Samstag, 3. Oktober 2009

Dresdner Sinfoniker in Hellerau

Eine komplette Rezension des gestrigen Konzertes in Hellerau war hier gar nicht geplant, aber einige Worte müssen geschrieben werden: spektakulär sollte die InternetSchalte nach Venedig sein, um bei der UA eines Werkes von Linda Buckley von dort gleichzeitig ein Kammerensemble zu übertragen. Warum, wozu, wusste niemand genau (Spektakel, na eben) - zumal ein Ticket nach Dresden für die fünf Musiker ein leichtes gewesen wäre. Da die italienischen Musiker nicht im Programmheft vorgestellt wurden, im Zusammenspiel mit dem Dresdner Orchester ohnehin nie zu hören waren und nur eine Standkamera Bilder aus Venedig übertrug, sei hier zumindet nachgetragen, dass das Ex-Novo-Ensemble eines der führenden italienischen Kammerensembles für zeitgenössische Musik ist und mit der Kooperation mit den Sinfonikern seine Feierlichkeiten zum 30jährigen Bestehen des Ensembles einleitet - Schier respektlos war die augenblickliche Kappung der Verbindung und das Hochfahren der Leinwand am Ende des Stückes. Hinzu gesellten sich weitere Fragezeichen angesichts Buckleys flach-flächiger Komposition, der oft ratlos wirkenden Melodik und Harmonik, des Sufi-Meisters vom Bildschirm zu Beginn. Warum...Wozu? Die Fragen gehen nicht weg. Ein glatter Flop - aber zumindest der Rest des Konzertes versöhnte (wenn auch John Adams Gleichung "Schrecken = Lärm" und sein Revolutionsrezept "Musikmaschine contra Umweltverschmutzung" nicht aufgeht) und die Aufführung der 3. Sinfonie von Awet Terterjan hätte als einziger Programmpunkt vollkommen ausgereicht. Wahrhaftiger und bewegender kann Musik nicht sein.

Samstag, 26. September 2009

Jerez

de Alicia de Larrocha (†)

Dienstag, 22. September 2009

Preziosen und Delikatessen

Carl Maria von Weber im 1. Zykluskonzert der Philharmonie

Wenn man es genau nimmt, kann man die Saisoneröffnung der Dresdner Philharmonie im gleich dreifach begehen, denn die insgesamt 27 sinfonischen Programme sind aufgefächert in Philharmonische, Außerordentliche und Zyklus-Konzerte. Vom der thematischen Bindung der Zyklus-Konzerte ist die Philharmonie in den letzten Jahren abgewichen (für die drei Reihen prangen im Saisonheft bereits die nüchternen Buchstaben A, B und C). Die Bezugnahme der gegenwärtigen Zyklus-Konzerte auf Komponisten Dresdner Provenienz ist kaum besonders zu nennen, denn diese musikalische Heimatverbundenheit ließe sich problemlos mit Dutzenden Komponisten jedes Jahr aufs Neue beschreiben. Und doch: ein ganzes Konzert mit rein orchestralen Werken von Carl Maria von Weber zu gestalten, ist zumindest nicht der Regelfall. Für "einen der ihren" kommen die Dresdner allerdings in Scharen und so war der Kulturpalast am Sonnabend auch ordentlich gefüllt. Samt Zugaben bot die Philharmonie mit den Solisten sogar sieben Kompositionen des Meisters auf. Dass dessen 1. Sinfonie C-Dur kaum so oft erklingt wie der "Freischütz", hat verschiedene historisch bedingte Gründe. Vor allem ist die Sinfonie ein nicht unbedingt ausgereiftes frühes Werk: zu verspielt und biedermeierisch kommt die Sinfonie daher, als dass sie über den Rang einer kleinen Delikatesse hinauskäme. Allerdings ist der Philharmonie für diese Wahl schon insofern zu danken, da eben das spannende Spektrum der Sinfonik zu Beginn des 19. Jahrhunderts eben nicht nur aus Beethoven und Schubert besteht. Chefdirigent Rafael Frühbeck de Burgos versuchte einen lockeren Klang mit recht behenden Tempi zu erzeugen. Da war manche Schönheit im melodischen Detail zu entdecken, ab und an lugt bereits der Opernkomponist hervor. Im arg schnellen 4. Satz fehlte ein wenig die Genauigkeit im Rhythmischen. Im Wechsel zwischen dem Entdecken der musikalischen Schönheiten der Weberschen Musik und dem Bedauern über doch nicht immer geordnete Bahnen der Interpretation setzte sich ein etwas ambivalenter Konzerteindruck fort. Christoph Berner gestaltete mit dem Orchester das Konzertstück f-Moll, Opus 79, ein reiferes Werk, das nicht umsonst bei Liszt und Schumann auf Gefallen stieß: durchweht von romantischen Geschichten und gebettet auf hohe Virtuosität ist es eine nicht im Vorübergehen zu knackende Nuss, der Berner mit etwas zu geradlinigem Spiel begegnete. Hier fehlte etwas der freie, durchaus "romantisch" zu empfindende Atem durch flexible Tempogestaltung. Technisch agierte Berner hingegen stets souverän agierte und brannte am Ende auch ein pianistisches Feuerwerk samt rassiger Zugabe ab. Im zweiten Teil des Konzertes geriet die von Hector Berlioz instrumentierte und als Konzertpièce oft dargebotene "Aufforderung zum Tanz" (mit feinem Cello-Solo) leider vor der Coda arg inhomogen. Frühbeck de Burgos hatte zu oft das Ganze im Blick und die von ihm durchaus motivierend initiierten flinken Passagen waren an diesem Abend nicht immer von Glück begleitet. Auch das Schlussallegro der Freischütz-Ouvertüre litt darunter, doch jedes Stück hatte seine Kostbarkeiten zu bieten: hier war es der runde Klang der Horngruppe. Wenn sich aber in diesem Stück die Selbstverständlichkeit des Kennens und Könnens zu sehr verbreitet, dräut die Gefahr des Verlustes des Zaubers. Zuvor hatte Solo-Klarinettist Fabian Dirr das Concertino Es-Dur in frei schwingender, parlierender Haltung interpretiert - sehr aufmerksam und kantabel schmückte das Orchester die leise Begleitung aus. Schwungvoll und tänzerisch leicht beendeten die Philharmoniker mit der Oberon-Ouvertüre diesen Weber-Reigen, der nicht immer auf höchsten Weihen schwebte, aber einige Preziosen zu bieten hatte.

Donnerstag, 17. September 2009

Bell Orchestre in Dresden

Nicht gerade voll war das Beatpol am gestrigen Abend, als das "Bell Orchestre" aus Kanada einflog. Um so begeisterter war der Jubel derer, die offenbar nicht nur der Vorankündigung aus der DNN gefolgt waren, sondern die sechs Musiker bereits als Geheimtipp kannten. Zu vollen Stadien wird es diese Band nicht bringen, denn zu exquisit und anspruchsvoll ist der Stil, den sie verfolgen, und den sie in jedem Stück mindestens dreimal auch gleich wieder brechen. Mit Horn, Trompete, Geige und Kontrabass sowie etlichen Nebeninstrumenten vom Dampfradio bis zum Sampler bestückt regnete ein instrumentales Feuerwerk auf die Zuhörer nieder. Aus dem neuen Album As seen through windows erklangen einige Kompositionen - die Begriffswahl, die hinüber in die klassische Musik winkt, ist angebracht, denn die Komplexität ist oft so hoch, dass man sich wundert, dass noch auswendig gespielt wird. Sarah Neufeld (vl), Pietro Amato (h) und Stefan Schneider (dr) scheinen dabei um ihr Leben zu spielen, so betörende Töne entstehen da, so präzise knallen einem die Beats um die Ohren, selbst wenn die Bläser schon wieder die nächste Flug-Fläche im Angriff haben. Vergleiche führen in mindestens zwanzig Sackgassen, bei denen Pärt, Riley, Tortoise, Mogwai und Röyksopp noch die präsentesten Ehrensessel einnehmen...

Ein kleiner, unheimlicher Eindruck, der natürlich niemals ein Konzert ersetzt...:





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Montag, 14. September 2009

Gestaltete Zeit und zeitlose Schönheit

Christian Thielemann zelebriert Anton Bruckner

Das 2. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle sollte GMD Fabio Luisi selbst leiten, krankheitsbedingt musste er jedoch absagen. Der in kurzer Zeit gefundene "Ersatzmann" jedoch dürfte in diesem Fall für das Publikum weitaus interessanter als andere Einspringer gewesen sein, denn zumindest die beiden Vokabeln "Thielemann" und "Dresden" hört man in den letzten Wochen, seitdem bekannt ist, dass sich Fabio Luisi ab 2012 Dresden ab- und Zürich zuwenden wird, immer häufiger. Bescheiden winkte Thielemann bereits im Interview ab: das Gerede gehört zum Beruf. Viel mehr aber noch gehört die musikalische Visitenkarte dazu - von dieser konnten sich die Dresdner letztmalig 2003 und nun erneut überzeugen. Für das 2. Sinfoniekonzert änderte Christian Thielemann das Programm und wählte ein ihm sehr gut liegendes sinfonisches Werk aus (zu hoffen ist, dass die ursprünglich angesetzten Werke - Rebecca Saunders "G and E on A" und Gustav Mahlers 7. Sinfonie bald nachgeholt werden können). Dass Thielemann zu nichts Geringerem als zum sinfonischen Gipfelwerk Anton Bruckners griff, läßt einem zunächst den Atem stocken und dann schon innerlich Vorfreude empfinden. Auch wenn die Ohren diesmal besonders gespitzt sein würden, ist doch das große Mysterium der 8. Sinfonie c-Moll immer wieder ein Ereignis. Die Kapelle ist den Werken Bruckners durch stetige Aufführungen verbunden; wo Wagner und Strauss zu den Hauskomponisten zählen, ist der spezielle Klang einer Bruckner-Sinfonie in besonderer Weise vertraut. Im nicht ganz ausverkauften Semperbau wurde Thielemann sehr freundlich begrüßt - die nächsten fast 80 Minuten durchflutete er das Haus mit einem (die Satzpausen nahm man kaum mehr wahr) musikalischen Spannungsstrom, den nur wenige Dirigenten in dieser Konsequenz zu erzeugen vermögen. Das Grundthema seiner Bruckner-Interpretation war der Umgang mit dem Thema Zeit, die Einfärbung und Wahrnehmung von Zeit, das Pulsieren, Innehalten, im wahrsten Sinne "Zeitgestalten". Immer wieder waren es in allen Sätzen kleine körperliche Gesten, die das Tempo flexibel hielten oder eine Steigerung auf natürlichste Weise wieder in einen melodischen Fluss umbogen. Das war faszinierend und erzeugte bei der Kapelle einen durchweg weichen, hochgradig intensiven, aber dennoch leichten Gesamtklang. Auf dieser Zeit-Basis legte Thielemann die "Geschichte" der 8. Sinfonie aus: der erste Satz noch als Fundament eines Gebäudes, als Exposition des Ganzen angelegt. Weiche Tutti-Passagen waren mehr als Vorahnung formuliert und das hauchzarte Verstummen am Ende erlaubte das Ausklinken aus dieser Welt. Unter Strom gelegt war ebenso der 2. Satz, aber dennoch erlaubte gerade das von Thielemann konsequente zelebrierte Ausmusizieren der Details das Hinhören und der absolute Ruhepunkt der ganzen Sinfonie war in der unwirklichen Harfen-Horn-Welt des Trios erreicht. Das Adagio wartete mit golden-erdenen Grundfarben zu Beginn auf - Thielemann fing hier an zu zaubern und zu malen, die Kapelle folgte in exzellenter Verfassung. Nicht der wolkenaufreißende Höhepunkt selbst faszinierte, aber wie Thielemann den Ausklang des Adagios anlegte und selbst nach dem kräftezehrenden Wogen noch die Geduld für glitzernde Streicherakkorde fand, das ist nur grandios zu nennen. Ebenso zwingend war auch das Finale mit einer deutlich abgesetzten Coda - die selbstverständliche Beruhigung mit immer neuen Themenvarianten ließ zu, dass sich die finale Apotheose in frei schwingender Kraft entfalten konnte. Auch hier ließ sich Thielemann Zeit, ohne betont langsam zu wirken - es war über alle Sätze hinweg die bedingungslose Hingabe an eine großartige Komposition, die offensichtlich wurde. Thielemann öffnete in diesem Werk manche Türen und Fenster und zeigte dem erstaunten Zuhörer die sich dahinter zahllos verbergenden Schönheiten, die nicht mehr verbal beschreibbar sind - von einem "Gewaltwerk" ist diese Deutung der 8. Sinfonie nur denkbar weit entfernt. Vielleicht ist die Entdeckung und wunderbare musikalische Umsetzung dieser Schönheiten die wahre Überraschung dieses großartigen Konzertes.

plus die News von heute:
diepresse
FAZ-Brautschau mit Bruckner

Erhaben, dramatisch und kontemplativ

"Elias" unter Frühbeck de Burgos im 1. Philharmonischen Konzert

Die 139. Spielzeit der Dresdner Philharmonie ist eröffnet. Traditionsgemäß werden für die ersten Konzerte der Saison besonders festliche oder außergewöhnliche Werke ausgesucht. Das erste Konzert der Saison gehörte dem Jubilar Felix Mendelssohn Bartholdy (Isaac Albéniz' Musik, dessen 100. Todestag gewürdigt wird, erklingt übrigens im 1. Außerordentlichen Konzert in zwei Wochen). "Die Ernte ist vergangen, der Sommer ist dahin" - welches Werk könnte besser an einen noch nicht ganz herbstlich anmutenden Sonnabend im September passen als das Oratorium "Elias"? Das Werk markiert den Gipfelpunkt der Oratorienkunst der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und auch heute kann man sich schwer der Faszination dieser Musik entziehen. Für das Gelingen ist ein aufmerksames Zusammenspiel aller sinfonischen und vokalen Kräfte erforderlich. Chefdirigent Rafael Frühbeck de Burgos hat mit dem Werk große Erfahrung, spielte er es doch schon 1968 in London (damals u. a. mit Dame Gwyneth Jones und Dietrich Fischer-Dieskau) auf Schallplatte ein. Frühbeck de Burgos verlieh der Aufführung im Kulturpalast vor allem eine stark nachempfindbare Ernsthaftigkeit. So legte er den ersten Teil vorwiegend dramatisch im Sinne der alttestamentarischen Handlung an, den zweiten eher kontemplativ. Die Himmelsfahrt Elias' gelang mehr betrachtend denn als vorwärtsdrängende Filmmusik und daher wirkten sogar die sehr ruhigen Tempi der Schlusspartie erhaben. Nur an wenigen Stellen ("Alle Lande sind seiner Ehre voll") stockte der Fluss zu sehr. Eine sehr gute Leistung vollbrachte der MDR-Rundfunkchor (Einstudierung Michael Gläser); hier faszinierte vor allem die kundige Gestaltung der Motive, die stets von der natürlich erzählenden Sprache bestimmt war. Ein stets runder und ebenso volltönend wie intimer Gesamtklang war das Pfund des Chores. Frühbeck de Burgos' dramatische Akzentuierung fand allerdings auch eine natürliche, angenehme Grenze, da er Chor und Orchester zwar forderte, sie aber nie zum Äußersten trieb und so einen tragfähigen Klang erzeugte. Krankheitsbedingt musste im Solistenquartett Hanno Müller-Brachmann seine Mitwirkung absagen. Als ein besonderes Glück muss gelten, dass man ausgerechnet in der umfangreichen Hauptpartie hochrangigen Ersatz finden konnte: Der Bariton Roman Trekel sprang ein und begeisterte das Publikum mit einer starken, charaktervollen Darstellung der Elias-Figur, bei der er deutlich differenzierte zwischen der Konversation mit dem Volk, dem Gebet zum Herrn oder den nachbetrachtenden Arien. Unterschiedlich war der Eindruck der anderen Solisten: Annette Markert überzeugte mit einer weichen Führung ihrer großen Altstimme. Ruth Ziesak breitete zwar in der Höhe schöne legato-Bögen aus, ihre Stimme wirkte aber in Rezitativen und mit ungünstiger Vokalfärbung oft spitz. Otokar Klein (Tenor) konnte mit dem guten Niveau der Aufführung nicht mithalten - neben einem deutlichen Sprachproblem trübten hier vor allem stimmtechnische Fehler den Genuss. Erfreuen konnte man sich am Ende des 1. Teils an Hans Wünsche (Knabensopran) aus dem Philharmonischen Kinderchor. Die Philharmoniker begleiteten die Vokalpartien zumeist konzentriert und mit viel Sinn für die Ausgestaltung eigener solistischer Passagen, lediglich am gemeinsamen Artikulieren der Streicher in den Rezitativen ließe sich durchaus noch arbeiten. Der "Elias" ist für die Philharmoniker lediglich der Auftakt zu einer ganzen Woche voller Musik: Am Dienstag geht es zu einer kurzen Konzertreise nach Burgos (Spanien), bevor am nächsten Wochenende das 1. Zykluskonzert mit einem reinen Weber-Programm ins Haus steht.

Freitag, 11. September 2009

Dog Granny



:)

Montag, 7. September 2009

Eindringlich musizierte Mariengesänge

Marie-Claude Chappuis und "Il Giardino Armonico" in der Frauenkirche

Der Sonnabend in der Frauenkirche ist Klassikkonzerten mit hochkarätigen Gästen vorbehalten. Ein nur flüchtiger Blick in das Programm des jüngsten Konzertes würde nicht unbedingt jeden vom Hocker reißen: geboten wurde Barockmusik italienischer Provenienz mit vielen kleinen Piècen wohl ein Programm für Kenner und Liebhaber. Doch so oft im Leben wird man eines Besseren belehrt, und man findet sich mitten im Konzert atemlos auf der Stuhlkante wieder, staunend und berührt von der Intensität und Ernsthaftigkeit, mit der auf der Bühne musiziert wird. Das Konzert mit dem italienischen Ensemble "Il Giardino Armonico" war wohl einer der wunderbarsten Konzertabende in diesem Kirchenraum. Laut klagen muss man allerdings, dass man dieses Erlebnis mit nicht gerade vielen Zuhörern teilen konnte, denn die Frauenkirche war halbleer. Immerhin nahm ein Ensemble auf der Bühne Platz, dass in diesem Jahr einer der ECHO-Klassik-Preisträger ist (die Verleihung findet am 18. Oktober in der Semperoper statt) und zwar nicht für eine spezielle Einspielung, sondern für die Ensembleleistung. "Il Giardino Armonico" versteht sich vor allem auf die italienische Barockmusik und ist in den fast 25 Jahren seines Bestehens für die stetig steigene Interesse der Zuhörer an Alter Musik gewaltig mitverantwortlich. Denn gleich mit den ersten Klängen aus Antonio Caldaras Sinfonia a-Moll war klar: hier spielt eines der weltbesten Barockensembles. Dazu kam eine Dramaturgie, die weit entfernt war von einem Potpourri bekannter Melodien. Mit Akribie und Sinn für Kontraste und Nachbarschaften hatte das Ensemble verschiedene Passionsmusiken instrumentaler und vokaler Art zusammengestellt. Dirigent Giovanni Antonini vermied Pausen zwischen den Stücken, so dass der Abend aus drei großen Teilen intensivst musizierter Marien-Musiken bestand. Il Giardino Armonico beeindruckte durch ein unendlich scheinendes Repertoire an Ausdrucksnuancen und dynamischen Feinheiten, so dass jeder noch so kurze Instrumentalsatz zu einem packenden Drama geriet. Weit entfernt ist das Ensemble auch von einem harten Tonfall oder überzeichneten Tempi, was für manche vermeintlichen Experten der Alten Musik schon zur Visitenkarte gehört. Vielleicht liegt es doch an der Heimat des Ensembles, dass man überzeugt ist, Vivaldi hier mit besonderem Schmelz, mit Klangtiefe und einem unglaublichen Sinn für Tonlängen und Tongestaltung zu hören. Den vokalen Part dieses Konzertes gestaltete die Schweizer Mezzosopranistin Marie-Claude Chappuis, die sich wie ein ebenbürtiges Instrument in die Schar der Musiker einfügte und insbesondere in Giovanni Battista Ferrandinis Kantate "Il Pianto di Maria" eindrucksvolle Gestaltung ihrer Linien bot. Dazu faszinierte hier die Faktur der Kantate mit einer zweimal musizierten ernsten Cavatine und mit einem fast schon ruppig-bestimmten Rezitativ als Finale. Von der Orgelempore sang Chappuis im ersten Teil raumgreifend und dramatisch Claudio Monteverdis "Pianto della Madonna", eine Fassung des berühmten "Lamento d'Arianna". Die räumliche Distanz kreierte eine besondere Bühnensituation: dieser Maria war zu Hilfe zu eilen unmöglich und mit dieser festen Unausweichlichkeit sang Chappuis die Klage sehr überzeugend. Die Italianità des Dresdner Hofes nicht fehlen: mit Werken von Johann Georg Pisendel und Sylvius Leopold Weiss wurden sehr passende Musiken ausgewählt. Neben Luca Pianca (Laute) brillierte Dirigent Giovanni Antonini ebenfalls solistisch auf dem Chalumeau in Francesco Contis Arie "Sento già mancar la vita". Für den starken Applaus für dieses bewegende Konzert bedankten sich die Musiker mit der Arie "Mein Heiland" aus Telemanns "Brockes-Passion". Und zu hoffen bleibt, dass Il Giardino Armonico nicht nur im Oktober seinen verdienten Preis entgegennimmt, sondern Dresden auch bald wieder musikalisch beehrt.


CD-Tipp:
Das Programm des Konzertes in der Frauenkirche ist bereits im April 2009 auf CD erschienen: Il Pianto di Maria - Bernarda Fink, Il Giardino Armonico, Giovanni Antonini, DECCA

Sonntag, 6. September 2009

Ostrale 2009

Heute (Sonntag) ist die letzte Chance, die Ostrale auf dem Messegelände zu besuchen. Ich bin dann zum zweiten Mal dort und werde sicher noch einmal in den Maschinenraum gehen und mich von "Ave Bach" von Michael Petermann betören lassen. Einen kleinen Ausschnitt kann ich hier auch geben:



Außerdem wird morgen bei der Ostrale Rob Sweere sein schönes Projekt Silent Sky mit interessiertem Publikum durchführen. Ich hoffe, die Konversation mit dem Himmel wird nicht zur Schleusenöffnung führen...

(Quelle: dagjeweg.nl

Samstag, 5. September 2009

Wes Geistes Kind wir sind...

sagt uns jetzt wieder der Wahl-o-mat - und nachdem ich bei der letzten Wahl einen Schubs in die linke Hüfte bekam, hoffe ich nun wieder, dass meine Partei mich wieder wählt. Achnee. Umgekehrt.

Sonntag, 30. August 2009

Charakterkopf und technisches Wunderwerk

Lang Lang zu Gast im Sonderkonzert der Staatskapelle

Die neue Saison der Sächsischen Staatskapelle Dresden ist eröffnet. Ein Sonderkonzert unter Leitung von Generalmusikdirektor Fabio Luisi markierte am Mittwochabend gleichsam drei Pfeiler der sinfonischen Arbeit der Kapelle: Verpflichtung zu Tradition und Moderne sowie die Begegnung mit hochklassigen Solisten. Das Konzert war außerdem der Auftakt für eine Tournee in die Sommerfestival-Metropolen Europas: Luzern, London, Hamburg und Montreux sind die Stationen. Mit einer Uraufführung stellte sich die neue Capell-Compositrice vor, nach Isabel Mundry und Bernhard Lang die dritte Komponistin, die über den Zeitraum einer Saison moderne Akzente in den Kapellkonzerte setzen wird: Die Britin Rebecca Saunders hat sich auf den einschlägigen Neue-Musik-Festivals mit Werken ins Gespräch gebracht, die eine avancierte Sprache sprechen und oftmals durch eine plastisch formulierte Grundidee oder klangliche Brechungen und Varianten der gewählten Stückthematik überraschen. In Saunders' "Traces" (Spuren) für Orchester war vor allem ein Spiel mit der Wandelbarkeit eines geformten Klanges zu spüren. Die Musik franste regelrecht aus, nachdem sie aus nebulöser Tiefe eine Genese fand. Erst im letzten Drittel des Stückes kam es zu deutlicheren, markanten Äußerungen, die aber in abstrakten Sphären verblieben. "Traces" waren vor allem verrätselte Spuren, die von freundlichem Applaus beantwortet über die Rampe krochen. Ähnlich den ebenso anspruchsvollen "Balancen" von Isabel Mundry von vor zwei Jahren wird dieses Werk hinter dem Kapellrepertoire versteckt kaum in Erinnerung bleiben - eine offensivere Haltung wäre hier vonnöten, wenn ein vehementes Interesse an der Vermittlung Neuer Musik bestünde. Zu dem chinesischen Starpianisten Lang Lang hätte man natürlich kaum etwas auffahren können, das angesichts dessen Bühnenpräsenz nicht in den Hintergrund geraten wäre. Man war gespannt, ob Lang Lang nach der einfühlsamen Interpretation des 1. Klavierkonzertes von Frédéric Chopin im Jahr 2005 in Dresden nun mit dem 2. Klavierkonzert f-Moll erneut begeistern würde. Er tat es, allerdings ist mir unklar, ob die stehenden Ovationen mehr seiner Person und Ausstrahlung oder seinen interpretatorischen Künsten galten. Denn zeitweise überspannte er den Bogen doch arg: das Larghetto war zwar melodisch schön gestaltet, doch Lang Langs stark exerzierte Gestik und Mimik lenkte vom Hörgenuss ab. Oft trat die Musik auf der Stelle, da Lang Lang sich noch in einem von schätzungsweise zwanzig erduldeten kleinen Toden dieses Satzes befand. Besondere Demut vor der Musik ist seine Sache nicht, aber wer einen Pianisten sucht, der Charakterkopf und technisches Wunderwerk zugleich ist, ist mit der Darstellung von Lang Lang gut aufgehoben. Er ist eine Klasse für sich und darf sich mit Recht am Klassik-Gipfel sonnen - die Chopin-Zugabe wie auch der noch sehr seriös vorgetragene erste Satz des Konzertes zeigten überdies einen Lang Lang, der noch zu viel mehr Tiefe und Intensität fähig ist - ohne Seufzen und Schluchzen, dafür aber nah an den Toren zur Musik selbst. - Fabio Luisis Deutung der "Alpensinfonie" von Richard Strauss dürfte den treuen Zuhörern bekannt sein. Niemals jedoch wird man von der Kapelle zweimal das Gleiche hören, zumal gerade dieses plastische Stück hunderte Facetten und Möglichkeiten der klanglichen Ausformung bietet. Die Aufführung dieser Saison sparte nicht mit dem satt entfalteten besonderen Strauss-Klang der Kapelle. Vor allem wirkte diese Aufführung aber recht entspannt, was man von dem sinfonischen Monsterwerk kaum regulär erwarten dürfte. "Wasserfall" und "Vision" kamen etwas scharf daher, und manchmal vermisste ich doch ein wenig das zauberhafte Staunen im Entstehen der Musik, als würde man die Partitur zum ersten Mal sehen - so war nach der Bergwanderung der Ausklang ein wenig lapidar: wenn's dunkel ist, ist's Nacht. Fine.

Dienstag, 25. August 2009

Gustav 2.0.

Mahler bloggt! (by UE natürlich)

Donnerstag, 20. August 2009

Klasse!

Die Fakebook-Seite einiger bekannter Politiker. Danke, liebe Süddeutsche, mir kommen die Tränen vom Lachen...

Dienstag, 18. August 2009

Konzerttipp

morgen 21 Uhr im Beatpol: Tortoise. Das neue Album Beacons of Ancestorship ist auch gerade heraus (Rezension z.B. bei Intro)

Als kleines Zückerchen hier das Video zu "Prepare Your Coffin":

Und nun: das Wetter.

Als bekennender Gewitter- und Wolkenfreak habe ich heute abend wieder mal bedauert, nicht eine etwas bessere Kamera zu besitzen, aber die Lichteffekte, die zwischen mehreren Gewittern heute in der Stadt auftraten, kann man eh kaum widergeben, hier wenigstens ein winziger EIndruck davon:

Start mit der Böenwalze:




Kubrick oder Spielberg? Nein, es ist echt:




und noch eins für Crewdson-Liebhaber - nachdem alles vorüber war:

Insekten

sind ja manchmal richtig putzig. Dieses Prachtstück wuselte bei mir gestern samt Rüssel und zwei Fühlern auf dem Balkon entlang, keine Ahnung, wie der Kollege heißt...

Montag, 17. August 2009

Händel und Mendelssohn - facettenreiche Häppchen

MDR-Musiksommer gastierte mit Chor und Orchester in der Frauenkirche

"Sommersinfonik" nennt der MDR Musiksommer seine Konzertreihe, mit dem die Klangkörper des MDR derzeit in verschiedenen Orten des Sendegebietes gastieren, so auch am Sonnabend in der fast ausverkauften Dresdner Frauenkirche. Die sommerliche Stimmung legitimiert wohl ein Programm hart an der Grenze zur Unkultur des Häppchenradios. Man goutiert es trotzdem: schließlich huldigt man wieder einmal den Jubilaren Mendelssohn Bartholdy und Händel, und das auch noch auf einem so hohen Niveau, dass man den Gram über die "Best-Of"-Dramaturgie auch schnell beiseite legt. Das genaue Programmstudium offenbarte zudem eine intelligente Auswahl der Stücke. Dirigent Howard Arman präsentierte mit dem MDR-Rundfunkchor und dem MDR-Sinfonieorchester weniger Händel und Mendelssohn zum Mitpfeifen (folgerichtig fehlte auch Händels "Halleluja" im Programm) als vielmehr den Facettenreichtum oratorischer und motettischer Kompositionskunst beider Komponisten, und gerade in der Verwendung theatralisch-musikalischer Mittel gab es hier viele Verwandtschaften zu entdecken. Mit Mendelssohns "Hora Est" stand ein selten aufgeführtes Werk für 16stimmigen Chor am Beginn, das sich im gut dosierten Klangvolumen des MDR-Chores deutlich bis zum Ende hin steigerte - auf die nachschlagende Orgel hätte allerdings verzichtet werden müssen. Plastisch und opulent geriet anschließend der 114. Psalm von Mendelssohn, wobei Orchester und Chor eine intensive Textausdeutung formten. Arman verstand es immer wieder, aus der Ruhe heraus seine Absichten zu vermitteln und transparenten, tragenden Klang zu erzeugen. Das faszinierte auch in den Chören aus Händels "Israel in Egypt", die trotz der Zerstückelung eine Intensität erhielten, als hätte man sich mehrfach in die laufende Handlung eingeblendet, so etwa in der "entspannten Höchstspannung" des "He spake the word" oder in der rezitativischen Kraft des "He sent a thick darkness". Obwohl das MDR-Orchester hier anständig seine Begleitrolle erfüllte, hätte man sich für die barocke Musik ein Ensemble gewünscht, das Armans gestalterische Absichten hätte besser einlösen können. So waren die Schläge in "He smote the first-born" zwar exakt gesetzt, aber man hörte eben "Händel mit großem, modernem Sinfonieorchester", dies musste in der Kirche oft zu abgedämpft, zu konturenlos klingen. Im zweiten Teil gab es die Kürzestfassung (Ouvertüre-Choral-Schlusschor) von Mendelssohns Oratorium "Paulus" zu hören, wobei sich Arman hier für recht legere, gefällige Tempi entschied und die Enden etwas eckig gerieten. Da zudem die Schlussfuge "Lobe den Herrn, meine Seele" nicht ganz homogen ausfiel, war diese Häppchenkost der schwächste Programmteil. Versöhnt wurde man mit der innigen Hymne "Hör mein Bitten"; Antje Moldenhauer-Schrell (Sopran) gestaltete hier aus dem Chor heraus souverän und warm timbriert die Solopartie, wie auch andere Sänger kleinere Passagen in den Händel-Chören übernahmen. Mit Chören und Orchesterstücken aus Händels "Saul", "Solomon" (in wunderbarer piano-Grundhaltung) und "Judas Maccabaeus" ging es weiter, bevor der kunstvolle Chorus "Worthy is the Lamb" aus dem Messias den Abschluss bildete. Über 10 Jahre leitet Howard Arman nun erfolgreich den MDR-Rundfunkchor - er besitzt ein Ensemble, das durch seine hohe Flexibilität imstande ist, stets den Kern der Musik zu treffen - auch wenn die Komposition nach drei Minuten schon wieder vorüber ist. Das Konzert war also ein Genuss für Kenner und Liebhaber und vielleicht auch ein Anreiz für die Zuhörer, die vorgestellten Werke einmal in Gänze kennenzulernen.

Spannende Erstaufführung

"Mailänder Vesperpsalmen" von Johann Christian Bach erklangen in der Frauenkirche (Rezension vom 9.8.09)

Dass man mitten im Sommer in der Dresdner Frauenkirche einer deutschen Erstaufführung eines klassischen Werkes beiwohnen kann, ist schon ungewöhnlich. Dass das dargebotene Stück gut 250 Jahre alt ist, bedarf ebenfalls einer Erklärung. Die erste Antwort ist simpel und erfreulich: die Frauenkirche "spielt durch", denn die sonnabendlich stattfindenden Konzerte im Kirchraum kennen keine Sommerpause. So kann man einige spannende Gastspiele erleben, am 15. August gastieren etwa die MDR-Klangkörper mit einem Händel-Programm anlässlich des MDR-Musiksommers. Am vergangenen Sonnabend war der Süddeutsche Kammerchor zu Gast. Gemeinsam mit dem ECHO-ausgezeichneten "Concerto Köln" wurden die "Mailänder Vesperpsalmen" von Johann Christian Bach zur Deutschen Erstaufführung gebracht. Man möchte meinen, dass die Musik unserer Vorfahren nunmehr erschlossen und aufführbar sei, doch solche Aufführungen lehren uns, dass in vielen Bibliotheken und Sammlungen der Welt noch musikalische Schätze lagern. Die Vesperpsalmen gelangten (wie auch zahlreiche andere Beispiele norditalienischer Musik dieser Zeit) in einer Abschrift über eine Schule in Bellinzona in die Klosterbibliothek Einsiedeln in der Schweiz. Vier erhaltene Psalmen wurden eigens für die Aufführungsreihe des Süddeutschen Kammerchors ediert und diese bildet nun einen wichtigen Baustein in der Rezeption dieses Komponisten.
Im November werden die Psalmen in der Heimat des Chores, bei den Fränkischen Musiktagen in und um Alzenau, erklingen und sollen dann auch auf CD aufgenommen werden. Somit war die Erstaufführung ein Geschenk für die Dresdner, und was 1760 im Mailänder Dom als Bestandteil der Kirchenvesper erklang, erlebte nun in der Frauenkirche seine konzertante Wiedergeburt. Dabei war interessant festzustellen, dass sich der jüngste Bach-Sohn, der aufgrund seiner Wirkungsstätten auch "Mailänder" oder "Londoner" Bach genannt wird, wohl kaum um die Akustik "seines" Domes scherte, die um einiges schwieriger als die Dresdner Akustik sein dürfte. Bach huldigte vor allem dem Geschmack der Zeit und integrierte den recht weltlichen Opernstil des Belcanto-Landes auf selbstverständliche Weise in seine Psalmen. Für den Zuhörer heute manifestiert sich dies in hochvirtuosen Partien der vier Gesangssolisten. Das Orchester hat kaum tragende Aufgaben, aber jede Menge Ornamentik, der Chor spielt bei Bach allenfalls die Rolle des Bedeutungsverstärkers und rundet die Psalmen nur selten mit einem kurzen Fugato ab. Zwischen dem stark antiphonalen "Domine ad adjuvandum" und dem fast mozartesken "Beatus Vir" bestehen spürbare Entwicklungsschritte des Komponisten. Die vitale und kundige Interpretation der Musiker hob die Besonderheiten der Stücke denn auch gut hervor. Tadellos war die Leistung des Orchesters, lediglich das Continuo hätte gern als stärkeres Fundament auftreten dürfen. Bläser und Streicher boten ein geschlossenes Klangbild, störend wirkte ein oftmals nicht "geatmete" Einsatz der Orgel in den Kadenzen der Sänger. Das Quartett hatte eine sängerische Höchstleistung zu absolvieren: Joanne Lunn (Sopran) gestaltete zwar etwas geradlinig, wusste aber mit ihrem warmen Timbre zu begeistern, Thomas E. Bauer (Bass) wirkte solide, der Tenor Georg Poplutz gestaltete seine Partie so leidenschaftlich aus, dass man sich in seinen Arien besonders aufgehoben fühlte. Elena Biscuola (Alt) konnte sich noch nicht vom Notentext lösen und daher ihre an sich wohltönende Stimme nicht zu einer überzeugenden Interpretation führen. Der mit 18 Stimmen klein besetzte Süddeutsche Kammerchor überzeugte in den knappen Chorsätzen mit homogener Klangentfaltung, hätte aber durchaus extremer artikulieren dürfen. Dirigent Gerhard Jenemann fand stets vitale Tempi für die Psalmen; das finale Fugato des "Confitebor" war aber eine von vielen Nummern, die mehr Ruhe zugunsten einer deutlicher konturierten Aussage vertragen würden. Die immer ähnlich schnell angelegten festlichen Sätze erhalten ihre Kraft vor allem durch ein flexibles Dirigat, das konnte Jenemann nicht immer einlösen. Auch auf der dynamischen Ebene wäre eine größere Palette in der Kirche möglich gewesen, die den Zugang zu den an sich sehr spannenden Stücken noch erleichtert hätte.

Pilgerreise durch die Musikgeschichte

"Canticum Novum" präsentiert Jakobus-Gesänge in der Dreikönigskirche (Rezension vom 24.7.09)

Ein wenig schade war es schon, dass sich zum sommerlichen Konzert des Dresdner Vokalensembles "Canticum Novum" in der Dreikönigskirche kaum zwei Dutzend Zuhörer einfanden - diese jedoch lauschten andächtig dem hochinteressanten Programm des Gesangsquartettes, das bereits seit sechs Jahren besteht. Vier Studenten der Musikhochschule bzw. Kirchenmusikhochschule Dresden verbinden in dem Ensemble ihre Liebe zum a-cappella-Gesang und verfolgen einen hohen Anspruch. Dramaturgisch war an dem Programm ihrer Sommerkonzertreise "St. Jacobus" jedenfalls nichts auszusetzen. Betrachtet man die verschiedenen Verzweigungen der Jakobswege in Europa, so ist es gar nicht verwunderlich, dass in diesem Konzert Musik auftauchte, die in so unterschiedlichen Gegenden wie Mühlhausen, Mantua oder Frankfurt/Oder entstanden war. Anhand der Beschäftigung mit der Person des Apostels Jacobus ließ sich auch eine Wanderung durch die Musikgeschichte plastisch vollziehen. So ging
es einige Male mal merklich, mal sanft über historische Grenzen, sei es vom späten Mittelalter in die Renaissance (Heinrich Fincks "In Gottes Namen fahren wir") oder von der Renaissance in den frühen Barock (Joachim a Burck "Fischer und Zöllner sinds gewesen"). In jedem Fall war die Mischung der Vokalwerke aufsehenerregend, denn mal konnte man sich auf die "wandernden" Texte konzentrieren, mal die Errungenschaften der jeweils neuen Stile bestaunen - und sei es nur die Hinwendung vom Psalmodieren zur Mehrstimmigkeit oder von der Mehrchörigkeit zurück zum homophonen Rezitativ. Dass diese musikalischen Kostbarkeiten zu Tage traten, ist dem kundigen Ensemble zu verdanken. Nur zu Beginn gestaltete das Quartett etwas verhaltener, vermutlich noch geschockt vom leeren Kirchenrund, was auch akustische Konsequenzen hatte: kaum eine Dresdner Kirche dürfte für ein Vokalquartett so unbarmherzig "antworten" wie Dreikönig. "Canticum Novum", bestehend aus Katharina Hesse (Sopran), Steve Wächter (Altus), Jörg Petzold (Tenor), Uwe Großer (Bass) schlug sich da achtbar und mutig durch die musikalischen Welten, zumal die ausgesuchten Werke zumeist sehr unbekannter Meister keinesfalls zum Repertoire vergleichbarer Ensembles gehören. Der Gesamtklang wurde zumeist immer runder, je mehr ein Stück große Linien und Polyphonie anbot. So gefielen die vor allem die spanischen Werke von Tomás Luis de Victoria und Christóbal de Morales. Ebenso überzeugte Schützens "Ist Gott für uns", das auch in den Affekten sehr natürlich klang. Sicherlich gab es hie und da im Tenor und im Sopran einige Unsicherheiten, und insgesamt wäre bei den alten Meistern noch mehr Deutlichkeit und Kontrastreichtum möglich gewesen. Doch lobenswert war nicht nur die Homogenität des Ensembles, sondern auch der Einsatz für das Neue: Jens Klimeks umfangreiche Motette "Die Jacobus-Gesänge" war eine farbige, vielschichtig deutbare Komposition. Der in Magdeburg wirkende, 1984 geborene Komponist hatte eine sinnfällige Struktur und klare musikalische Signale für seine Hymnus-Umsetzung gewählt, das überzeugte in der Summe und die Geschichte des Jacobus vermochte auch in dieser modernen Deutung emotional zu berühren. Sebastian Schilling trug zudem noch zwei Beispiele reich ornamentierter, nahezu improvisiert wirkender Musik spanischer Meister auf der Orgel vor - so gelang ein durchaus intimer, jederzeit spannender Konzertabend.

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