikalischer Parallelaktivitäten in der Stadt waren die lichten Reihen im Kleinen Haus wohl zu verschmerzen, der Begeisterung für Hans Zender und dem neuen Ensemble tat dies keinen Abbruch.
Die Entfernung der Kultur aus den öffentlich-rechtlichen Programmen trifft ja kaum noch die zeitgenössische Musik (die ist schon ewig weg) wenig die klassische Musik (die wird verhackt und gekürzt), aber jetzt wird das Messer auch an andere innovative journalistische Formen angesetzt: Polylux und Radio Multikultistellen den Betrieb ein. Während Tita von Hardenberg bitter anmerkt, dass nach dem Fernsehen das Netz kommt, wird Multikulti zumindest durch eine Aufnahme ins Funkhaus Europa-Programm quasi erhalten bleiben. Dennoch ist die Absetzung eines solch integrativen Programms eine auch politisch katastrophal einzuschätzende Entscheidung. Kein Geld mehr für sowas hat der RBB, so die Pressemeldung. Abgesehen davon, dass bei einem der innovativsten Radiosender der ARD der Geldhahn zugedreht wird, darf man daraus schlussfolgern, dass die Volksmusik- und DDRwarToll-Affen des MDR und die massenkompatibel zugeschnittenen Formate von SWR und NDR bald den Planeten völlig überdecken werden. Traurig.
ich singe neu in einem kleinen Vokalensemble mit. Da dort auch Tangos, Flamencos und jazzige Dinge gesungen werden, werden mir zunächst keine Noten vorgelegt, sondern (journalistische!) Texte und Artikel, die diese Musik behandeln. Ich soll diese lesen und dabei "in den Rhythmus" kommen, d.h. die Musik empfinden. Heraus kommt eine Art Hip-Hop-Lesung von Weltmusik, ich sitze lesend und mich verrenkend am Tisch und versuche in den "Tritt" zu kommen.
Seit nunmehr 21 Jahren verblüfft das ungarische Keller-Quartett das weltweite Publikum mit Quartettspiel auf allerhöchstem Niveau. Mit gewagten und doch sehr professionell ausgeführten Interpretationen überzeugt das Ensemble ebenso wie mit ausgefallenen und doch immer stimmigen Programmdramaturgien, so auch am Montagabend beim Konzert im Palais im Großen Garten. Dazu hatten sie sich die renommierte Bajan-Spielerin Elsbeth Moser eingeladen und rahmten die vor allem zeitgenössischen Töne der Bajan-Werke mit Musik von Beethoven und Bartók. Eine gerissene Saite des Primarius verhalf dem Publikum zu einem anderthalbfachen Hörgenuss von Ludwig van Beethovens "Großer Fuge" B-Dur. Das Keller-Quartett genoss den Sprung in Beethovens Kontrapunktwelten mit packendem Zugriff, manchmal sogar in leicht gewalttätige Welten übergehend. Doch schon in den ersten Takten staunte man über das blinde Verständnis der vier Streicher: es sitzt jeder dynamische Schwung, jede rhythmische Verästelung, jede harmonische Fortschreitung, und das Quartett findet sogar noch süßliche Ruhe im Mittelteil der Fuge. Offene Ohren galt es dann für Sofia Gubaidulinas "Silenzio" zu beweisen, denn hier war am Rande der Stille einiges an zauberhaften Klängen zu entdecken. Elsbeth Moser integrierte sich souverän in das jederzeit über den Stücken stehende Streichduo und der Klang ihres Bajans verschmolz in diesem Stück vortrefflich mit den Streichern. Etwas verloren im Programm standen die kurzatmigen "Fetzen 5" von Wolfgang Rihm, die zwar einiges an kompositorischer Unruhe zur Schau stellten, aber über eine knorrige Äußerung kaum hinausgingen, da half auch die konzentrierte Interpretation der fünf Musiker wenig. Als deutsche Erstaufführung erklang ein Solowerk für Akkordeon der slowakisch-ungarischen Komponistin Iris Szeghy: "Canticum" war ein facettenreiches Werk, das sich zwar im Variativen schnell erschöpfte, aber mit einem sanft-feinfühligen Schluss versöhnte. Der Höhepunkt des außergewöhnlichen Konzertes war das kurz vor der Emigration des Komponisten entstandene 6. Streichquartett von Béla Bártok, dass die vier Musiker wahrscheinlich auch ohne Abstriche so unglaublich dicht und klangintensiv spielen würden, wenn man sie nachts wecken würde. Die Spielkultur des Keller-Quartetts verlieh dem nicht gerade eingängigen, an vielen Stellen vor Tragik berstenden Werk fast einen schwebenden Charakter, der zurückführte zu "Utopia", dem Thema der Musikfestspiele. Wo Musik ist, ist keine Trauer.
Hoppala, von diesen Änderungen wusste ich bisher gar nix. Aber irgendwie weiß ich nicht was ich davon halten soll. Begegnet einem Verkäufer wirklich mal ein unseriöser Käufer, soll er dann in die positive Bewertung reinschreiben "+ : nie wieder, zahlt nicht, beschwert sich"? oder wie?
Die Musikfestspielreise mit der "Kunst der Fuge" von Johann Sebastian Bach fand nach Stationen in Pirna und Weesenstein ihren Abschluss im Palais im Großen Garten. Dort begrüßte das zahlreich erschienen Publikum den russischen Pianisten Evgeni Koroliov, der seit dreißig Jahren schon in Deutschland lebt und als einer der hervorragendsten Bach-Interpreten gilt. War schon bei den vorherigen Programmen des Tages mit Werken der Komponisten György Kurtág und Max Reger eine spannende Programmdramaturgie vorhanden, so bekam Bach in diesem Konzert Dmitri Schostakowitsch und György Ligeti als "Nachbarn" und diese Gegenüberstellung war nicht nur sinnfällig, sie geriet durch eine vollends überzeugende Interpretation Koloriovs zu einem grandiosen Konnzerterlebnis. Dabei war schon das Bach-Spiel höchst bemerkenswert: glasklar strukturierte Koloriov die Contrapuncti, legte Emphase auf die die Entwicklung vorantreibenden Zwischenspiele und gab jedem der Stücke einen ganz eigenen, durchgehaltenen Charakter, der kantige Themenrufe ebenso vorsah wie verinnerlichtes, gleichsam hinter einem Vorhang stattfindendes Spiel mit subtiler Anschlagskultur. Eine Auswahl aus Schostakowitschs Klavierpräludien zeigte nahtlos die Anknüpfung des russischen Komponisten an Bach, aber ebenso auch die Abkehr im zeitgenössischen Sinn: diese Präludien sind weniger kontrapunktisch strenge Kunstwerke als vielmehr vehement emotionale Äußerungen der aphoristischen Art. Das letzte Stück aus Schostakowitschs Opus 87 nahm Koroliov in einem stringenten Atemzug. Statt Pathos bahnte sich hier ein stetig gesteigerter Kraftausdruck Bahn, der die Finalwirkung dieses Stückes unterstrich. Bei einem Ausflug zu György Ligetis "Musica ricercata" und zwei Beispielen aus dessen "Etüden" zeigte Koroliov entfesseltes rhythmisches Spiel, und wieder grüßte dank der stets lichten Interpretation (vor allem in "Arc-en-ciel") Bach aus jeder Nebenstimme, aus jedem gespiegelten Rhythmus oder immer neu angesetzten Themenköpfen. So war die Rückkehr zum Meister selbst am Schluss durchtränkt von den Hörerfahrungen aus dem 20. Jahrhundert. Erfrischend spielte Koroliov vor allem die zweistimmigen Canons, bevor er mit ruhig-überlegenem Gestus in der letzten, unvollendeten Quadrupelfuge die Zuhörer vollends begeisterte.
Musiktheater "Partitur Parcours" begeistert im Societätstheater
Manche Kostbarkeiten finden im Frühjahr in der großen, an Höhepunkten reichen Kulturstadt Dresden eher im Verborgenen statt und man ist dann als Autor einer Rezension glücklich, die frohe Kunde in die Welt zu tragen. Zwar war der kleine Saal im Societätstheater nahezu ausverkauft, doch erhofft man sich für die Aufführungen der "Partitur Parcours" noch viele weitere Zuschauer, denn den vier Protagonisten gelingt mühelos, womit viele große Staatstheater eher ein Problem haben: ein Publikum restlos und anspruchsvoll zu unterhalten. Und das auch noch mit zeitgenössischem Musiktheater. Um so mehr sind das Societätstheater und die Förderer zu loben, dass sie der freien Szene solche Produktionen ermöglichen. Die Zusammenführung von Katja Erfurth (Tanz), Ulrike Staude (Gesang), Florian Mayer (Violine) und Thomas Stecher (Spiel) unter der Regie von Sylvia Freitag war ein ziemlicher Glücksfall. Die Regisseurin gruppierte mehrere vor allem vokal und rhythmisch komplex komponierte Musiktheaterminiaturen von Jürg Wyttenbach, Georges Aperghis, Dieter Schnebel und anderen zu einem abstrakten, überaus sympathisch-skurrilen Quartettpanorama zusammen, von dem eine erfrischende Wirkung ausging. Sah man sich in einer Szene noch in einer Art Comedy-Show, so wurde daraus eine wildromantische Klage der Sopranistin, deren Kontrapunkt sich im nächsten Teufelsgeiger-Solo entlud. Gerade noch findet im Bühnenhintergrund ein gefährliches Duell zwischen Silbertablett und Geige statt, da malt die singende Tänzerin mit dem Finger Zeichen und Figuren in die Theaterluft. Sie läßt eine aberwitzige Schreib-Maschine entstehen, kurz nachdem der Zuschauer gerade das Erlebnis einen geigenden, über sein Schicksal jaulenden Clochards verdaut hat, der mit dem Instrument im Arm erstmal seinen Rausch ausschläft. Das Theater steht Kopf, und Schauspieler Thomas Stecher ebenfalls in Gerhard Rühms "Glaubensbekenntnis", das sich als durchaus körperlich anstrengend vorzutragendes Kochrezept entpuppt. Verblüffend an dem ganzen Abend war die durchgehaltene Hochspannung der Akteure: nirgends führte die Kurzweiligkeit (einige Abschnitte dauerten nur wenige Minuten, flogen vorbei wie die Pferde am Bühnenhintergrund) zu Beliebigkeit oder Unterbrechung des Flusses. Der Wahnsinn hatte kalkulierte Methode und die durchaus sportlichen Partituren von Schnebel und Rühm sind nicht zu unterschätzen. Und bei aller Vielfalt sorgte die im Vokalen entstehende Syntax, der Sprachrhythmus bis hin zur Sprachbedeutung und schließlich daraus resultierenden Handlung für gehörigen Zusammenhalt des "Parcours". Georges Aperghis "Récitations" und Michael Lentz tragikomischer Sprechakt sorgten für die nötige Prosa, mit dem flirrenden Stück "Ahnung" steuerte Florian Mayer sogar eine Uraufführung bei. Imposant war, wie sich die vier Künstler nicht nur auf ihrem eigenen Terrain bewegten, sondern auch andere Darstellungsformen mit Genuss exerzierten. Diese musikalische Olympiade der etwas anderen Art war ein voller Erfolg und zeigt einmal mehr, wie mitreißend zeitgenössische Musik auf der Theaterbühne sein kann, wenn man ihr mit Mut, Können, Spielfreude und vor allem Überzeugung begegnet.
"Partitur Parcours": weitere Aufführung: 22.5.2008, 20 Uhr, Kleine Bühne im Societätstheater
In unseren modernen Zeiten ist es beachtenswert, wenn Künstler sich ungeachtet des Mainstreams und der Vermarktung auf ihre ureigenen Überzeugungen verlassen und ihren Weg gehen. Der Geigerin Anne-Sophie Mutter gelingt indes durch ihre markante, über dreißigjährige Karriere auf den Konzertbühnen und ein gutes Marketing im Rücken der Spagat: zum einen füllt sie mühelos die Konzerthäuser mit den großen klassischen Programmen, hinter sich ein perfektes Medien-Marketing wissend. Zum anderen widmet sie sich aber auch der Stiftungsarbeit und Begabtenförderung ebenso intensiv wie eigenen musikalischen Projekten und auch der zeitgenössischen Musik, zuletzt mit der Uraufführung des 2. Violinkonzertes von Sofia Gubaidulina. Für eine Künstlerin ihres Ranges entsteht sicherlich durch die ständige starke Präsenz in der Öffentlichkeit ein nicht zu unterschätzender Druck, der aber auch Energien freisetzen kann. Ihr durchweg souveräner, glanzvoller Auftritt in der restlos ausverkauften Semperoper am Pfingstsonntag zeigte dies, dennoch merkte man auch ein Quentchen von Befreiung in den drei Zugaben ("Ungarische Tänze" von Brahms), in denen ihr Ton mit dem Jubel des Publikums im Rücken intensiver und ihr Spiel feuriger wurde. Ihr eigener Anspruch an die Interpretation scheint enorm zu sein. Technisch kamen die drei Sonaten von Johannes Brahms, die sie im Konzert der Musikfestspiele präsentierte, äußerst perfekt daher, Ansätze zur Kritik gab es lediglich den klangfarblichen Bereich betreffend: manches Mal geriet ihr hohes Lagenspiel im Oktav- oder Doppelgriff äußerst hart, so dass die Tonintensität zu gering ausfiel. Ansonsten pflegte Mutter in allen drei Sonaten den Wohlklang und eine weich-romantische Grundhaltung, die aber auch zumeist mittlere Tempi (bis auf die hervorragend angegangenen schnellen Sätze der 3. Sonate) und eine recht angenehme, aber nicht selten zu glatte Strukturierung des musikalischen Materials vorsah. Ausbrüche und Dramatik sind in Mutters Spiel durchaus vorhanden, unterliegen aber einer permanenten Dosierung, die in einigen Fällen die Tore zur emotionalen Wunderwelt der Sonaten eher verriegelte denn aufstieß. Dagegen pflegt Mutter eine zauberhafte Piano-Kultur, die mit wenigen hingehauchten Tönen einen kompletten Sonatensatz zur Ruhe bringen kann. Faszinierend war auch das absolut beherrschte und selbst in leisester Begleitung noch nuancenreiche Spiel ihrer Klavierpartnerin Ayami Ikeba, die trotz halsbrecherischer Partie etwa in der 3. Sonate punktgenau mit Anne-Sophie Mutter phrasierte. Interessant war festzustellen, welche der drei sehr unterschiedlichen Sonaten Mutter am besten liegt - die technische Bewältigung ist ja unbestritten. Es war eine deutliche Steigerung zunächst von der eher volkstümlich-liedhaften 2. Sonate A-Dur zur frühen G-Dur-Sonate festzustellen, die Mutter vor allem mit großem Verständnis für die lyrische Grundhaltung der Musik spielte. In der 3. Sonate d-Moll gelang ihr der ruhige 2. Satz wunderbar gesanglich und deutlich entspannt. Mutter arbeitete zudem die zahlreichen Kontraste dieses Werkes in den Ecksätzen gut heraus - die Programmfolge mit der zurückhaltenden G-Dur-Sonate in der Mitte war so durchaus überzeugend. Stehende Ovationen im Semperbau waren am Ende die Belohnung für diese Künstlerin von Weltrang.
Ich hatte ja neulich mal über den tollen neuen Slogan fürs Ruhrgebiet berichtet. Die Wellen schlugen hoch, denn kaum jemand konnte sich mit der Wortschlange einer Marketing-Agentur (Grey Düsseldorf) identifizieren. Jetzt haben die Werber nachgebessert und heraus kommt: "Die umstrittene Image-Kampagne für das Ruhrgebiet soll nach Kritik überarbeitet werden: Statt „hoch n” nun Ruhr „hoch R” im Kreis." meldet Der Westen. Nix verstehen? So sieht das aus. Und statt einer Unbekannten haben wir nun ein Trademark für die Ruhr. Ein Fluss als Marke, ist die Frage, ob wir nun bald "Witten (Ruhr®)" oder "Mülheim an der Ruhr®" auf unsere Briefe schreiben müssen!? Noch pikanter wird das Thema durch diesen Artikel, nachdem beim ersten Slogan positive Reaktionen zu einem Gutteil aus der Werbeagentur selbst platziert wurden. Das ganze scheint ein (ziemlich teurer) Gag zu sein. Vielleicht erliegen wir auch nur einer Testkampagne der Agentur, die die Sloganballons in den Pott schickt und sich der Häme durchaus bewusst ist. Hauptsache, ich muss das Ungetüm nicht in den nächsten Jahren auf jedem Schild in Bochum lesen...
[Aufgrund von sonnig-unbeschwerter Pfingstmontagsblogschreibunlust heute ein kleines Rätsel - Der Sieger bekommt etliche unangemeldete Besuche auf seinem Blog von mir *g*]
Endlich habe ich mir den zweiten Film von Thomas Grube über die Berliner Philharmoniker angesehen. Äußerlich ist Trip to Asia die dokumentarische Begleitung einer Asienreise des Orchesters, aber eigentlich geht es um die speziellen Eigenheiten dieses Klangkörpers. Vieles kam mir da bekannt vor, zumal wir mit dem DKC bereits 2005 in China waren - bloß hat keiner mit uns einen Film gedreht, aber die Demut und den Kulturschock habe ich durchaus noch einmal beim Ansehen nachempfunden. Eher beklemmend sind dann aber die ganzen Äußerungen der Musiker, was Druck, Leistung, Individualität usw. angeht. Sicherlich ist es für einen Nichtmusiker toll, einmal diese ganzen Strukturen mit Hilfe des Films anzusehen, aber gerade die Äußerungen über "Demokratie" im Orchester und vor allem zu Tradition und Anpassung bestätigt mir wieder einmal eine ziemliche Verkrampfung unserer Musikinstitutionen und es kommt in mir die Frage auf, ob das Nummereins- Leistungs-Qualitätsdenken wirklich immer die tollste Musik hervorbringt (bitte in dieser Hinsicht mal genau auf den Beethoven und einige Übergänge im Strauss hören...) - Fazit1: die entlassene Piccoloflötistin (im Abspann wird auch ihr Abgang gewürdigt, tolle Denunziation) erscheint mir am natürlichsten. Fazit2: Strauss spielen die Dresdner einfach besser (sowohl technisch als auch emotional...). Fazit3: dass die miserable Tonspur mit nicht zum Bild passendem Off-Playback - offenbar sonstwo eingespielt, ständiger Unterlage von Asia-Musik und einer permanenten akustischen Berieselung überhaupt "genehmigt" wurde, ist mir ein Rätsel.
Widmann, Mozart und Schumann im 8. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie
Zum dritten Mal bereits gastierte der Chefdirigent des Luzerner Sinfonieorchesters, der Amerikaner John Axelrod am Pult der Dresdner Philharmonie. Diesmal übernahm er die Leitung des 8. Zykluskonzertes, in welchem erneut die Reihe "Komponist und Solist" eingebettet war. Nach Lera Auerbach konnten die Dresdner nun den Münchner Jörg Widmann kennenlernen, einen vielseitigen Komponisten, der nicht nur für Neue-Musik-Ensemble, sondern auch für Sinfonieorchester und Opernbühnen schreibt. Zudem steht er als Klarinettist regelmäßig selbst auf der Bühne und kennt somit die Musikinstitutionen auch "von der anderen Seite". Zugeständnisse an ein repertoireverwöhntes Abonnentenpublikum gibt es von seiner Seite sicher nicht, wenngleich man kaum Schwierigkeiten hat, seine recht eingängige Tonsprache aufzunehmen. Hier liegt aber auch eine Problematik der Musik Widmanns. Wenn sie nicht insistiert, bedrängt oder eine auszulotende Grenze erreicht, gerät sie auch schon mal ins weniger spannungsreiche Sinnieren. Im Falle von "Armonica", 2007 in Salzburg uraufgeführt, erstaunte mich angesichts des großen Themas vom Erscheinen und Vergehen von Klängen die recht kleine Orchesterbesetzung, mit der Dirigent John Axelrod auch noch fordernder hätte umgehen müssen, um die Strukturen deutlicher zu zeichnen. Ein besseres Plädoyer für einen neuen Konzertsaal hätte es mit der Aufführung dieses Werkes nicht geben können: die beiden Solisten Christa Schönfeldinger, Glasharmonika und Teodoro Anzellotti, Akkordeon, gingen im Raumklang oft unter; viele Nuancen und Schichtungen in der harmonischen Ebene der Partitur konnten sich nur ansatzweise entfalten. Überdies war es schade, dass einer der beiden Solisten, Teodoro Anzellotti (Akkordeon), ein Interpret, der sich eklatant um die zeitgenössische Musik verdient hat, kaum sicht- und hörbar vor den 2. Violinen platziert war. Möglicherweise war dies aber von Widmann zur Verschmelzung der Klänge so gewollt, allein der Kulturpalastklang tat sein Übriges, dass von dem an sich sehr spannend konzipierten Werk, das sich im letzten Drittel durch verschiedene plötzliche Abbrüche und bedrohlich rotierende Flächen verdüsterte, nur ein akustisches Bruchstück übrig blieb. Widmann widmete sich dann dem Klarinettenkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart, überzeugte hier mit konsequent durchgehaltener weicher Tongebung und einem niemals romantisch geprägten Zugang. Damit rückte Widmann das Konzert überraschenderweise nah an die oft verträumt-spielerische Welt der späten Klavierkonzerte, was passender erscheint als die Näherung an das Virtuosenkonzert des 19. Jahrhunderts. Diese musikantische Unbekümmertheit setzte sich auch im frei schwingenden Orchesterspiel fort, wo aber Axelrod mit den Musikern einige Male in die Gefahr einer zu groben Darstellung geriet.
Die weiter beibehaltene, etwas derb-laute Grundhaltung im Orchester führte dann aber zu einer positiven Überraschung nach der Pause, denn dieses Klangbild passte ideal zu Robert Schumanns 2. Sinfonie C-Dur Opus 61. Axelrod motivierte die Philharmoniker zu einer packenden Interpretation, wo besonders die zahlreichen sauber intonierten Bläsersätze überzeugten. Etwas verschleppt war die Motorik in der Streichergruppe im 2. Satz, dafür gelang das Adagio sehr intensiv und vor allem in den Ablösungen der Akkorde weich und empfunden. Im Finale stürmte John Axelrod vorwärts und differenzierte dennoch die zahlreichen Verästelungen dieser gar nicht gefälligen Sinfonie, an der Schumann nach längerer Krise genas - am Ende gelingt der positive Kehraus glaubwürdig.
Ich wusste ja gar nicht, dass die Holländer so skurrile Comedy-Sendungen gemacht haben. Es gibt also noch einen drauf, diesmal ist Kork-Peter als JOSÉ verkleidet und bringt den Niederländern ein wenig Spanisch bei. Naja, drei Worte. Und mit den Gegenständen kommt er auch nicht so richtig klar. Ich habe Tränen gelacht...