Donnerstag, 8. April 2010

Blogger United



Blog-Verzeichnisse gibt es ja schon viele, manche lassen sich auch über Twitter oder Microblogs über die letzten Neuigkeiten informieren. Nun gibt es auch eine stetig wachsende Community namens Blogger United bei facebook. Blogger United dokumentiert sich auch in einem eigenen Blog. Dabei lebt die facebook-Gruppe natürlich von der Aktivität der Beteiligten - neue Artikel in den Blogs sollen dort veröffentlicht werden. Neben der Masse zählt wohl auch die Vielfalt - Blogger United macht keine thematischen Vorgaben oder filtert. Könnte bei wachsender Teilnehmerzahl etwas schwierig werden, das für sich passende herauszusuchen, aber man kann sich auch einfach durch die Blogs, die dort gelistet sind, durchwühlten oder findet per Zufall einen lesenswerten Artikel. Wer also facebook-User sucht, die ein spannendes Blog haben, oder Blogger, die bei facebook unterwegs sind - Blogger United scheint eine gute Möglichkeit der Vernetzung zu sein und natürlich hat man durch die Kommentare gleich sein Feedback. Mitmachen :)

Mittwoch, 7. April 2010

Fest der Musik

Kurt Masur begeisterte im 7. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie

Normalerweise steht dieser Tage das Osterfest im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Doch auch ein Konzert kann zum Fest geraten und in dieser Beziehung hat der Dirigent Kurt Masur Festtagsbraten und Eiersuchen für zwei Stunden im Kulturpalast schlicht vergessen lassen - das 7. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie am Ostersamstag war sein Fest und natürlich das Fest der Musik. Selbstverständlich erschien das Publikum in Scharen - dem 82jährigen Ehrendirigenten der Philharmonie wird die Treue gehalten. Auch das Orchester freute sich sichtlich, mit ihm wieder einmal musizieren zu dürfen und war zu Höchstleistung motiviert. Nur äußerlich mag das Programm des Konzertes als biederes Repertoire erscheinen, denn es war klar, dass Masur diese ihm höchst vertrauten Werke in spannender Interpretation darbieten würde. Dieser Eindruck bestätigte sich sogleich in der Einleitung der Brahmsschen Haydn-Variationen mit dem berühmten Thema, das verbürgtermaßen nicht von Haydn stammt. Masur inszenierte Brahms mit dem Brennglas, aber ohne ihn zu beschädigen: gerade die Durchsichtigkeit des Orchestersatzes, die Verschmelzung der Linien war ihm ein Anliegen. In weichem forte und natürlichem piano kamen die Variationen daher wie Landschaftsbilder in wechselnden Wettern. Selbst in der Finalpassacaglia vermied Masur äußeres Aufbrausen: selbstbewusst und dennoch sanft gesetzt war diese Brahms-Interpretation meisterlich. Robert Schumann darf derzeit in keinem Konzertprogramm fehlen, obgleich gerade sein Klavierkonzert a-Moll ohnehin dauerhaft auf den Spielplänen zu finden ist. Und doch: gerade dieses Stück wirft für Pianisten und Orchester immer wieder Fragen auf, und die verschiedenen Auffassungen, mit denen man sich dem Stück nähern kann, bereichern es. Der kanadische Pianist Louis Lortie drang aber bis zu diesen Sphären nicht vor. Widersprüchlich war sein Spiel, in dem nach flüchtigem Beginn ein ständiges Hin und Her von Überbetonung des Unwichtigen und Hinwegfegen über Eigentliches den Höreindruck bestimmte, so dass sich auch kein Konzept oder Charakter herausschälte. Virtuosität war zwar stets vorhanden, doch weil Lortie den 3. Satz als Etüde missverstand und emotionsleere Kaskaden ablieferte, muss man sich ernsthaft fragen, ob er nicht besser in anderer Literatur aufgehoben ist. Rhythmisch und metrisch war ohnehin schon im 1. Satz viel Porzellan zerschlagen - Masur hatte mit dem Orchester gut zu tun, Lorties unverständliche Binnenverschiebungen im Tempo wieder auf ein Fundament zu heben. Doch nach der Pause winkte ein Glanzlicht: die 4. Sinfonie B-Dur von Ludwig van Beethoven gilt zwar nicht als Jubelstürme hervorrufender Orchesterschlager, aber genau hier war Masurs Meisterschaft zu bewundern. Eben dieses Stück ist eine wahre Etüde im Nachspüren Beethovenscher Genialität. Wie ein Thema sich fortspinnt, verrennt, neu ansetzt, verhaucht oder plötzlich hereinbricht, das konnten die Zuhörer hier als Lehrstunde erleben. Gewohnt minimalistisch und mit sorgsamen Aufforderungen führte Masur das hervorragend musizierende Orchester durch die vier Sätze, deren Charakter unter Masurs Händen wie ein Glas mit klarem Wasser geformt wurde. Vollkommen berechtigt waren die stehenden Ovationen am Ende, mit dem die Dresdner dem großen Künstler, Musiker und Freund für dieses Konzert dankten.

Sonntag, 4. April 2010

Purer Genuss

Violinsonate und Klavierquartett von Robert Schumann im Kapell-Kammerkonzert

Die Schumann-Ehrung 2010 setzt sich in den Konzertsälen fort und die Staatskapelle Dresden gehört mit zu den aufmerksamen Sachwaltern des kompositorischen Werks von Robert Schumann - immerhin verlebte der Komponist in Dresden eine zwar nicht immer glückliche, aber musikalisch sehr fruchtbare Zeit. Jüngst wurden in der Frauenkirche sinfonische Kostbarkeiten vorgestellt, jetzt konnten sich die Zuhörer von Schumanns feinsinniger Kammermusik ein Bild machen. Lediglich zwei Werke standen auf dem Programm des 6. Kammerabends der Staatskapelle in der Semperoper: die Violinsonate Nr. 2 d-Moll und das Klavierquartett Es-Dur Opus 47. Höchst spannend war dabei festzustellen, wie unterschiedlich zwei in Länge und Satzfolge ähnlich dimensionierte Werke erscheinen können und wie viele Wege und Möglichkeiten zum Zugang in der Interpretation bestehen. Als bewährte Kammermusikpartner konnten sich Jörg Faßmann (Violine) und Gunther Anger (Klavier) aufeinander verlassen und zeichneten eine konzentrierte und atmende Interpretation der Violinsonate. Dessen Schönheiten und Tiefgründe müssen freilich erst durch kluge Klangdosierung und Phrasierung erarbeitet werden, es ist kein Werk, dass unbekümmert über die Rampe springt. Insofern war Faßmanns Ansatz, vor allem die lyrisch-melodischen Qualitäten der Sonate herauszuarbeiten sinnvoll. Der von den Selbstbewusstsein heischenden Klavierakkorden durchbrochene erste Satz gelang in guter Formung von Gegensätzen. Der weiche Grundcharakter und die Gleichberechtigung beider Instrumente blieb bewahrt, so rückte der empfundene 3. Satz in den Mittelpunkt des Hörerlebnisses - Reife und Nachdenklichkeit schimmerte aus diese Interpretation, die stets im Dienste des Werks stand. Robert Schumanns Klavierquartett indes ist an vielen Stellen fast sinfonisch empfunden, betrachtet man die etwa harmonischen Verschlingungen des letzten Satzes. Findet man sich bei Familie Hecker in Zwickau zur Hausmusik zusammen, so ist man um Repertoire und Besetzungsgröße nicht verlegen. Sechs der acht Kinder verfolgen musikalisch professionelle Wege und so scharten sich um das Kapellmitglied Renate Hecker (Violine) die Geschwister Friedemann Hecker (Viola), Marie-Elisabeth Hecker (Cello) und Andreas Hecker (Klavier) zu einer höchst erfrischenden Interpretation eben des Klavierquartetts Es-Dur. Sie scheuten nicht den energischen Zugriff, führten ein geisterhaft schnelles Scherzo-Tempo vor. Dabei befriedigte die Interpretation höchste Ansprüche, denn alle Instrumentalisten konnten sowohl solistisch brillieren als auch ihren Part zur gemeinsamen Sache ausüben: man staunte über sanfte Cello-Kantilenen und einen sauber angelegten Klavierpart, der zwischen klarem Statement und kundiger Begleitaufgabe pendelte. Größtes Vergnügen sah man den jungen Musikern beim Spiel an, es übertrug sich auf das Hörerlebnis und ließ die Kammermusik so zum puren Genuss werden.

Frohe Ostern!

Auch wenn es so scheint, dies ist kein neuseeländischer Osterbrauch, scheint aber für hartnäckige Eier gut geeignet:



visit: Auckland Philharmonic

Mittwoch, 31. März 2010

4 Filme...

zu denen ich noch etwas schreiben will, da kürzlich gesehen:
- Up in the Air
- Louise hires a contract killer
- Unsere Ozeane
- Vincent will Meer

Update: das muss warten. Hilft nix.

Faszinierende Leuchtkraft

Edward Elgars "The Dream of Gerontius" im Palmsonntagskonzert der Staatskapelle

In langer Tradition stehen die Palmsonntagskonzerte der Sächsischen Staatskapelle. Der Sonntag vor Ostern leitet die Karwoche ein - das Sinfoniekonzert an diesem Tag ist aus diesem Grund mit einem besonderen Programm bedacht. Dass Edward Elgars Oratorium "The Dream of Gerontius" erst jetzt zu diesem Anlass Eingang in die Kapellkonzerte findet, verwundert schon fast, denn just dieses Werk scheint besonders geeignet, sich mit der Thematik von Leid, Sterben und Erlösung intensiv auseinanderzusetzen. Elgar tat dies vor rund 110 Jahren - auf die Worte des Theologen John Henry Newman komponierte er ein abendfüllendes Oratorium, dessen musikalisch spätromantische Grundhaltung bei der Staatskapelle bestens aufgehoben war. Mit dem Ehrendirigenten Sir Colin Davis am Pult des Orchesters war zudem die Garantie für eine höchst kompetente und eindringliche Interpretation gegeben. Gleich das Vorspiel enthüllte eine melancholisch-ernste Gedankenwelt, die Davis mit dem Orchester wunderbar ausmusizierte. Immer wieder waren es im Oratorium die großen Bögen und Steigerungen, die von faszinierender Leuchtkraft waren und von Davis aus großer Ruhe und immer dem musikalischen Fluß nachgebend, gestaltet wurden. Dabei stellt Elgar vor allem den Chor vor große Aufgaben. Angesichts der puren Textmenge, die dem Publikum zu vermitteln ist, hat Pablo Assante mit dem Staatsopernchor eine große Leistung vollbracht. Weniger die perfekte Deklamation des englischen Textes zählte, denn eine verstehende Klangkultur. Damit lag auch Davis auf der richtigen Spur, denn die vielen Preisungen müssen nicht Wort für Wort zu verstehen sein, doch die Ausdruckshaltung der Erlösung oder die Atmosphäre eines Fegefeuers, das sollte über die Bühnenrampe gehen - diese Aufgabe löste der Chor meisterlich, ebenso in a-cappella-Passagen, Fugen und kleiner besetzten Halbchören, deren intonatorische Gefährlichkeiten nicht zu unterschätzen sind. Hochrangig besetzt war das Solistentrio: die umfangreiche Tenorpartie des Gerontius bewältigte der Amerikaner Paul Groves mit zunehmender Leichtigkeit der Stimme und einer enorm differenzierten Charakterisierung zwischen Rezitativen und frei schwingenden ariosen Passagen. Sarah Connolly (Mezzo) zeichnete einen Engel jenseits menschlicher Leidenschaften: Zartheit und Entschlossenheit gingen hier eine harmonische Verbindung ein. John Relyea (Bass) als Todesengel und Priester besaß zwar ein volltönendes Organ, wusste aber außer einem recht lärmenden Grundton kaum sinnvolle Gestaltung dieses enormen Materials einzusetzen. Am Ende schaffte es Sir Colin Davis, die auskomponierte Unruhe der Seele durch den samtenen Klang der Kapelle in einen ungeheuer trostvollen Abschluss münden zu lassen, dessen finaler D-Dur-Akkord der gereinigten Seele endlichen Frieden bescherte. Die Wirkung dieses großartigen Werkes ist ungebrochen und wurde durch eine hervorragende Aufführung bestätigt.

Montag, 29. März 2010

Irgendwann...

...nehm ich mir nochmal einen Tag Urlaub und korrigiere das Internet. Jawohl. Diese ganzen Fehler können doch nicht für alle Ewigkeit da stehenbleiben.
Heutige Aufreger: aus dem neuen Tatort-Kommissar Mehmet Kurtulus wird bei der Tageszeitung "Der Freitag" Mehmet Kundus. Und shortnews meldet Thielemann ab 2010 Chef in Dresden - da war wohl der Wunsch Vater des Gedanken. shortnews ist nur äußerlich eine seriös wirkende Quelle. In Wirklichkeit steckt dahinter eine offenbar journalistisch völlig im freien Raum schwebende Community, deren User teilweise allergrößten Unsinn verzapfen. So wird auch aus der jüngst in der Frauenkirche aufgeführten Abendmusik von Schumann bei shortnews ein Abendrot und Elgars "Dream of Gerontius" wird als Sinfonie verkauft. Es wird doch langsam Zeit, dass dieses wunderbare Buch in Bezug auf das Internet neu geschrieben wird bzw. seine Fortsetzung erfährt.

Dienstag, 23. März 2010

Geheimnisvoller Schumann

Konzert der Staatskapelle in der Frauenkirche zum 200. Geburtstag des Komponisten

Einen großen Bahnhof bereiteten die Staatskapelle Dresden und die
Frauenkirche dem 2010-Jubilar Robert Schumann. Die Stiftung Frauenkirche ehrt den Komponisten in diesem Jahr mit einer Reihe von Aufführungen; der Konzertabend mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter Leitung von Daniel Harding bildete den Auftakt. Die weltweite Aufmerksamkeit für das explizite Konzert zum 200. Geburtstag des Komponisten wurde durch Radio- und Fernsehmitschnitte gesichert, eine DVD wird ebenfalls produziert. Ob Schumann selbst solch pompösen Hochglanz goutiert hätte, dürfte in Zweifel gezogen werden. Bei aller Scheinwerferillumination und dem rechten ins-Bild-rücken mit Kamerafahrten über den Köpfen blieb es den Ohren überlassen, den Mittelpunkt des Konzertes zu orten. Wer aber glaubte, "seinen" Schumann zu kennen, dem wurde schon in der ersten Hälfte der Horizont gehörig erweitert. Maximal die Ouvertüre zu Schumanns einziger Oper "Genoveva" dürfte bekanntere Dimensionen erreicht haben - die Kapelle zeigte das Werk mit zupackender, frischer Klangkultur. Zwei kurze sinfonische Sätze folgten, davon war die "Abendmusik" B-Dur als Uraufführung angekündigt, was heute insofern wunderlich erscheint, da Leben und Werk von Robert Schumann durch die Musikwissenschaft stets außerordentliche Betreuung erfuhr. Joachim Draheim, dem auch das unüblich umfangreiche und erhellende Programmheft zu verdanken ist, nennt die Orchesterfassung der als Klavierstück vorliegenden Abendmusik denn auch einen Rekonstruktionsversuch. Diese Komposition wie auch das zuvor vorgestellte Scherzo g-Moll atmen ganz den Schumannschen Ton der kleineren Form. Harmonische wie melodische Einfälle runden sich zu einem Ganzen; die Interpretation erschien aufmerksam und intensiv. Eine weitere Entdeckung war das "Nachtlied" nach Hebbel, Opus 108, das ohne Zweifel zu Schumanns stärksten Werken gerechnet werden kann. Der Rundfunkchor des MDR gesellte sich hier zum Orchester und zeigte eine starke Leistung mit guten dynamischen Abstufungen und eindringlicher Textdeklamierung. Für Brahms und Liszt muss das Nachtlied ein Lehrstück gewesen sein, den geheimnisvollen und farbintensiven Schumann kennt man heute leider noch zu wenig. Im ebenfalls selten aufgeführten "Requiem für Mignon" brillierten vier Kruzianer (Ole Kottner, Franz Lindner, Sebastian Dominik Pfeifer und Vincent Hoppe) in einer anspruchsvollen Solopartie; der Bariton Markus Butter hatte da eine vergleichsweise kleine Aufgabe, die er souverän löste. Harding und der Kapelle gelang es mit weiterhin frischem Zugriff in bewundernswerter Weise, den schnell wechselnden Charakteren eine Klangspezifik zuzuordnen, die für den musikalischen Fluß auch in schwieriger Akustik eine sichere Basis bildete. Zum Abschluss des kurzweiligen Programms musizierte das Orchester die 3. Sinfonie Es-Dur, die "Rheinische". Angesichts der schwungvollen und überwiegend lebensbejahenden Musik fiel es den Rheinländern nicht schwer, sich in dem Stück wiederzufinden, das ungebrochene Popularität genießt. Harding bestätigte die kraftvoll-musikantische Haltung, brachte immer wieder motivierenden Schub in die Interpretation ein und konnte sich des Kapell-Glanzes in den famosen Bläsern wie im dichten und höchst transparenten Streichersatz sicher sein.

Dienstag, 16. März 2010

Ohne Popcorn - aber musikalisch hinreißend

Dresdner Philharmonie spielte Charlie Chaplin

Früher gab es in den öffentlichen Fernsehanstalten noch eine Sparte am Vormittag oder am frühen Nachmittag. Dort wurden alte Stummfilmklassiker wiederholt - Buster Keaton und Harold Lloyd gaben sich die Klinke in die Hand und im Vorabendprogramm gab es statt Reality-Soaps die Kalauer der "Väter der Klamotte". Diese Zeiten sind vorbei, doch gottlob haben die Orchester entdeckt, dass die musikalische Stummfilmbegleitung eine ganz eigene Qualität darstellt, die damals wie heute zu Entdeckungen einlädt. So existieren zu großen Murnau-Filmen gleich mehrere Musikrealisierungen; auch zeitgenössische Umsetzungen entbehren nicht eines Reizes.

Ganz anders liegt der Fall bei Charlie Chaplin, der nicht nur als Schauspieler und Regisseur brillierte, sondern dem die Musik seiner eigenen Filme besonders am Herzen lag. So sind wir heute in der Lage, den Film "City Lights" - "Lichter der Großstadt" mit Chaplins eigener Musik zu bewundern - und was ist dies für eine brillante, schillernde Partitur! Zugegeben: manche Melodie wird er nur angerissen oder seinem Sekretär zugepfiffen haben (eine Situation, mit der mancher Komponist von heute gerne tauschen würde...), aber das Ergebnis schafft gemeinsam mit dem Film ein höchst unterhaltsames Erlebnis.

Dass der Dresdner Kulturpalast ausgerechnet im Genre Filmmusik sogar ganz ohne Sanierung doch so etwas wie Atmosphäre verströmt, überrascht nicht. Denn genau an diesem Ort ist Platz für eine riesige Leinwand und ein mit Lämpchen abgedimmtes großes Orchester. Angesichts der steigenden Sitzreihen stellt sich ohnehin Kinofeeling ein. Nur das Popcorn fehlten an diesem Sonntagvormittag - wir zahlen Tribut an die Konzertkonventionen. Die Konvention des Stillsitzens wird aber spätestens nach den ersten Filmminuten durch Chaplin selbst aufgebrochen.

Gemeinsam mit der hervorragend präzise und spielfreudig musizierenden Dresdner Philharmonie gerät diese Komödie zu einem Leckerbissen. Und man merkt: so locker, wie die Musiker auf der Bühne agieren, so entlädt sich auch das Lachen der Dresdner im Parkett - der Chaplinsche Humor ist zeitlos, die filmische Umsetzung der einfachen Geschichte immer noch grandios. Schön, dass man zur Filmmusik auch einen Spezilisten am Dirigentenpult verpflichten konnte.

Der freiberuflich arbeitende Dirigent Helmut Imig ist gern gesehener Gast bei vielen großen Orchestern. Sein Herzblut für diese Musik ist bei der Aufführung direkt spürbar. Dieser Funke sprang auf die Philharmoniker über, und man staunte über die Lässigkeit der rasanten Tanzpassagen, über das romantische Kolorit mancher Liebesszene; oder man bewunderte den typisch melancholischen Ton aus der Riege der Saxophone und Klarinetten. Ganz klar: am Ende ging es nicht ohne Zugabe ab, denn Helmut Imig und das Orchester erhielten einen absolut verdienten, großen Applaus, den der Dirigent postwendend an die Leinwand zu Charlie Chaplin weiterleitete. Ob nun neues Konzerthaus oder nicht: Filmmusik sollte einen festen Platz im Programm der Dresdner Philharmonie erhalten - die musikalische Palette ist unerschöpflich und der Zuspruch des Publikums zeigte, dass hoher Anspruch und "leichte Muse" durchaus zu einem tollen Ergebnis führen kann.

Freitag, 12. März 2010

The Album Leaf

Konzert in Dresden verpasst. Macht nix, bin ja grade in Berlin und der Termin passte perfekt. Eine wunderbare Veranstaltung im Lido Berlin. Indietronic und Postrock werden als Genrebegriffe gern genannt wenn es um die amerikanische Band The Album Leaf geht. Ich wäre eher geneigt, mich über den Bandnamen zu nähern: "Albumblatt" nannten romantische Komponisten kleinere Klavierstücke, die oft ohne explizit genannten Inhalt dafür umsomehr mit romantischem Idiom aufwarteten: Kleinode der Klaviermusik, in sich abgeschlossene Kurzgeschichten sind dies. Genau in dieser Art kann man auch The Album Leaf hören: Man versinkt in den ersten Keyboard-Noten von Jimmy LaValle und taucht acht Minuten später wieder auf. Warme Dusche aus Tönen, mit äußerster Seriösität von den fünf Bandmitgliedern zusammengearbeitet, dazu noch ein Streichquartett und Visuals bei der Tour. Selten ein so bereicherndes, entspannendes Konzert gehört. Nix zum Abhotten natürlich, wer diese Musik hört, braucht eine gewisse Offenheit fürs Flächige, für die Weite und auch für die (variierte) Wiederholung. Und genau die braucht man bei Robert Schumann ebenfalls. Albumblatt eben. Die Tour ist noch in Heidelberg und Hamburg zu erleben.



Website der Band: The Album Leaf
Neues Album: A Chorus of Storytellers

Plastic Planet

Mal zur Abwechslung eine Doku-Kurz-Rezension. Der im Zusammenhang mit diesem Film bereits gelesene Vergleich mit Michael Moore hinkt arg, denn Walter Boote ist nicht nur Österreicher, er hat auch einen erfrischend anderen Themenzugang und filmische Realisation. Plastic Planet ist eine Expedition in die Welt der Kunststoffe, die dem Kinogänger zunächst einmal eindrucksvoll die heutige Plastikwelt, in der wir Leben, recht erschütternd vors Auge führt: da räumen x-beliebige Familien ihr ganzes Plastikinterieur aus dem Haus in den Vorgarten, und die Erkenntnis, dass sich in der Sahara mindestens ebensoviel Plastikmüll wie in den Ozeanen befindet, erschreckt ebenso wie die Kaltschnäuzigkeit der Chinesen, die auf geldstarke Kunden hoffend, den Doku-Regisseur ahnungslos durch eine Kunststofffabrik-Hölle führen. Die bittere Erkenntnis nach dem Film: Vegetarier werden mag noch realisierbar sein, aber gegen die ca. 200jährigen Verwesungsprozesse des Plastikmülls, der auf dem ganzen Erdball verteilt ist, sind wir reichlich machtlos. Und das Beste: keiner weiß, was wirklich drin ist. Und bist die Schädigung eines bestimmten Inhaltsstoffes im Gummikrokodil zu 100% erforscht ist, haben wir alle schon das Zeitliche gesegnet. Unbedingt ansehen, auch die umfangreiche Homepage mit viel Aufklärungsmaterial, auch für Schulen.

PlasticPlanet
(c) Thomas Kirschner

weitere Rezensionen:
* ZEIT
* Interview mit Boote in der Süddeutschen

Dienstag, 9. März 2010

OEDIPUS REX in Berlin

Für alle Freunde von Tanz, Oper, Oratorium in sinnlicher Mixtur hier die Empfehlung fürs Wochenende: Wiederaufnahme von OEDIPUS REX / Igor Strawinsky im Hebbel Theater am Ufer Berlin, Dresdner Kammerchor gemeinsam mit Dorky Park

Alle Termine und Einzelheiten finden sich HIER. Herzliche Einladung!



NB: Hier einige Rezensionen zur Berliner Aufführung:
* TAZ
* Tagesspiegel
* Tanznetz
* Berliner Zeitung

Ohne Sahnehäubchen

6. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie

Eingängig und unterhaltsam, so könnte das Resümee des 6. Zykluskonzertes der Dresdner Philharmonie ausfallen. Für Liebhaber abgründig ernster Orchestermusik oder dramatischer Heldenepen bot das Programm diesmal kein einziges Werk feil, wenngleich man Antonín Dvořáks Versuche, brahmssche Melancholie und Erdenschwere in seine 7. Sinfonie d-Moll einzuverleiben, als ernsthaft begreifen muss - auch ein Sinfoniker am Ende des 19. Jahrhunderts maß sich mit seinen Kollegen und hatte den Erfolg des Publikums im Blick. Darum scherte sich Hector Berlioz herzlich wenig, der sich ohnehin als Genie begriff und zeitlebens die ganze Achterbahn zwischen Missgunst und Sensationserfolg auf und ab fuhr. Zwar sind selbst seine kürzesten Ouvertüren wahre Kleinode der musikalischen Erfindung, doch die althergebrachte Sitte der Programmfolge "Ouvertüre-Konzert-Sinfonie" in Verbindung mit einer recht leidenschaftslosen Interpretation des "Römischen Karneval" von Berlioz läßt Zweifel aufkommen, ob an solchen Einspielriten wirklich festgehalten werden muss. Der amerikanische Gastdirigent Leonard Slatkin zeigte freundlich Verlauf und Akzentuierung des Werkes an, aber bis auf das schöne Englisch-Horn-Solo blieb wenig im Gedächtnis. Das berühmte Sahnehäubchen fehlte auch der Interpretation des Konzertwerkes. Der Dresdner Komponist Rainer Lischka schrieb für das wohl berühmteste klassische Saxophonquartett der Welt, das "Raschèr Saxophone Quartet" ein neues Werk, schlicht "Konzert" benannt. Nach der Uraufführung in Kiel 2007 kam nun das Dresdner Publikum in den Genuss des dreisätzigen Stückes. Wer Lischka kennt, durfte vielleicht ein Feuerwerk erwarten, doch genau mit dieser Intention geriet man in eine Sackgasse. Im langsamen Eingangssatz suchte Lischka stattdessen eine spannende flächige Verschmelzung der Saxophone mit dem Orchester, der mittlere Satz hatte einige rhythmische Höhepunkte, die aber meist schnell wieder entspannten. Freundlichkeit überzog das ganze Konzert und wer sich hier sanft unterhalten lassen wollte, hatte die richtige Veranstaltung gewählt. Ausgereizt hat Lischka die virtuosen Fähigkeiten der Raschèrs sicher nicht, doch wirkte gerade die Subtilität der Farbpalette in Lischkas Konzert als Bereicherung, denn im Bereich des Melos gab es viel zu entdecken. Recht brav begleitete hingegen das Orchester, da wäre mehr Leidenschaft in einem keineswegs schweren Stück wünschenswert gewesen. Auch der Dvořák-Sinfonie nach der Pause fehlte ein Quentchen Tiefgang und Spielfreude. Leonard Slatkin musizierte mit dem Orchester ordentlich und zumeist klangschön, das Finale kennt man aber im Tempo auch in feurigeren Interpretationen. Licht und Dunkel standen sich hier gegenüber: der slawische Duktus wollte sich nicht recht entfalten, die Anklänge an Brahms hatten hingegen zu wenig innere Spannung. Aus dieser Sinfonie hätte sich mit etwas Genauigkeit und Auf-den-Punkt-Spielen viel mehr herausholen lassen können. So blieb bei diesem Konzert ein eher matter Eindruck bestehen.

Montag, 1. März 2010

Ein Sommer in New York - The Visitor

Was für eine Überraschung, dieser Film.
Der Uni-Professor Walter Vale, der das wohl langweiligste aller Leben führt, fährt zu einem Vortrag nach New York und trifft in seiner Stadtwohnung ein Einwandererpärchen an. Nach anfänglicher Reserviertheit taut er langsam auf, läßt die beiden weiter bei sich wohnen und freundet sich sogar mit dem jungen Tarek an, der ihm das Djembe-Spielen beibringt. Als Tarek in der U-Bahn-Station verhaftet wird, kippt der Film von der anfänglichen Weltmusik-Komödie in ein Drama. Schlagartig verändert sich Walters Leben und die Prioritäten verschieben sich. Die seit 20 Jahren immer gleichen Uni-Vorlesungen werden wertlos, als Walter anfängt, für seinen Freund in der Abschiebehaft zu kämpfen. Grandios spielt Richard Jenkins, der dafür zu Recht für den Oscar nominiert wurde. Dem Regisseur Thomas McCarthy ("Station Agent") gelingen famose Milieubilder in New York und ein subtiler Einblick in die Macht eines Staates und die Ohnmacht der Betroffenen, deren Kampf an der Plexiglasscheibe des Abschiebegefängnisses endet: "Bitte treten Sie von der Scheibe zurück.

Rezensionen: Filmstart.de / Hamburger Abendblatt
Trailer: klick

Sonntag, 28. Februar 2010

Abwechslungsreich und anspruchsvoll - Prof. Winfried Apel spielte in der Villa Teresa

Möchten Sie in diesem Jahr einmal einen Klavierabend hören, bei dem keinesfalls der Jubilar Frédéric Chopin auf dem Programm steht? Schwierig, aber nicht unmöglich - einen solchen haben Sie offenbar beim Lesen dieser Zeilen gerade verpasst. Dabei wehte der Hauch des romantischen Klavierkomponisten durchaus durch den Raum des Geschehens - schließlich fanden sich der Interpret Winfried Apel und das Publikum in der Villa Teresa von Eugen d'Albert in Coswig zusammen, um vor allem der Musik des 19. Jahrhunderts zu huldigen.

Viele Besucher schätzen die Atmosphäre der Villa vor allem, weil der bürgerliche Salon hier mehr als gegenwärtig ist. Väterchen Liszt grüßt von der Wand hinter dem Flügel, aber auch auf seine Werke wurde verzichtet. Stattdessen wartete Pianist Winfried Apel am Freitagabend mit einem abwechslungsreichen Programm auf, als Hauptwerk des zweiten Teils erklangen die "Symphonischen Etüden" von Robert Schumann.

Wollte man für den ersten Teil einen einenden Begriff finden, so wäre "Farbe" angebracht. So unterschiedlich die Kompositionen auch sein mochten - Apel hatte keinerlei Mühe, spezifische Farben der Stücke zum Leuchten zu bringen. Während Brahms' Erdungen in den Capricci aus Opus 76 dem Thürmer-Flügel eher schwierig zu entlocken sind, kam die leicht dunkle Färbung der 6. Skrjabin-Sonate sehr entgegen. Immer wieder sank Apel in die anrollenden Wellen dieser Musik hinein und formte aus der Einsätzigkeit einen Gedankenstrom, der vom Komponisten nur an wenigen Stellen zu offen loderndem pianistischem Feuer entfacht wird.

Sorgfältig ausmodelliert gelangen dann vier Stücke aus den "Préludes" von Claude Debussy. Apels Interpretation überzeugte durch gut angelegte Kontrastierung sowohl der rhythmischen als auch der dynamischen Ebenen. In "La puerta del vino" und in "Feux d'artifice" wurden die kleinen Geschichten und Inspirationen, die Debussys Stücken zugrundeliegen, äußerst plastisch erzählt.

Nach der Pause widmete sich Winfried Apel den "Symphonischen Etüden" von Robert Schumann. Hierbei wirkte der erste Konzertteil nach, denn auch hier sind kleine Gemälde und Charakterstücke versteckt, die alle einer eigenen Zeichnung bedürfen. Den raschen Wechsel der Temperamente vollzog Apel in natürlicher Weise und rang dem jungen Schumann sogar einiges an klassischer, fast beethovenesker Strenge ab. Besonders in den kantablen Variationen des Themas erlaubte sich Apel die Überschwänglichkeit des Melodischen, die Leidenschaft, die auch Freiheiten am Klavier ermöglicht. Dieses Atmen in der Musik nahm er mit bis ins hämmernd-optimistische Finale dieser noch kaum zweifelnden Komposition. Für diesen pianistisch sehr anspruchsvollen Abend dankten Winfried Apel die Zuhörer mit großem Applaus, Apel seinerseits bedankte sich meisterlich mit einer sanft perlenden Debussy-Etüde.

Happy Birthday Frédéric Chopin

Daniel Barenboim begeisterte in der Semperoper

Voll waren die Ränge in der Semperoper zu einem besonderen Konzert am Donnerstagabend: Daniel Barenboim gastierte in der Elbestadt und gab einen Klavierabend anläßlich des 200. Geburtstages von Frédéric Chopin.
Den erst kürzlich mit dem Deutschen Kulturpreis ausgezeichneten, vielfach honorierten Musiker und Musikbotschafter Barenboim vorzustellen, hieße einen ganzen Eulenzoo nach Athen tragen. Dennoch sei an dieser Stelle herausgehoben, dass es nicht viele Musiker gibt, die sowohl als Solist als auch als Dirigent gleichermaßen seriös arbeiten und denen in beiden Metiers eine Weltkarriere beschieden ist. Und doch hat man das Gefühl, der Musiker Barenboim findet besondere Ruhe und eine Art musikalisches Heimkehren am Flügel, ist doch das Instrument unter seinen Fingern direkter Träger des Ausdrucks und der Interpretation. Äußerlich nimmt man dies kaum wahr, Barenboim wirkt stets überlegt und über den Werken stehend, nur selten einmal sinkt er auch körperlich tief in eine Phrasierung hinein. Diese Seriösität überwiegt im ganzen Konzert und sie läßt uns auch das Geburtstagskind und seine Musik ernstnehmen, was wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist. Schon zu Beginn des Jubiläumsjahres überschüttet uns die Phonoindustrie mit dem Besten und Schönsten des romantischen Klavierkomponisten - allzuoft ist da Zweifel angebracht, wo Chopin allenfalls im Schatten des Candlelightdinners aus dem Lautsprecher vor sich hinsäuselt. Barenboim tritt der Konsum- und Ohrwurmgefahr, den letztlich der Komponist selbst mit einigen höchst eingängigen Werken heraufbeschwört, mit einem klug durchdachten Programm entgegen. Angesichts des Facettenreichtums des Chopinschen OEuvres vermisste man keine Kontrastwirkung, denn diese war bereits durch die Abfolge gegeben: Bereits dem Variationswerk "à la mode" über eine Melodie aus der Oper "Ludovic" von Hérold und Halévy konnte Barenboim klare Kontur geben. Im folgenden Des-Dur-Nocturne findet der Pianist eine Natürlichkeit, eine Ebene, auf der die Musik wie von selbst dahingleitet. Immer markant ist die Melodiegebung der rechten Hand; in der 3. Sonate h-Moll gelingt ihm ein auf Kissen gebettetes Scherzo und eine jederzeit gefasste, geerdete Themenführung im Largo. Die virtuosen Ecksätze der Sonate haben Ecken und Kanten und Barenboim scheute sich nicht vor manchmal etwas roh wirkendem Kraftausdruck. Nach der Pause sprach Barenboim das ohnehin bei diesem Konzert reichlich interagierende Publikum persönlich an und verbat sich die Hobbyfotografie aus dem Parkett - die Hustenlandschaft diesseits und jenseits der Bühne allerdings bildete ein eigenes Continuum. Das minderte aber auch nicht den guten Eindruck des zweiten Konzertteils, lediglich die 1. Ballade g-Moll wirkte in den dramatischen Teilen nicht voll kontrolliert. Zwei volkstümliche Mazurken umrahmten dann die wunderbar ausgeformte melancholische Mazurka a-Moll. In den folgenden drei Etüden ließ die dynamische Ausgeglichenheit etwas nach, obwohl Barenboim immer wieder zurück zu Besonnenheit und natürlichem Fluß fand. Perlende Läufe und vor allem harmonische Transparenz zeichnen sein Spiel aus. Zwischen den Kontrastpolen vehement virtuosem Vorwärtsganges und inniger Melodiegestaltung pendelte auch das Scherzo, Opus 39 - überzeugend. Dem restlos begeisterten Applaus des Auditoriums folgte die fällige Sahnetorte für Chopin: ganze fünf Zugaben gab Barenboim, der nun mit dem Publikum spielte und auf dieser Torte nun doch die Wunderkerzen des "Best of Chopin" abbrannte. Jedoch war in solch hochrangiger Qualität die Würdigung eines Komponisten gelungen, den man hoffentlich künftig nicht mehr nebenbei hören wird. Dies lehrte uns Barenboim vortrefflich.

Montag, 22. Februar 2010

Frohsinn und Spielfreude

3. Aufführungsabend der Staatskapelle Dresden

"Am Aschermittwoch ist alles vorbei", so lautet das bekannte Karnevalslied. Mit Beginn der Passionszeit dürften auch in die Konzertsäle wieder ernstere Klänge einziehen. An diesem speziellen Übergangstag entschied sich die Staatskapelle Dresden, noch einmal Frohsinn zu verbreiten. Dies allerdings nicht mit Büttenkalauern, sondern statusgerecht mit allerfeinst dargebotenen musikalischen Werken. Trotz der Absage des amtierenden GMD Fabio Luisi war von Katerstimmung keine Spur, denn die Staatskapelle hatte für den 3. Aufführungsabend hervorragenden Ersatz finden können und dies ganz im Sinne dieser Konzertserie, in denen jungen Talenten ein Podium geboten wird - nicht selten starteten Debütanten aus dem Semperbau heraus eine große Karriere. Der aus Andalusien stammende Dirigent Pablo Heras-Casado (geb. 1977) hatte nicht nur das ursprüngliche Konzertprogramm ohne Änderungen übernommen, er dirigierte die beiden sinfonischen Werke des Abends auch auswendig und gelangte dabei zu einem sehr intensiven Kontakt zum Orchester - ein abwechslungsreicher, lebendiger Konzertabend entfaltete sich. Auch die Dramaturgie des Konzertes stimmte: Haydn und Mozart bildeten den Rahmen für die Kammermusik Nr. 3 für Cello und 10 Instrumente von Paul Hindemith. Gerade der Ideenreichtum dieses nicht als solches bezeichneten Cellokonzertes verband sich in idealer Weise mit den Werken der Wiener Klassik. Heras-Casado hatte keinerlei Mühe, den Spielwitz herauszukitzeln, ein rasanter Eingangssatz in der Haydn-Sinfonie rief alle Musiker auf die Stuhlkante. In diesem Kleinod der sinfonischen Literatur war es schon auffällig, dass Heras-Casado keinesfalls auf rohes Galoppieren setzte: jede Kadenzierung war samtweich abgeschlossen, die Dynamik einfühlsam ausgehört. Wer den stets fein ausgestalteten Cello-Ton des Kapell-Solocellisten Isang Enders nicht bereits aus vielen Konzerten und Opernaufführungen herausgehört hat, durfte diesen nun in einem kompletten konzertanten Werk erleben. Enders Entscheidung für Hindemiths "kleines" Cellokonzert dankten ihm die 10 Kapellisten um ihn herum mit vitalem Zugriff etwa in dem wie einen musikalischen Bienenstock auskomponierten 2. Satz. Die durchweg von großer Spannung getragene Interpretation, bei der Enders die klanglichen Möglichkeiten des Instrumentes voll ausreizte, läßt die leise Frage aufkommen, was dieser herausragende Solist noch in einem Orchester macht. Aber vermutlich sind gerade die Entfaltungsmöglichkeiten der Staatskapelle für einen jungen Musiker ohnehin nicht zu überbieten, insofern hoffen wir einfach, dass ein Cellist von diesem Rang uns noch lange erhalten bleibt. Musikalische Überraschungen gab es dann auch nach der Pause: Was Pablo Heras-Casado an Differenzierung und Verve aus Mozarts "Prager Sinfonie" D-Dur herausholte, machte baff. Auch hier überwog das kammermusikalische Miteinander, der langsame Satz zerschmolz sanft, ohne in den Kitsch hinüberzukippen. Im Finale wurde an einem gemeinsamen musikalischen Strang gezogen - überzeugend. Pablo Heras-Casado wurde für sein erstaunliches Debütkonzert mit begeistertem Applaus geehrt - wir freuen uns auf ein Wiederhören mit dem sympathischen Spanier.

Donnerstag, 18. Februar 2010

Ein feste Burg...

Lesetipp: Claus Spahn schreibt über Thielemann und Dresden: KLICK.

Mittwoch, 17. Februar 2010

Dresden-Klotze

Klotzsche haben wir ja schon, vermutlich ist das bald der schönste Stadtteil im unbefleckten Norden. Ich bin dafür, den Rest der Stadt in KLOTZE umzubenennen. Man traut sich ja bald nur noch in geduckter Tarnung in andere Städte - "ja, schuldigung, ich bin aus Dresden." - Die Blamagen aufzählen muss ich eh nicht mehr, denn die Comedy Dresden entfaltet sich mindestens einmal im Monat in den Weltnachrichten, gleich ob Brücke, Kunstzensur, Staatsanwaltswillkür oder GMD-Abgang. -- Ich komme vom Thema ab. Wir wollen doch mal schauen, was es in Dresden mittlerweile für wunderbare architektonische Glanzleistungen gibt und welche noch hinzukommen:


Falsch, das ist nicht der Neumarkt (Quelle: www.webwide-spielen.de). Aber vermutlich habe ich damit das Grundmodell für alle folgenden Beispiele entdeckt, die ich nunmehr auch nur noch verlinke, viel Freude beim Ansehen.

Spektakuläre Integration modernen Wohnens und Einkaufens auf der Kamenzer Str. - jetzt auch ohne Video, dafür mit Fahrradständer.

Unser neues Legoland am Altmarkt (Bald wird auch unser aller Stollen endlich wieder zum Quader zer-eckt)

Erweiterung der Altmarktgalerie auf der Wilsdruffer Str. Kleckern war gestern. Während andere Städte sich mit Milliarden verschulden, erklärt ein mutiges Dorf in Sachsen der Konsumkrise den Krieg: Kauft, ihr Sachsen, bis ihr nicht mehr könnt (was im Fall der Centrum-Galerie offenbar schon eingetreten ist. Wird aber zulasten der Betreiber ausgelegt. Wohl nicht klotzig genug...)

Wie schließt man einen zugepflasterten Innenstadtplatz städtebaulich sinnvoll ab? Richtig: mit einem Klotz - Das Bild zeigt auch sehr schön, wie Sichtfluchten sich künftig in die Moderne orientieren. Ein Schloss wird da schon fast überflüssig.

Auf der Prager Straße herrscht Verwirrung, wohin man auch blickt. Die Städteplaner und Architekten haben es doch glatt hinbekommen, dass man bei den folgenden Fotos nicht mehr weiß, ob man sich im Jahr 1973, 1992 oder 2010 befindet: KLICK1, KLICK2, KLICK3

Gehen wir mal in die Neustadt. Hier der Florana-Klotz auf der Bautzner (mein neuester Schock und Inspiration für diesen Blogthread, danke an Florana.)

Hübsch aneinandergeklotzt auch der "Albertpark" (wieso nennt man eigentlich eine Klotz-Sammlung "Park"?) am DVB-Hochhaus, seit neuesten ein In-Spe-Ex-Studentenwohnheim. Wir sind gespannt.

Wer keinen Bock auf die Innenstadt hat, kann ja auch außerhalb genügend Klötze finden. Totes Einkaufen garantiert die gesichtsloseste aller Einkaufsmalls. Wer beim Durchlaufen dieses Hades-Ganges von der Lommatzscher Str. bis zu IKEA lust auf Konsum bekommen soll, ist mir schleierhaft.

Ach ja, für Dresden kann man auch werben. Natürlich nicht mit der Frauenkirche oder der Semperoper, um Gottes Willen. Modernes Marketing sieht SO aus. Gibts übrigens auf der Seite als Grußkarte.

Dieser Artikel könnte mit einigen Updates eine Neverending Story werden. Allerdings könnte man ihm einen ebensolchen entgegensetzen mit besonders gelungener und spannender Stadtarchitektur. Hinweise willkommen :)

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