Dvořák-Requiem erklang zum Dresdner Gedenktag in der Philharmonie
Zum 13. Februar gibt es in Dresden traditionell viele Möglichkeiten des Gedenkens. Im Gottesdienst, in der Stille ist dies möglich und Rituale helfen gegen das Vergessen, lassen die Geschichte noch einmal lebendig werden und uns, die wir zum Teil schon der nächsten oder übernächsten Generation angehören, den Wert erkennen. Dabei kommt der Musik eine unabdingbar wichtige Brückenrolle zu, schafft sie es doch, Unaussprechliches über Zeiten und Befindlichkeiten hinweg zu transportieren. So wissen wir heute auch das "Requiem" von Antonín Dvořák als für den Konzertsaal entstandenes oratorisches Werk der Spätromantik einzuordnen. Eine innere Lebendigkeit erhält es aber erst durch eine ansprechende Aufführung zu einem passenden Anlass. Dieser war am Sonnabend gegeben; die Dresdner Philharmonie wählte das konzertfüllende Werk zum Gedenktags-Konzert aus. Der tschechische Gastdirigent Jiří Kout war nicht nur Garant für eine authentisch zu nennende Interpretation der Musik seines Landsmannes, Kouts biographische Stationen zwischen Tschechien, Berlin, Düsseldorf, Leipzig und der Schweiz stehen eben auch für den Brückengedanken der Musik, der keine Grenzen kennt. Eine weitere Beziehung zum 13. Februar erhält das Dvořák-Requiem durch den Uraufführungsort Birmingham, war doch das nahe Coventry 70 Jahre später Widmungsort des "War Requiem" von Benjamin Britten. Die philharmonische Aufführung des Dvořák-Requiems war von einem tiefen Ernst und hohem Anspruch getragen. Da der Anlass der Aufführung eine Beifallsbekundung verbot, sei hier zumindest das uneingeschränkte Lob für die Aufführenden nachgetragen. Vor allem der Philharmonische Chor Brno (Einstudierung Petr Fiala) überzeugte mit einer insgesamt nur famos zu nennenden Leistung. Kleinste Einwürfe des Kyrie oder Luceat Eis erschienen wie Nadelstiche, homophone Sätze waren auf den Punkt musiziert. Der Chor offenbarte eine hohe, differenzierte Klangkultur, die in selbstverständlicher Homogenität nicht nur viele Nuancen aufwies, sondern gleichzeitig die Voraussetzung für kraftvolle Steigerungen war. Diese Chorleistung wurde von Jiří Kout vehement durch ein immer fließendes, federndes Dirigat unterstützt, die Fugen des "Quam Olim Abrahae" erhielten so Präsenz und Leichtigkeit. Der Introitus faszinierte bereits durch eine hervorragend angelegte Welt der leisen Töne, später faszinierte vor allem der niemals versiegende Grundpuls des ganzen Werkes, der natürlich entwickelt schien und von Kout durch die attacca-Übergänge zu einem unmissverständlichen Ganzen gefügt wurde - nicht das Grauen des Todes wurde in den Vordergrund gestellt, sondern die Betrachtung des Lebens in allen Nachdenklichkeiten, aber auch Freuden. Im Ausdruck erschien Dvořáks Werk daher nur selten gewaltig (dann aber mit unpassend dröhnendem Orgelpedal), die lyrischen Facetten überwogen und zeigten sich in vielen schön ausmusizierten kammermusikalischen Formationen des Orchesters. Luba Organosova, Alexandra Petersamer, Michael König und Rudolf Rosen bildeten ein Solistenquartett mit großen, souveränen Stimmen, allerdings war die Tempoaufnahme und Intonation nicht immer glücklich. Stille folgte der Aufführung und die innere, tröstende Nachwirkung dieser Requiem-Musik gelang in besonderer Weise durch diese exzeptionelle Ausführung aler Mitwirkenden.
Vielleicht ist am Vorabend des 13. Februar Denken, Hören und Gedenken auch auf ganz andere Weise möglich. Ein Abend, der sowohl die Stille betrachtet als auch die aus der Ruhe heraus sich verzahnenden Stimmen und Klänge.
- REQUIEM -
Freitag, 12.2.2010, 19.30 Versöhnungskirche (DD-Striesen)
Ensemble Flamboyant singt Werke der Vokalpolyphonie des 12.-16. Jahrhunderts
Anlässlich des 65. Jahrestages der Zerstörung Dresdens und in Erinnerung an die Opfer von Gewaltherrschaft und Krieg singt das Vokalensemble "Flamboyant" (Dresden) geistliche Chormusik der Renaissance. Es erklingen u.a. Totenklagen von Josquin Desprez und Johannes Ockeghem sowie ein Requiem Pierre de la Rues. "Flamboyant" ist ein Doppelquartett junger Männer, die sich auf die Vokalpolyphonie des 13. bis 16. Jhs. spezialisiert haben.
Gewandhausmusiker gastieren bei der Kammermusik der Staatskapelle
Verbreitet ist die Ansicht (und auch die Bauernregeln beschreiben dieses Datum so), dass nach dem Lichtmess-Fest die Tage wieder länger werden, der Blick wendet sich dem aufziehenden Frühling entgegen. Am 2. Februar findet die Weihnachtszeit - wo sie nicht schon ohnehin beendet wurde - in manchen Regionen ihren endgültigen Abschluss. Betrachtet man musikalische Werke der Romantik, so finden sich dort etliche Tag- und Nachtmusiken. Mal schlägt das Pendel zugunsten der Helligkeit aus, oft aber treibt die romantische Sehnsucht in die nächtlichen Farben hinein. Das 4. Kammerkonzert in der Semperoper am Lichtmess-Tag bekam einen tagesaktuellen Subtext durch die Auswahl von Werken von Robert Schumann und Felix Mendelssohn - gerade dort sind die Kontrastwelten besonders ausgeprägt; die musikalische Farbpalette zwischen Nacht und Tag weist unzählige Nuancen auf. Tradition ist es in den Kammermusiken der Sächsischen Staatskapelle, dass ein Konzert von Musikern des Gewandhauses Leipzig gestaltet wird. Diesmal war das "Sächsische Klaviertrio" mit Veronika Starke (Violine), Hartmut Brauer (Cello) und Roland Fuhrmann (Klavier) zu Gast. Zu Beginn stand ein Trio von Joseph Haydn auf dem Programm, das lediglich als gefällige Einleitung diente. Leicht und flüssig musiziert konnte die Musik wohl unterhalten, neue Horizonte wurden da aber nicht eröffnet. Es standen ja auch noch zwei gewichtige Werke auf dem Programm, und man durfte gespannt sein, wie die direkte Gegenüberstellung der Moll-Welten in den Klaviertrios von Mendelssohn und Schumann wirken würde. Doch leider kam es zu diesen Eindrücken nicht, denn die Interpretationen beider Werke ließen zu sehr zu wünschen übrig. Bescheinigen muss man den drei Musikern eine Solidität auf der technischen Ebene. Fuhrmann hat 30 Jahre Ensembleerfahrung, Starke und Brauer sind ebenfalls schon lange dabei und durch die Orchestertätigkeit mit den Partituren insbesondere der Leipziger Hauskomponisten vertraut. Doch ist es mit dem bloßen Hinunterspielen der Noten nicht getan und dieser Eindruck stellte sich leider im Verlauf des Konzertes immer stärker ein. Mendelssohns Emotionswelten im c-Moll-Trio, Opus 66 bewegen sich noch stark innerhalb recht streng gewählter Formen, in typischer Manier drängt das Werk zum Finale mit Tastendonner und Bach-Anklängen. Schade, dass eine atmende Kommunikation der drei Musiker untereinander komplett fehlte und sich eine intensiv wirkende Interpretation nicht einstellte. Das Trio huldigte zumeist einem imaginären, eingeübten Metrum, das die meisten Sätze gleichförmig ablaufen ließ, abgesehen von einigen im Tempo voranstürzenden Stretta-Teilen in schnellen Sätzen, die aber ebenso starr ihren Zielpunkt fixierten. Veronika Starkes Geigenklang behauptete sich kaum einmal neben dem Klavier und reichliches Vibrato und Legatospiel mochte nicht überdecken, dass etliche Steigerungen ins Leere liefen, der Instrumentenklang selbst auf der G-Saite dünn und eng blieb. Dieser Eindruck setzte sich fort: in Robert Schumanns Klaviertrio d-Moll wurde man das Gefühl nicht los, dass in puncto Kraftaufwand und musikalischer Tiefe (wozu auch ein Nachgeben, ein Entdecken von Freiheiten in der Agogik gehört hätte) bei allen drei Musikern sehr viel mehr möglich gewesen wäre, wofür beispielgebend der attacca-Übergang in den finalen Schumann-Satz steht, dessen plötzlicher Temperamentswechsel kaum zum Zuhörer drang. Eine stets saubere Intonation und Souveränität in flinkesten Passagen waren natürlich zu beobachten, mehr allerdings hätte ich mich gefreut, wenn ich über eine spannende Lesart der präsentierten Werke hätte berichten dürfen.
Es gab viel Gerede in den letzten Monaten, einige Berichte und wenige Fakten. Einer dieser Fakten ist, dass keinem scheidenden GMD ein Abgang über 2,5 Jahre hinweg schmecken dürfte, schon gar nicht, wenn nicht 100% der Mannschaft nicht hinter ihm stehen und der Neuankömmling bereits jetzt schon wie ein Gott gefeiert wird. Ein bißchen viele Vorschusslorbeeren waren da schon für Christian Thielemann aufgehängt, das dürfte auch Luisi missfallen haben. Euphorie hat in Dresden Tradition, aber auch Bernard Haitinks roter Teppich hatte sich nach dem Ausrollen auf der einen Seite bereits von der anderen Seite her arg schnell wieder zugerollt. Fabio Luisi verläßt Dresden, für die Klärung der Umstände dürfte es noch etwas Zeit benötigen. Vermutlich war es keine dauerhaft glückliche Ehe mit der Staatskapelle. Vielleicht sollte man aber auch einmal nachdenken, was heute die Position eines GMD bedeutet. Früher war es z. B. selbstverständlich, dass ein GMD über die ersten zwei, drei Jahre (und oft mehr) erst einmal ein Verhältnis zum Ensemble aufgebaut hat, dann erst begann die eigentliche Arbeit, die Formung des Orchesters, das vertraute Miteinander. Im idealen Fall hat sich dann ein Orchester über einen Zeitraum von 10 Jahren enorm weiterentwickelt, eine Handschrift, eine Klasse wurde erreicht. Fraglich, ob Anspruch und Intensität erhalten bleiben, wenn die Orchesterleiter wechseln wie die Trainer im Fussball. Und natürlich wirft die Akte Luisi-Thielemann auch noch ein besonderes Licht auf die Neue Musik, auf die Frage nach dem seriösen Umgang mit der Gegenwart und dem Sinn, Inhalt und der Fortentwicklung musikalischer Institutionen. Darüber gilt es nachzudenken. Die Maßstäbe sind auch für den Nachfolger Lusis nicht hoch genug anzusiedeln - und sie manifestieren sich nicht nur in einem gloriosen Strauss- oder Beethoven-Dirigat.
Frank Peter Zimmermann im 8. Sinfoniekonzert der Staatskapelle
Auf vertrauten Pfaden wandelte das Programm des 8. Sinfoniekonzertes der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Für GMD Fabio Luisi sprang Christoph Eschenbach am Pult ein und statt Strauss' "Sinfonia Domestica" erklang Antonin Dvoraks 8. Sinfonie G-Dur, das Violinkonzert von Brahms blieb im Programm. Damit waren natürlich musikalische Leckerbissen der Romantik zu erwarten, doch der anspruchsvolle Hörer durfte auch die Frage nach dem Repertoirewert stellen, schließlich kolportieren die Klassik-Radios die Vier-Minuten-Häppchen aus beiden Werken ständig ins heimische Wohnzimmer. Was in der Semperoper gelingt, ist eine Momentaufnahme der Gegenwart: so klingt Brahms, so klingt Dvorak mit der Kapelle heute, und dieses Erlebnis ist wahrlich nichts für die Repertoireschublade, sondern Takt für Takt eine spannende Erfahrung. Schließlich stand mit Frank Peter Zimmermann auch einer der erfolgreichsten und vor allem innovativsten Geiger der jüngeren Generation als Solist auf der Bühne. Christoph Eschenbach wusste eine wunderbare Orchestereinleitung hinzulegen, bevor Zimmermann mit seinen ersten Tönen einen seltenen Gedanken hervorrief: "Das muss genau so klingen." - Wem dieser Satz angesichts eines Hörerlebnisses über die Lippen rutscht, und das ist wahrlich selten genug, der hat Besonderes erlebt. Zimmermanns selbstbewusster Beginn zieht ein ganzes Interpretationskonzept nach sich, das sich bis in die Kadenz und schließlich über die Sätze hinweg fortsetzt. Der 1. Satz war stark auf die Kontrastwirkung der Themen hin angelegt; viele Motivausprägungen haben bei Zimmermann den Charakter des Unbedingten, der unabänderlichen Aussage. Man könnte diese Haltung weit jenseits der Romantik ansiedeln, wäre da nicht der jederzeit voluminöse, rassige Klang seines Instrumentes. "Non troppo", das zurückgehaltene Tempo wird auch von Eschenbach ernstgenommen - es gibt Lesarten dieses Konzertes, die gefährlicher und dramatischer sind. Zimmermann ist vor allem ein Freund der klaren Worte und des natürlichen, volltönenden Klanges. So redet er, singt und brilliert auf seinem Instrument, lediglich im 1. Satz fallen zu viele Tonverschleifungen auf. Der 2. Satz gelingt Zimmermann äußerst zart, während er im Finale wieder kontrolliert zupackt. Im Orchester war in dieser Aufführung noch ein wenig das Sicherheitsnetz gespannt, so wirkte manches Zwischenspiel nicht mit vollem Risiko angegangen, das legte sich aber im 3. Satz dann mit Erreichen eines gemeinsamen Flusses mit dem Solisten. Antonin Dvoraks 8. Sinfonie wirkt lichter und freundlicher als die oft grüblerische 9. Sinfonie. Beide haben ihren Weg auf den Bühnen der Welt gemacht. Christoph Eschenbach motivierte das Orchester immer wieder zu üppigem, strahlendem Klang und legte so die Schönheiten des Werkes frei. Sehr gut waren die Musiker aufeinander abgestimmt und Eschenbach konnte sich der sofortigen Reaktion auf kleine Tempoveränderungen sicher sein. Die Interpretation war schlüssig aufgebaut - mit viel Sinn für kleine Details und Nebenstimmen schien diese Sinfonie ernstgenommen und man bestaunte ein zutiefst aus einer vollkommen melodischen, musikantischen Haltung heraus entstandenes Meisterwerk in einer überzeugenden Darstellung.
Herbert Schuch und Michael Sanderling gastieren bei der Dresdner Philharmonie
Er gilt (noch) als ein Geheimtipp unter den Pianisten. Und seine bisherigen Konzerte und Aufnahmen belegen eindrucksvoll, dass hier nicht ein junges Talent über den Klassikmarkt fegt, bis das Pulver verschossen ist, sondern hier reifen besondere Interpretationen. Herbert Schuch, bei Karl-Heinz Kämmerling und Alfred Brendel ausgebildet gastierte zum ersten Mal in Dresden und zeigte im 4. Philharmonischen Konzert eindrucksvoll, dass Beethovens 5. Klavierkonzert weder das Egomanen-Schmankerl für vergessene Solisten ist noch ein verstaubtes Repertoirestück, dem nichts mehr hinzuzufügen wäre.
Schuch benennt einiges, was dieses Wunderwerk Beethovenscher Komponierkunst auszeichnet: im 1. Satz ist es vor allem die gelassene Geläufigkeit, das beinahe nebensächliche Mitspielen in einem großformatig-sinfonischen Orchestersatz. Im Mittelsatz lehrt uns Schuch durch seinen hervorragenden Anschlag, welche Nichtigkeiten Beethoven zu einem Thema oder einer ostinaten Wendung erhebt und wie dies alles zu einem Netz versponnen wird. Und am Ende brilliert Schuch auch noch mit frischen, unprätentiösen Virtuosentugenden, denn was da im 3. Satz so perlt, sind frech im Tempo angezogene Läufe.
Dieser durchdachten Interpretation setzte Schuch noch mit einer einfühlsam musizierten Bagatelle aus Opus 126 das Sahnehäubchen auf: Beethoven, zeitlos schön. Gastdirigent Michael Sanderling wurde zum wiederholten Mal nach Dresden eingeladen und begleitete das Beethoven-Konzert mit den Philharmonikern aufmerksam und mit ebenso frischem Orchestersatz, lediglich in den Holzbläsern war ein Balance und Homogenität eher von schwankender Qualität, dagegen hatten die beiden Hornisten wohl einen "Heute-gelingt-mir-alles"-Tag und glänzten mit sattem Wohlklang.
Nach der Pause wurde zunächst ein philharmonischer Violinist in den Ruhestand verabschiedet. Dass aus den Tutti-Reihen oft die engagiertesten und spannendsten Impulse emporsteigen, dürfte Volker Karp in den vergangenen 36 Jahren (!) bei der Dresdner Philharmonie hinlänglich bewiesen haben. Er führte den Orchestervorstand durch schwierige Wendezeiten, pflegte die philharmonische Kammermusik und initiierte Ausstellungen zu den Geigern David Oistrach und Szymon Goldberg - letzterer war vier Jahre Konzertmeister der Philharmonie. Mit großem Applaus wurde Karp verabschiedet und dankte seinen Kollegen und dem Publikum.
Ein eindrucksvolles und geschichtsträchtiges Dokument der Sinfonik des 20. Jahrhunderts stand dann auf dem Programm: Dmitri Schostakowitschs 10. Sinfonie e-Moll. Über die Sinfonie, ihren Ausdrucksgehalt und ihre besondere Stellung (im Jahr von Stalins Tod komponiert) wurde viel geschrieben. Als Dirigent steht man vor der schwierigen Aufgabe, diese Grenzen erschütternden und überschreitenden Ausdruckswelten zu bewältigen. Michael Sanderling gibt selbst an, viel durch seinen Vater gelernt zu haben, der ein großer Kenner der Musik von Schostakowitsch ist.
Seine eigene Sichtweise stellte er nun im Konzert bei der Philharmonie vor und diese war kontrastreich und intensiv. Sanderling verhehlt nicht sein Temperament, dementsprechend hart und vorwärtsgetrieben ging es insbesondere in den Tutti-Flächen zu, was im 2. Satz zu einer brutalen Klangmasse führte, die aber dem Stück angemessen erscheint. Dennoch: im allgemeinen Wirbel und Sturm fehlte (besonders im Finale) dann punktuell die Präzision, die letztlich den "Stachel" des Werkes ausmacht. Den Eingangssatz legte Michael Sanderling sehr überzeugend als eine große musikalische Gedankenarbeit an, die immer mehr Farben und Facetten entfaltet. Nur der abschließende Höhepunkt hatte zuviel Verve mitbekommen und hätte im Festhalten des Tempos kräftiger gewirkt. Im 3. Satz waren ebenfalls einige Temposchwankungen zu beobachten, auch der Hornruf war nicht aus einer anderen Welt, sondern eher beiläufig ins Spiel gebracht. Die recht schnell musizierte Walzerepisode bekam fast einen orientalischen Touch.
Von solchen Besonderheiten abgesehen überzeugten die Philharmoniker unter Sanderling vor allem in den ruhigen Passagen mit empfundenen Soli (Flöten / Fagotte), die der Dirigent ohne Hast ausmusizieren ließ. Diesen Inseln wohnte Melancholie inne und wer die Musik kennt, weiß dass der Komponist am Ende auf seinen Initialen trommelt - der Akt des Freischreibens findet im Finale seinen Höhepunkt. Die spannungsgeladene Aufführung wurde mit großem Beifall bedacht.
Noch bis 31.3.2010: "Szymon Goldberg" Sammlung Volker Karp. Ausstellung im Carl-Maria-von-Weber-Museum Dresden-Hosterwitz.
22.42 Auch Kurt Biedenkopf bekommt ein Feuerwerk am Elbufer. Eine Freiberger Firma hat wieder die Elbwiesen abgesperrt und freut sich über den Auftrag, einer von den vielen, die mehrfach in der Woche von der Stadt Dresden, den Parteien angefragt werden. Genehmigung? Ach, Formsache. Stört doch niemanden. Allerdings wird Dresden einmal in die Geschichtsbücher eingehen als Stadt, aus der die Vögel geflüchtet sind und die Hunde nur noch traumatisiert durch die Gegend laufen. Übertrieben? Nein, stellen Sie sich einmal zur Feuerwerks-Rush-Hour (Samstagabend im Sommer mindestens 3fach im Dresdner Stadtgebiet) in den Großen Garten oder in Parknähe und beobachten Sie, was in den Bäumen los ist. Eigentlich hätten die fleißigen Genehmiger dieser Feuerwerke eine freundliche Tierschutz-Belehrung verdient. Stattdessen wird man in der Neustadt gleich vom Ordnungsamt abgemahnt, wenn man seinem Hund nicht an der Leine ins Gebüsch folgt. Feuerwerke zu "besonderen Anlässen" sind ja ab und an ok, aber müssen es denn nun schon ständig runde Geburtstage irgendwelcher Stadtgrößen sein? Irgendwie wird einem auch mulmig, wenn man vor Biedenkopf ständig den Diener macht wegen seiner Charity und Schlichtungsaktionen, aber dann die CDU für ihn das Geld verpulvert. Liebe CDU, wäre da nicht eine karitative Spende angemessener gewesen? Das hätte ihn sicher mehr gefreut als das bunte Zeugs am Himmel, von dem Dresden ohnehin verseucht ist.
Mit Same Same but different ist Buck was ganz Besonderes gelungen. Ich spreche einfach mal die Empfehlung aus. Und wieder mal eine wunderbarer Beweis wie sinnlos Schubladendenken sein kann. Denn die Schublade "ach, ein Buck-Film" löst sich schon in den ersten Szenen in Wohlgefallen auf. Ja, ein Buck-Film, aber Männerpension ist erstens schon 14 Jahre alt und zweitens kann Buck auch ganz anders (17 Jahre her, man glaubt es kaum). Buck kann Roadmovie, Kinderfilm und deutsche Komödie und als Darsteller kennt man ihn ebenfalls. Jetzt ist ihm ein einfühlsames Drama gelungen, das die extremen Randseiten von Realität (da wären wir wohl bei Haneke gelandet) und Fiktion (hallo Hollywood) ausblendet. Dass eine Neon-Reportage bzw. das daraus entstandene Buch den Ursprung dieses Films bildet, zeigt, wie zeitnah und intensiv Buck sich dem Stoff genähert hat. Und doch kennen wir das alles: die Backpacker-Euphorie, die vielfältigen Kulturschocks, der Schlag, der entsteht, wenn diese fremde Welt plötzlich erbarmungslos in die eigene knallt. "Helfersyndrom, hm..?" weiß der gute Freund in Hamburg zu analysieren. Nein, rufen wir, Liebe. Und 2010 hat seinen ersten schönen Film.
Ich bin an einem Chorkonzert beteiligt, erscheine zu spät, der Chor singt bereits. Scheint aber nicht weiter schlimm zu sein, denn mehrere Choristen, die ebenfalls zu spät waren, ziehen sich gerade mitten im Publikum um und schlurfen dann zur Bühne. Gegeben wird ein Stück von Hindemith, nur die wenigsten haben Noten, allerdings kennt auch keiner den Text richtig, so dass ich mich in einen Nuschel-Chor einreihe. Es scheint den anderen aber nichts auszumachen, es wird sogar gewitzelt. Zur Seite schauend sehe ich eine Solistin, die auf einer über dem Abgrund schwankenden Holzplanken-Hängebrücke liegend ihren Part singt. Noch vor der Pause verlasse ich den Chor und die Bühne und verstecke mich in einer Sakristei, werde aber vom Pfarrer gefunden und nach draußen gewiesen. Mittlerweile ist Pause, die Leute laufen herum, darunter auch ein Chorist mit einem furchtbaren Sonnenbrand, er hält sich etwas Kühlendes an die Wange. Ich gehe. Beim Verlassen des Geländes gebe ich zwei sonnenbebrillten Rowdys, die in einem tiefergelegten Auto dort warten, den Hinweis, dass sie dort besser nicht langfahren sollten, da wäre ein Konzert. Zu Hause angekommen kommt ein Mitbewohner (...aus meiner Grundschule, übrigens...) und kocht sich Nudeln. Angeregtes Gespräch, da ich ihn seit Weihnachten nicht gesehen habe. Ich stelle mich ans Fenster und warte auf M. Ein Schlüssel dreht sich im Haustürschloss, ich erkenne M. daran.
Ein Lieblingsort zum Verweilen, Luftholen, kurzmalwasbesprechen war das. Kaffee und Kuchen gut. Und zentral. Aber was sich dort derzeit tut, gibt mir Rätsel auf: Innen wird umgebaut, alle Schilder sind ab und es pappt ein Schild am Lokal: "Hier entsteht eine 4-Floor-Disko" mit Bar unterm Dach. Der Blick nach oben zeigt, dass da einige Bewohner noch dran glauben müßten. Verfrühter Aprilscherz? Ich hoffe, diese zentrale, eben "kontinentale" Ecke der Neustadt wird nicht verschandelt...
Ich habe ein Orchesterwerk geschrieben, in welchem 9 Klarinetten* besetzt sind. Da das aufführende Orchester dies nicht stemmen kann, telefoniere ich halb Sachsen rund, um die Aushilfen ranzukriegen. Auf meinem Zettel stehen aber nur zwei Namen und ich beginne zu verzweifeln.
[*NB: ein solches Orchesterwerk gibt es übrigens wirklich, allerdings nicht von mir...]
Hau kän ßombody laik ßis get a tjoob at the Ii-juuh? Günter Oettinger versucht sein Glück Und dabei liest er nur ab. Aber die Betonungen sind ganz nah an einer Comedyshow dran. Lieber Günther Oettinger, falls Sie selbst über diesen Beitrag stolpern: 2006 forderten SIe auf einem Parteitag Ausländer auf, die deutsche Sprache zu erlernen. Richtig so. Aber wir hätten da auch eine recht dringende Bitte an Sie...
p.s. die Geschichte ist übrigens auch schon vier Jahre alt, siehe Spiegel-Online-Meldung von heute. Nur das Video, das ist recht aktuell.
Martin Helmchen und Krzysztof Urbanski im Zykluskonzert der Philharmonie
Zwar ist es bedauerlich, wenn ein Dirigent ein Konzert absagen muss, doch wenn noch zeitlicher Spielraum bleibt, kann meist ein adäquater Ersatz gefunden werden. Und nur selten beschränkt sich der Berufene dann darauf, lediglich das Konzert zu retten: mit Einspringe-Einsätzen begannen schon musikalische Weltkarrieren. Im idealen Fall lernt das Publikum auf diese Weise ein neues Talent kennen und die musikalischen Horizonte werden erweitert. So war es auch erfreulicherweise im 4. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie. Für Yakov Kreizberg konnte der junge polnische Dirigent Krzysztof Urbanski gewonnen werden, der auch gleich das sinfonische Programm änderte. Der 28jährige, der als Assistent von Antoni Wit in Warschau arbeitet und nach mehreren Auszeichnungen bereits die großen Orchesters in Europa leitet (letzte Woche erst gastierte er beim NDR Sinfonieorchester), stellte zunächst ein Werk von Wojciech Kilar vor, dessen "Orawa" vor nicht allzulanger Zeit bei der Philharmonie erklang. Der polnische Avantgardekomponist, der vielen vor allem durch seine Filmmusiken für Coppola, Polanski und Campion bekannt sein dürfte, schrieb seine Orchestermusik "Krzesany" - "Bergsteigen" 1974 und fernab von der Melancholie Goreckis oder den zeitgeschichtlich motivierten Werken Pendereckis zelebriert Kilar hier entfesselten und unverhohlen folkloristischen Orchesterklang, der direkt anspricht und so auch Hörer erreicht, die mit komplizierten Texturen neuer Musik eher Schwierigkeiten haben. Dennoch ist Kilars Tonsprache geschärft und ist vor allem in rhyhtmischen Überlagerungen raffiniert. Urbanski zeigte - auswendig musizierend - ein präzises Dirigat und hielt das Tempo zu Beginn gut fest, so entwickelte sich bereits in den anfänglichen Streicherflächen eine große Energie, die sich später in ein rhythmisches Feuerwerk verwandelte und am Ende doch den Irrglauben stärkte, wenn das Blech im vierfachen fortissimo stehend spiele, sei der Kulturpalast noch akustisch tragbar. Für diese überzeugende Darbietung (wenngleich auf die Orgel am Ende verzichtet wurde...) eines der faszinierendsten polnischen Werke der neueren Zeit erhielt Urbanski großen Applaus. Martin Helmchen war dann der Solist in Ludwig van Beethovens 3. Klavierkonzert c-Moll. Das Gemeinschaftswerk der beiden jungen Gastmusiker war eine frische und natürliche Lesart dieses Klavierkonzertes, das als eines der herausragendsten Exempel des Genres und seiner Zeit gilt. Nach einer von Urbanski wunderbar kantabel musizierten Einleitung setzte Helmchen den melodischen Fluß mit Selbstverständlichkeit und jederzeit klarer Motivausformung fort. Anstelle das Konzert mit Bedeutung zu überfrachten, besann sich der Pianist auf kluge Akzentuierung, federnde Rhythmik und eine Leichtigkeit, die Schwung hatte, ohne Grenzen zu überschreiten. So entstand ein subtiles Hineinleuchten in die Musik, das auch im Dialog mit dem Orchester gelang: ein freies Musizieren innerhalb der beethovenschen emotionalen Welten entstand. Diese spürbar unprätentiöse Frische der Interpretation war beim Publikum höchst willkommen und Helmchen setzte auch in der betörenden Mozart-Zugabe diese Leichtigkeit fort. Als sinfonischen Abschluss hatte sich Krzysztof Urbanski für drei sinfonische Dichtungen aus dem Zyklus "Mein Vaterland" von Bedrich Smetana entschieden. Damit war nicht nur die Internationalität der sächsisch-polnisch-böhmischen Grenzregion vollzogen, sondern auch ein bekannt-behaglicher Abschluss dieses Konzertes gefunden. Denn Urbanski versuchte weniger aus den Orchesterpiècen ein Showdown zu gestalten, denn sich mit Sorgfalt den vielen melodischen und harmonischen Entwicklungen zu widmen. Dabei obsiegte einige Male die erwähnte Behaglichkeit, die sich durch recht zurückgenommenes Tempo einstellte, doch konnten etwa die Holzbläser auf diese Weise sehr schön ausmusizieren. Die Soli der Harfen und Klarinette in "Vyšehrad" und "Sarka" sowie die Flöten-Wellen der "Moldau" genoss man ohnehin. Jugendlicher Charme wehte über diesem Zykluskonzert. Die beiden außerordentlichen Talente werden ihren Weg machen, und dies eben nicht mit der wilden Revolution auf dem Podium, sondern mit dem hier demonstrierten, viel mehr überzeugenden Höchstmaß an Kreativität und musikalischer Kompetenz.
Mich DA und DA angemeldet. Wieder "nur" jeweils 10km, aber dennoch Ansporn genug. Vielleicht habe ich im Herbst dann Spaß daran, mal einen längeren zu absolvieren...
1) Vorabend eines Klassentreffens, alle sind in einem chaotisch eingerichteten, riesigen Dachgeschoss versammelt und übernachten dort wie in einem Schlafsaal. Mit A.M. dort, nicht einschlafen könnend, Geräusche wahrnehmend.
2) eine Strawinsky-Aufführung, an der ich als Schauspieler beteiligt bin, diesmal Bühnenbild-Chaos auf der Bühne und im Zuschauerraum, das spärliche Publikum sitzt irgendwo zwischen lauter Haufen von Requisiten. Ich komme auf die Bühne, stehe wie angewurzelt und vergesse meinen Text. Schweigen. Stille. Kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Ich gehe zurück ins Hinterzimmer, ich muss die Aufführung irgendwie retten. Das erste was ich greife, ist ein Autohaus-Prospekt, ich renne damit auf die Bühne und lese: "Zaide sprach: 'Ihr müsst Euch vorsehen, denn was einmal geschehen ist, das ist geschehen." - Musik setzt ein, die Aufführung geht weiter...
Für manche Strecken braucht man momentan die doppelte Zeit, weil man das Fuß-Lauftempo dem Fallrisiko anpassen muss. So kann man den Elberadweg auf der Neustädterseite zwischen Marien- und Albertbrücke (Foto: kurz vor der Augustusbrücke) derzeit allerhöchstens für Eisschnellauf benutzen: er ist vollkommen vereist. Spikes wären angebracht, aber wer hat die schon im Schuhregal? Geräumt wurde dort auf der gesamten Strecke nur notdürftig, als es letzte Woche taute. Der Matschuntergrund ist nunmehr festgefroren - der Weg ist für Radfahrer wie für Fußgänger lebensgefährlich, denn weder wird weiter geräumt noch ist gestreut worden. Lediglich der Hund nahms gelassen hin. Auf Anfrage erklärte mir die Stadt Dresden heute, man würde den Hinweis weitergeben. Wäre schön, denn der Weg wird auch von Studenten, Arbeits- und Schulpendlern täglich stark frequentiert. Und die schöne Innenstadt-Silhouette betrachten, das geht derzeit nur von der trittfesten Wiese aus, oder eben im freien Fall...
Sehr erfreulich ist zu beobachten, dass sich die Sächsische Akademie der Künste mit ihrer illustren Runde von Künstlern und Wissenschaftlern nicht nur dem internen Diskurs hingibt, sondern immer wieder auch Projekte initiiert, die trotz oder gerade wegen eines hohen inhaltlichen Anspruches in die Öffentlichkeit drängen. So fanden im letzten Jahr einige Veranstaltungen zu Ehren des 400. Geburtstages des sächsischen Barockdichters Paul Fleming (1609-1640) statt. Ein Abend mit verschiedenen Uraufführungen auf Texte des Dichters bildete nun den Abschluss. Doch in der Versenkung wird Fleming gewiss nicht verschwinden, viel zu berühmt und faszinierend sind seine Schöpfungen, die nicht nur zeitgenössische Komponisten immer wieder zur Vertonung anregen. Gut besucht war der Konzertabend im Blockhaus mit insgesamt fünf Uraufführungen, die in Auftrag gegeben wurden. Das Ensemble AUDITIVVOKAL Dresden hat sich die Interpretation neuester Vokalkompositionen auf die Fahnen geschrieben und trat hier in der Kleinstbesetzung mit zwei Stimmen an, dennoch war die Kombination mit Instrumenten facettenreich. Leider war die Sopranistin Anna Palimina indisponiert und Carsten Hennigs Uraufführung muss daher bis zur Wiederholung des Konzertes (am 28. Januar im Mendelssohnhaus Leipzig) warten. Sie sang jedoch dennoch eine Bach-Vertonung von Paul Fleming und beteiligte sich an der Aufführung des Werkes von Friedrich Goldmann. Der im vergangenen Sommer verstorbene Komponist schuf eine reizvolle Annäherung an Fleming mittels zweier grundverschiedener Duette. Das berühmte Gedicht "An sich" erklang als hoffnungsvoll-melodische Gabe, während die insistierenden Holzblöcke in den "Gedancken über die Zeit" immer wieder die Wort-Ebene unterliefen, oft sogar bestimmten. Schön, dass man "An sich" in zwei verschiedenen Vertonungen betrachten konnte: Steffen Schleiermachers Sicht auf dieses Gedicht führte zu einem verbissenen Selbstgespräch, das der Bariton Sebastian Mattschoß mit intensivem Nachvollzug zeichnete. Gut und Böse lag hier nah beieinander und eine Peitsche markierte samt wenigen vokalen Ausbrüchen eine eher ausweglose Situation, da mochte Flemings mehrfach zitiertes "dennoch" wenig helfen. Die Kompositionen von Schleiermacher und Goldmann, Eckpunkte des Programmes, wirkten am aussagekräftigsten, während sich andere Komponisten mit den Texten eher schwer taten. Das allein wäre noch kein Kritikpunkt, denn wie Thomas Rosenlöcher in der anschließenden Diskussion richtig bemerkte, wirkt "das Fremde nah", wenn es einen offenen Raum erschließt. Mit der Flucht ins Klavierlied ist dies Günter Neubert und Siegfried Thiele wohl am wenigsten gelungen, denn auf tradiertem, besetzten Boden läßt sich auch mit Fleming keine neue Pflanze züchten. Neubert bekannte sich in den sieben Liedern "Auff die Liebste" zum syllabischen Strophenlied - mehr als eine kaum akzentuierte Lesung in Tönen sprang dabei nicht heraus. Siegfried Thiele legte Flemings "Widerstreit" konsequent dramatisch an. Andreas Hecker (Klavier) blieb in beiden Werken zu sehr im Hintergrund und hätte mehr akzentuieren und gestalten können. In Thieles Stück wie auch in Friedrich Schenkers "Neujahrsode" (mit dem Komponisten an der Posaune) zeigte Sebastian Mattschoß eine kraftvolle und kompetente Interpretation. Während Schenker die Singstimme wie einen Ausrufer behandelte, schien in der Posaunenstimme die gleichzeitige Interpretation versteckt, die sehr viel persönlicher formuliert war.
Die Quintessenz dieses Konzertes war vor allem die gute Erkenntnis, dass es viele verschiedene Wege der Annährung an den Dichter gibt. Manchmal legt die Musik sogar etwas frei, was jenseits der Beschreibbarkeit und der Zeiten liegt. Genau dann wird das Fremde nah und was sich hinter barocker Fassade verbirgt, sind vermutlich viel größere und wichtigere Anliegen.
Dresdner Oberstaatsanwalt räumt den Weg für Nazis frei.
Blödsinn, nicht wahr? Stimmt aber leider: Lesen Sie selbst. Die Polizei hat heute in Dresden und Berlin Büros von Organisatoren einer Gegendemonstration zu einem Neonazi-Aufmarsch in Dresden am 13. Februar durchsucht. - Und die deutsche Gesetzgebung steht auch noch hinter der Aktion. Sensibilität scheint es bei "Staatens" allerdings nicht zu geben. Überhaupt interessiert mich die Frage, ob die Aktionen eines Oberstaatsanwalts durch irgendeine höhere Instanz legitimiert oder in Auftrag gegeben werden. Oder herrscht dort noch Autokratie à la "das Gesetz bin ich" (was auch dessen Auslegung einschließt?) ? Was also ist der wahre Grund, warum den Braunen immer wieder der Weg geebnet wird? "Recht und Ordnung wahren"? - Aus Sicht der Ermittler (Zitat) "...werde durch das Bündnis "Gemeinsam Blockieren" zu Straftaten aufgerufen, weil damit eine bereits genehmigte Demonstration behindert werden solle." - Besser zu Gesicht stünde der Staatsanwaltschaft, sich nach den wahren Brandstiftern respektive Straftätern umzuschauen. Und schließlich wird einem reichlich schlecht, wenn ein Oberstaatsanwalt den GG-Artikel 8 der Versammlungsfreiheit für gewisse Gruppen garantiert, anderen diese aber verweigert. Ganz nebenbei ist das mal wieder ein Fall für die Endlossoap namens "Dresden blamiert sich."
Manchmal hat man das Gefühl, man habe bei Twitter noch ein minderwertiges Produkt als die Bild-Zeitung vor Augen (vor allem, da man von irgendwelchen common-sense Qualitätsstandards nicht reden kann). Eins von hunderten Beispielen der oft zutiefst mißverständlichen "Schreibe" dort:
"Musiker des Cleveland Orchestra bestreiken Konzerte mit Dirigent Welser-Möst"
Armer Herr Welser-Möst, kann wohl nicht dirigieren...? Tja, reingefallen. Denn die hier verkrüppelt publizierte Meldung lautet ganz anders** -
Im Zeitalter medialer Überlastung, zu der das Twitter-Scrolling munter beiträgt, macht sich doch keiner Mühe, das im Querlesen zwischen sekündlich im Dutzend eingehenden 140-Zeilen-LiesMichIchBinSoCOOL-Twittermeldungen da reinzuklicken?
Twitter ist so gesehen ein recht gefährlicher journalistischer Moloch, aus dem sich nur mit einer gehörigen Portion Distanz, und Eigenverantwortlichkeit Positives und Nützliches ziehen läßt.
[Es sei denn man abonniert nur Girlie-Müll à la "ich ess grad n schokoriegel", "Tanjas neuer geht gar nicht" usw. - DAS sind natürlich unmissverständliche Zeugnisse einer neuen Medienkultur...]
** NB: Natürlich gehört da auch klassik.com auf die Finger gehauen, denn DORT steht ja die Titelzeile ebenso. Aber muss man die unreflektiert einfach ins Twitter kopieren? Ts...