Mittwoch, 25. August 2010

Kraftvoller Auftakt - Zeiträume der Musik im 1. SInfoniekonzert der Staatskapelle Dresden

Strahlender Sonnenschein begleitete die Saisoneröffnung der Sächsischen Staatskapelle am Sonntagvormittag in der Semperoper. Der Übergang von der genussvollen Sommerzeit hin zur neuen Konzertsaison gelang fließend. Großen Pomp sparte sich die Staatskapelle diesmal, denn die Saison 2010/2011 ist noch "cheflos", allerdings keineswegs führungslos, denn namhafte Dirigenten bekommen die Chance, das hervorragende Orchester zu leiten, so im 1. Sinfoniekonzert der Este Paavo Järvi.

Die Qualität des Auftaktkonzertes lag in einer den Geist fordenden Dramaturgie, denn mit dem Thema "Zeit-Raum" wurde eine imaginäre Thematik über das Konzert gebreitet, die zum Ursprung der Musik selbst führt. Wer anders setzte sich mit diesem Thema genialer auseinander als Ludwig van Beethoven? Viele seiner Werke wirken wie eine Forschungsarbeit der Zeit-Nahme oder der Überwindung der Zeiten. Tonlängen und Pausen, Plötzlichkeit und Abwarten werden zu fokussierten Objekten der Betrachtung. Damit beschäftigt sich auch der estnische Komponist Erkki-Sven Tüür, dessen Werk "Zeitraum" zu Beginn erklang.

Bei allem Respekt vor der Ernsthaftigkeit der Aufgabe: die Wirkung misslang. Möglicherweise lag es an der Übermacht Beethovens, dass die teils minimalistisch tickenden Skalen und die herausplautzenden Zusammenballungen der Bläser nur ein Gerüst eines Zeitraums artikulierten, aber eben keine Botschaft. Zu unscharf war das kompositorische Material der anvisierten Zeit-Architektur ausgestaltet. Trotz engagierten Spiels der Kapelle unter der akkuraten Leitung Järvis wird man sich einem neuen Umgang mit Musik der Gegenwart zukünftig stellen müssen, das ungeliebte Pflichtstück der ersten Konzertviertelstunde sollte man begraben.

Neben dem Capell-Compositeur (in diesem Jahr Johannes Maria Staud) gibt es nun auch einen Capell-Virtuos bei der Sächsischen Staatskapelle und die Dresdner dürften hocherfreut sein, dass Rudolf Buchbinder mehrere Abende gestalten wird. Der herausragende Beethoven-Interpret zeigte denn auch im 5. Klavierkonzert Es-Dur, dass ein überlegter, frischer Zugang dieses Werk wohl niemals altern lassen wird. Dazu ist zuviel Leben, zuviel Mensch, zuviel Herz ist in diesem Werk und Buchbinder zeigte davon eine ganzes Füllhorn. Wohl darf man ihn im besten Sinne als "Nuntius" der Werke Beethovens betrachten, denn Buchbinders Auseinandersetzung mit von ihm gespielter Musik ist jederzeit komplex und spiegelt sich bereits in der Maxime wieder, dass keine Note dem Zufall überlassen wird. Auch das selbstbewusste Frei-Spielen im dritten Satz wirkt gesteuert, kraftvoll, überzeugend. Dem niemals übertriebenen oder ungestümen ersten Satz folgte Achtsamkeit im Adagio - Buchbinder erzählt die Musik immer noch mit einer fast kindlichen Neugier und der Zuhörer schafft es, das Werk wieder in frischen Farben zu entdecken. Paavo Järvi arbeitete in guter Partnerschaft mit dem Solisten und entlockte dem Orchester einen runden und sehr flexiblen Gesamtklang.

Die Kompetenz und Hingabe, mit der Järvi bei Beethoven zu Werke geht, beschert dem Dirigenten und seiner Kammerphilharmonie Bremen in diesem Jahr übrigens eine ECHO-Klassik-Auszeichnung. Eine sehr überzeugende, in den Tempi durchaus avancierte Interpretation gelang ihm mit der Kapelle mit der 5. Sinfonie c-Moll Opus 67. Das (unzulängliche) Motto namens "Schicksals-Sinfonie" bettete Järvi in ein satzübergreifendes Konzept ein, das schon bei Beethoven angelegt ist. Das Andante bildet daher nur eine Brücke, eine Farbschattierung hin zum offenen, sonnendurchtränkten Feld des Finales, das Järvi mit einem überaus spannenden Übergang aus dem Scherzo erreichte. Die Ecksätze waren wie aus einem Guß gemeißelt und mit klarem Vorwärtsgedanken hingesetzt: so wies das 1. Sinfoniekonzert am Ende in einer meisterlichen Interpretation in die musikalische Zukunft der neuen Konzertsaison. Und es ist eine gut, dass uns Beethovens Musik solche Erkenntnisse heute immer wieder zu geben vermag.

Zum Abschluss eine Sternstunde - Moritzburg Festival 2010 ging zu Ende

Seit zwei Wochen proben und konzertieren herausragende Instrumentalisten aus aller Welt gemeinsam beim 18. Moritzburg Festival - am vergangenen Wochenende ging das Festival mit zwei Konzerten in der evangelischen Kirche Moritzburg zu Ende. In diesem Finale entlud sich die Musik noch einmal regelrecht und in der vollbesetzten Kirche stellte sich am Sonnabend eine tolle Atmosphäre ein.

Henri Demarquette begann mit einer innovativen halbstündigen "musical voyage" - der Cellist teilte sein Programm nicht mit, sondern verband verschiedene Stücke, die ähnliche Formen, gleiche Schluss- und Anfangstöne oder eben einen Kontrast miteinander bildeten, zu einer überraschend geschlossenen Suite. So traf Bernd Alois Zimmermann auf Johann Sebastian Bach und Domenico Gabrielli auf Benjamin Britten. Dankbar war man für die Entdeckung der spannenden Stücke von Eric Tanguy und dem viel zu früh verstorbenen Olivier Greif. Demarquette entwickelte einen klaren erzählerischen Bogen und man lernte die vielen Farben des Cellos auf diese Weise neu kennen.

Im Abendkonzert stand zu Beginn Franz Schuberts Klaviertrio B-Dur auf dem Programm - Viviane Hagner, Jan Vogler und Nicole Hagner trafen genau den Ton der changierenden Leidenschaften dieses umfangreichen, oft grüblerischen Werkes und wussten detailreich zu phrasieren, so bekam das Stück in allen Sätzen natürlichen Fluss und Charakter, der seine Kraft aus den lyrischen Melodielinien schöpfte.

Die Werke des aus Tschechien stammenden amerikanischen Komponisten Karel Husa sind hierzulande weitgehend unbekannt. Charles Neidich (Klarinette), Benjamin Rivinius (Bratsche) und Li-Wei Qin (Cello) engagierten sich stark für die "Evocations of Slovakia", die allerhand virtuose wie schlichte Instrumentalfarben und volkstümlichen Duktus im Bartókschen Sinne bargen. Das kam beim Publikum gut an, wurde aber noch übertroffen von einer wahren Sternstunde der Kammermusik nach der Pause: Robert Schumanns Klavierquintett Es-Dur wurde in absolut hinreißender Weise dargeboten. Für den Klavierpart konnte die französische Pianistin Lise de la Salle gewonnen werden, die in den letzten Jahren als Solistin aber auch als begehrte Kammermusikpartnerin die Bühnen erobert hat. Ihr nuancierter und willensstarker Ausdruck am Klavier sowie Viviane Hagners Führung an der 1. Violine waren die treibenden Motoren einer höchst intensiven Darstellung, bei der einfach alles stimmte. Mira Wang, Kyle Armbrust und Henri Demarquette komplettierten gleichrangig eine wunderbar atmende und vorwärtsdrängende Aufführung, die lange im Gedächtnis bleiben wird. In der Doppelfuge des Finales, im rasanten Scherzo und auch im innigen zweiten Satz staunte man über sprühende Musikalität, von der Schumann sicher begeistert gewesen wäre.

Am Sonntagvormittag erklangen im Abschlusskonzert neben dem stets an dieser Stelle musizierten Oktett von Felix Mendelssohn noch einmal Werke von Daniel Schnyder, dem Composer-in-Residence des Festivals. Die Festivalleitung resümierte nach dem Finalkonzert 6200 Besucher bei insgesamt 21 Veranstaltungen, was einer Auslastung von 99% entspricht. Intendant Jan Vogler zeigte sich mit dem Jahrgang zufrieden: "Ich freue mich, dass das Moritzburg Festival weltweit immer mehr Liebhaber findet. In Moritzburg treffen außergewöhnlich enthusiastische Aufführungen auf ein wunderbares und über 18 Jahre gewachsenes Publikum. Moritzburg hat sich zu einer der schönsten Oasen der Kammermusik entwickelt." - 2011 findet das Festival vom 7. bis 21. August statt.

Montag, 23. August 2010

Unerschöpfliche Ausdruckswelten

Moritzburg Festival mit Werken des 19. Jahrhunderts

Kurz vor dem Endspurt vom Moritzburg Festival befinden sich Musiker und Zuhörer tief in den Gefühlswelten der romantischen Kammermusik - ein rein dem 19. Jahrhundert gewidmeter Konzertabend spannte am Mittwoch einen Bogen vom 1811 entstandenen Streichquintett von Mendelssohn bis hin zur 1. Violinsonate von Camille Saint-Saëns. Dieses 1885 komponierte Werk atmet schon die großen Flächen der kurz danach entstandenen berühmten Orgel-Sinfonie und wirkt auch trotz der Duo-Besetzung durchaus machtvoll-sinfonisch. Im Künstlerporträt vor dem Abendkonzert stellten sich Viviane und Nicole Hagner mit diesem Werk vor - die Schwestern verstehen sich musikalisch gut und ihre Temperamente ergänzen sich dort famos, wo emotionales Spiel Flexibilität verlangt. So gelang eine packende Darstellung, die aber noch etwas mehr Präzision und rhythmische Basis in schnellen Passagen vertragen darf. Drei großen Komponisten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Konzert im Speisesaal gewidmet - Jubilar Robert Schumann machte den Anfang, wobei seine "Märchenerzählungen" einen verhalten-melancholischen Auftakt bildeten. In der schwierigen Akustik des Saales kam es in den vorgestellten Werken ohnehin auf Konturen und Zwischentöne an - dies gelang in Schumanns Werk Charles Neidich (Klarinette), Kyle Armbrust (Viola) und Oliver Triendl (Klavier) vortrefflich, lediglich die Bratsche hätte präsenter sein dürfen. Neidich verstand es, einen fast streicherhaften Ton auf der Klarinette zu erzeugen, der sich optimal einband und viele Nuancen des Klanges bot. Dieses außerordentliche Spektrum bot er auch im folgenden Werk, dem Klarinettenquintett B-Dur von Carl Maria von Weber, seinen Musikerkollegen feil. Wohl ist die Klarinette hier der selbstbewusste Primarius, doch das Quartett aus Kai Vogler, Friederike Starkloff, Kyle Armbrust und Henri Demarquette sorgte eben genau für die Zwischentöne, die etwa den delikaten 2. Satz bestimmten oder Scherzo und Finale vor unbändiger, dennoch kontrollierter Musizierlust strotzen ließen. Es waren (wenige) Passagen der Streicher, die mehr Schärfe vertragen hätten, aber die Interpretation war mit Recht nicht auf Äußerlichkeiten aus, sondern zum wirklichen Hin-Hören gedacht. Keine Phrase verlor sich im Nebenbei, sondern war stets der Melodielinie nachempfunden und ausphrasiert - so erhielt das Werk Ruhe und Kraft. Im Streichquintett A-Dur Opus 18 von Felix Mendelssohn Bartholdy setzte sich (trotz veränderter Besetzung mit Karen Gomyo, Valeriy Sokolov, Benjamin Rivinius, David Aaron Carpenter und Li-Wei Qin) das konzentrierte, hochrangige Spiel fort. Die Dynamik war allerdings zwischen der sehr kraftvoll agierenden Kanadierin Karen Gomyo an der 1. Violine und dem Rest des Ensembles zu oft unausgewogen. Zwar ist die Führungsposition des höchsten Instrumentes bei Mendelssohn unbestritten, doch gerade polyphone Passagen sowie Themenvariationen in den tieferen Instrumenten waren dynamisch zu schwach. Eine Ausnahme bildete das fugierte Scherzo: hier meinte man im famos ausgehaltenen Pianissimo kleine Geister tanzen zu hören. Die unerschöpflichen Bilderwelten und Ausdrucksspektren der Kammermusik brachte dieser Abend jedenfalls vortrefflich zur Entfaltung.

Samstag, 21. August 2010

Schlingensief

...

Ein schlimmer Stich. Ich hatte mir immer vorgenommen ihn zu treffen, mit ihm zu reden, ihm zuzuhören. Vprbei. Eine kleine Hommage ist bereits 1993 in einem Stück verarbeitet. Vielleicht hört er sie irgendwann da oben...

Danke für die stete Unruhe, fürs Lautdenken, fürs Anderssehen, fürs Aufrütteln, fürs Protestieren, für die Farben, für die Kunst, Christoph Schlingensief

Mittwoch, 18. August 2010

Porzellanesk und sinfonisch

Kontrastreiche Kammermusik des Moritzburg Festivals in der Frauenkirche

Dass Moritzburg mitten in Dresden liegt, wissen die Geografen zu widerlegen, aber es gibt es hinreichend historische Bezüge zwischen der Hofstadt und Jagdschloss. Und so ist es nur natürlich, wenn auch die Musik diese Grenzen ignoriert - selbstverständlich präsentiert sich das Moritzburg Festival in der Frauenkirche und führt so die "auf dem Lande" einstudierte Kammermusik wieder in die Metropole. Dass die akustischen Gegebenheiten der Frauenkirche gewöhnungsbedürftig sind, ist bekannt. Das gilt leider auch für (dort natürlich seltener zu hörende) kleinbesetzte Kammermusik, in dem es gilt einen tragfähigen Klang zu erzeugen, der weder im Nirgendwo wegbricht noch im Volumen ertrinkt und verschwimmt. Wer sollte da für ein anspruchsvolles Konzertprogramm besser geeignet sein als die hochrangigen Solisten des Moritzburg Festivals? Trotzdem lag eine schwere Aufgabe vor den Musikern und das war der Charakteristik der ausgewählten Werke geschuldet: Die "Sechs Gesänge", Opus 107 von Robert Schumann sind in ihrer Zartheit nun wirklich keinesfalls für einen Kuppelbau komponiert worden. Auch die vorgestellte Quartettfassung, die Aribert Reimann 1994 schrieb, bewahrt diesen intimen Charakter. Kai Vogler, Friederike Starkloff, David Aaron Carpenter und Nicolas Altstaedt spürten den Linien nach, doch trotz höchster Hingabe geriet die Ausführung zu porzellanesk, so dass man vor allem den harmonischen Verlauf im Kirchenrund kaum mehr wahrnahm. Die Sopranistin Christiane Iven konnte hier nicht überzeugen, mit geringem Ausdrucksspektrum wusste sie mit den unterschiedlichen Textwelten, den starken Emotionen und Gedanken der Gedichte kaum etwas anzufangen. Diese Zurückhaltung gab sie in Dmitri Schostakowitschs Romanzen-Suite nach Alexander Blok, Opus 127 (mit Kai Vogler, Violine, Li-Wei Qin, Viola und Oliver Triendl, Klavier) auf und wagte sich an eine nunmehr viel intensiver gestaltete Melodieführung, die auch dramatische Formung annahm. Dieses Werk - den russischen Originaltext des Lyrikers hätte man sich gern im Programmheft gewünscht - ließ keinen Zuhörer kalt, denn die erst am Ende aus den Soli entwickelte Klaviertriobesetzung wusste mit ausdrucksstarkem Spiel besonders in den Streichersoli und im Finalsatz zu glänzen. Das einkomponierte innere Wutstampfen des Komponisten sollte allerdings nicht durch Tritte und Stöhnen des Pianisten in eine krampfartige Haltung gebracht werden, der der Musik die Intensität sofort wieder nimmt. Überraschenderweise hatte sich die Konzertpause an diesem Abend offenbar ihren freien Tag genommen: sie fiel aus. Die verordnete Bewegungsunterdrückung war sicher nicht in jedermanns Sinne, aber so bekam man die Gelegenheit, den Übergang von der fein gesponnenen vokalen Kammermusik zur fast sinfonischen Sextettbesetzung als direkten Kontrast zu erleben. Der Ausklang mit dem G-Dur-Sextett von Brahms war superb: Karen Gomyo, Friederike Starkloff, Teng Li, Benjamin Rivinius, Jan Vogler und Nicolas Altstaedt spielten mit Höchstkonzentration und wiegten sich bereits im 1. Satz auf schnell gefundenen Schwerpunkten in ausgefeilter Dynamik. Immer wieder wurde das Sextettgebäude freudig neu errichtet und erstrahlte in vielen Lichtbrechungen; das Dur-Leuchten des Eingangssatzes verschwand in der schattigen Durchführung und einem selbstbewussten Adagio folgte ein sorglos auftrumpfendes Finale: Kammermusik auf höchstem Niveau.

Montag, 16. August 2010

Kleine Wunder

Lange Nacht der Kammermusik mit den Akademisten des Moritzburg Festivals

Dreieinhalb Stunden Musik mit zwei Pausen, na was ist das? Nein, falsch gedacht, es ist weder Lohengrin noch Götterdämmerung. Es war die "Lange Nacht der Kammermusik", die beim Moritzburg Festival am Donnerstagabend stattfand und somit fast nahtlos in die schlechterdings bewölkte Nacht der Sternschnuppen überleitete. Für derlei Wunderwerk am Himmel ist allerdings das Festival (noch) nicht zuständig, hingegen staunte man über mannigfaltige musikalische Wunder in den zahlreichen Kammermusikformationen. Der Rahmen: die Moritzburg Festival Akademie, aus 38 jungen Studenten aus aller Welt bestehend. Man hatte in der ersten Woche bereits ein Orchesterprogramm einstudiert und aufgeführt - mit diesem Konzert wurde das Festival auch eröffnet. Nun widmete man sich unter Anleitung der in Moritzburg teilnehmenden, erfahrenen Profis der Kammermusik - auf einem Parforce-Ritt durch die Musikgeschichte durften sich die Zuhörer auf fast zwei Dutzend Stücke freuen und während die Abfolge solcher Bruchstücke im Klassikradio kaum ertragbar ist, war sie hier geeignet, ein Schlaglicht auf den Nachwuchs zu werfen. Fraglos sollte man sich einige der Musiker gut merken - man wird sie auf internationalen Bühnen wiederhören, so hoch ist der Standard der Akademie anzusetzen. Intendant Jan Vogler betonte zu Beginn, dass alle Werke ausnahmslos während dieser einen Woche in Moritzburg einstudiert wurden. Da sich einige Musiker gleich in mehreren Formationen betätigten, dürfte auch der logistische Aufwand ordentlich gewesen sein. Zudem war es spannend zu hören, wie ein Mozart- oder Dvorak-Trio sich von jungen Musikern darstellt, die quasi aufeinander losgelassen werden, mit all ihren Talenten, ihren persönlichen kulturellen und musikalischen Hintergründen. Doch genau dort setzt Moritzburg an: der kammermusikalische Gedanke löst genau an der Nahtstelle zwischen individuellem Genius und dem Sinn für das Miteinander die "kleinen Wunder" aus und so wurde das Publikum auch nach drei Stunden noch nicht müde, den höchst engagierten Instrumentalisten tosenden Applaus zu servieren. Das hatte auch einen weiteren Grund, denn der Freundeskreis des Kammermusikfestivals hatte erstmals einen Akademiepreis ausgelobt und die gestrenge Jury war niemand anders als das Publikum. Manch einer wird sich allerdings nach dem Konzert gedacht haben, es hätten alle 38 Musiker einen Preis verdient, denn auch die vermeintlich leichtesten Werke wurden ansprechend interpretiert. Daher sei hier auch allen für die Musik gedankt und keiner namentlich herausgehoben. Doch machte die packend emotionale Darstellung der "2 Stücke für Streichoktett" Opus 11 von Dmitri Schostakowitsch am Ende beim Publikumspreis das Rennen vor einer preziösen, sehr homogen dargebotenen Serenade des Dänen Emil Hartmann und einem furiosen Piazzolla-Stück. Immer wieder war man erfreut zu beobachten, dass nicht nur inspiriert musiziert wurde, sondern viele der Ensembles einen gemeinsamen Atem fanden, Risiko nicht scheuten und vor allem Freude bei der Sache hatten. Ausreißer befanden sich bei so hoher Qualität nicht im Programm, stattdessen freute man sich über eine Ehrerbietung an Siegfried Kurz (ein Satz aus dem 1. Streichquartett) und viele Entdeckungen zwischen Biber, Rossini und Hindemith, mal signalhaft mit Trompeten von der Empore, mal ernst und melancholisch von der Bühnenrampe und oft auch heiter und ungezwungen - ein rundum gelungener Abend, der die vorangeschrittene Zeit schnell vergessen machte.

Freitag, 13. August 2010

Es bleiben die Bilder...

...und dazu etwas gute Musik (with special thanks to Café Inselbar, Altefähr)











Darß, Hiddensee, Rügen

...und das in drei Tagen. Der Minikurzurlaub hat sich aber dennoch außerordentlich gelohnt. Bericht folgt, wenn ich mich hier wieder akklimatisiert habe (verdammt, wo ist das Meer...???) :/

Sonntag, 8. August 2010

Hochwasser

Es ist ganz schön viel Wasser in der Elbe, aber nicht bedrohlich. Heute berichteten die Medien, dass es "ruhig" war in Dresden, das Terrassenufer ist gesperrt, Flutwände werden vor der Altstadt aufgebaut. Es wird noch ein höherer Pegel erwartet, laut Landeshochwetterzentrum wird dieser bei etwa 5m90 liegen, das ist aber kein Vergleich zu 2002. Allerdings steht noch ein neues Regen-Tief bevor. Ostsachsen hat es leider viel schlimmer getroffen, wenn die Website mal funktioniert, kann man sich beim mdr gut informieren.







Sonntag, 1. August 2010

Spätfolgen des Lausitzer Tagebaus

Freitag, 30. Juli 2010

Seifersdorfer Thal

Da gerade die Kelterei Walther in der aktuellen "Saftpresse" (hier nachzulesen) darüber berichtet, möchte ich mich gern anschließen, viele Medien haben ja bereits darüber berichtet, aber ich glaube es ist weitere Unterstützung nötig: ein Tornado hat zu Pfingsten neben weiteren Gebieten in Nordsachsen auch das Seifersdorfer Tal verwüstet, ein Natur-Kleinod mit großer historischer Bedeutung in der nahen Umgebung von Dresden (hier ein kurzes Video über die Schäden). Die Aufräumarbeiten und die Renaturierung wird Monate und Jahre beanspruchen. Informieren kann man sich z. B. auf der Website des Vereins - Die ehrenamtliche Arbeit kann man unterstützen:
Seifersdorfer Thal e. V.
Ostsächsische Sparkasse Dresden
Konto 300 009 7430
BLZ 850 503 00

Weitere Infos zum Seifersdorfer Tal:
* Seifersdorfer-Tal.de
* Sächsischer Heimatschutz

...hat sich bemüht

Heute wurde die Arbeit von OB Helma Orosz in der DNN (hier der online-Artikel) sowohl in einer Umfrage bei den Bürgern als auch bei den Parteien bewertet. Während einige Parteien sich mehr oder weniger ausführlich äußern, ist unter "Stärken" (obere Spalte) der OB bei "Die Linke" das hier zu lesen:



(was das bedeutet, kann man z. B. hier nachlesen...)

Abgesehen davon bietet die kleine Tabelle ein faszinierendes Bild des aktuellen Stadtrates, meine ich...
Die Bürgerumfrage hingegen bietet ebenfalls interessante Ergebnisse: Von "repräsentativen" 517 befragten Dresdnern haben 38% den Namen Orosz noch nie gehört (hier hätte die Umfrage für diese Gruppe enden müssen), aber nur 17% aller Befragten können nicht beurteilen, ob sie mit ihr zufrieden sind? - Da fragt man sich doch, woher die Schnittmenge ihre Antwort nimmt... - Rein statistisch gesehen hat übrigens die Unbekanntheit von Frau Orosz im letzten Jahr zugenommen, denn 2009 war sie nur 30% der Befragten kein Begriff...

Dresden Blogs

Zwar gibt es eine Linkliste am Rand, aber ich halte es für sinnvoll, einige aktive Dresdner Blogs hier in einer eigenen Rubrik aufzulisten. Bei blogger.de gibt es zwar eine eigene Seite für Dresdner Blogs, die ist aber kaum aktuell. Viel umfangreicher und daher zum Nachschlagen gut geeignet ist die Liste beim Blechblog. Hier also meine unvollständige und unsortierte Liste, gerne freue ich mich über Linknachschub und Lesestoff!! (Kommentare)

* Journal ohne Ismus von Muyserin
* vom Leben gelernt von thg
* temka.de
* Adventures in German Social Work von Torsten
* Flurfunk Dresden
* Neustadt-Geflüster von Anton Launer
* die neustadt
* dresden kulturell von Mathias sowie Jazz und Sonstiges
* Dapemas Blog
* Dresdner Rand
* Startenor
* Kunstgeschichten Dresden
* Blechblog
* Kurilka
* Sehnsuchtsort
* Musik und Muse(e)n
* Livemoment Fotoblog von Stephan Böhlig
* Die Hunde-Bar - Hoppla, ein Dresdner Hundeblog :)
Und weil wir gerade beim Thema sind: das Briard-Blog ist auch ein Dresdner Blog :)
* Saxroyal, die Dresdner Lesebühne
* das Umundu-Blog - Umundu steht für global nachhaltigen Konsum. Und in Dresden für ein kleines feines Festival. Nun auch mit Weblog.

t.b.c.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Sounding D Dresden - Countdown läuft...

Langsam kann der Countdown angeworfen werden, denn wir zählen nicht mehr ganz vier Wochen, bis in Dresden am 25. August, 17.30 Uhr auf dem Dresdner Altmarkt der Auftakt zu "sounding D" stattfindet - für den noch jede Menge Dresdner Musiker (Laien wie Profis!) gesucht werden. Gemeinsam wird das "sounding d - dresden" betitelte Stück von Carsten Hennig uraufgeführt. Alsdann setzt sich abends vom Dresdner Hauptbahnhof der klingende Sonderzug „sounding D“ vom Netzwerk Neue Musik in Bewegung. Der Zug wird bis 12. September quer durch Deutschland eine Klangspur legen. An den Haltepunkten des „sounding D“-Zuges wird Neue Musik gefunden, aufgeführt, diskutiert und genossen. Ab Ende August wird das Neue-Musik-Deutschland so im Wortsinne „erfahren“ und zum Klingen gebracht, und zwar jeweils an den Bahnhöfen und in den Innenstädten der 15 Netzwerkstandorte.



In Dresden ist das Netzwerk Neue Musik-Projekt „KlangNetz Dresden“ seit 2008 aktiv und hat mit seinen Partnern bisher eine beeindruckende Zahl von Konzerten und Workshops durchgeführt. Das Konzert auf dem Altmarkt wird kein vorgefertigtes Konzertereignis von Profis, das Ergebnis ist offen, denn jeder kann mitmachen, der Stimme und / oder Instrument besitzt. So ergeht seit einigen Monaten der Aufruf in der ganzen Stadt. Das Stück berücksichtigt die Vielfalt der Mitwirkenden und lebt vor allem von der großen Anzahl der teilnehmenden Personen, ein "Flashmob" wird entstehen - Je mehr Menschen sich dafür begeistern, desto wirkungsvoller wird sich das Klanggeschehen vor Ort entwickeln.

Grundlage der Komposition sind zwölf sehr charakteristische Klangmaterialfragmente, die als Noten-PDFs für verschiedenste Instrumente und Singstimmen im Internet zum Download verfügbar sind. Professionelle und semiprofessionelle Ensembles werden sich außerdem innerhalb des Werkes per Live-Einspielungen in einer Art Ensemblekadenz präsentieren. Die Mitwirkenden bestimmen mit Ihrem individuellem Spiel bzw. Gesang den Verlauf des Stückes, wobei erst durch die hohe Anzahl der Musikerinnen und Musiker ein sich beständig veränderndes Klangfarbenspiel erzeugt wird.

Zusätzlich zu diesem Projekt von Carsten Hennig werden am Starttag des Zuges weitere Veranstaltungen stattfinden: nach der Aufführung von sounding D - Dresden wird eine soundparade zum Hauptbahnhof ziehen, dort wird die Abfahrt des sounding D-Zuges gesondert zelebriert.

sounding D - Dresden im Internet: https://www.sounding-d-dresden.de

Ablauf sounding D - Dresden am 25.8. 2010
17.30 Uhr Flashmobkonzert zum Mitmusizieren auf dem Altmarkt
18.30 Uhr soundparade zum Hauptbahnhof
19.30 Uhr Konzert auf dem Hbf.
20.30 Uhr Start des Klangzuges

Digitale Postkarten mit den "klingenden" Bahnhofsschildern der Netzwerkstandortefinden sich hier (einfach auf die entsprechenden Orte klicken)

Netzwerk Neue Musik: https://www.netzwerkneuemusik.de/

Barockstadt Dresden - Interview mit Nicholas McGegan

Unter dem Motto "Glanzvolles Sachsen" wird am kommenden Sonnabend das Orchester der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen mit Arien und Konzerten von Hasse, Graun, Quantz, Mattheson und Händel in der Frauenkirche gastieren. Mit dem britischen Dirigenten, Festspielleiter und Spezialisten für alte Musik Nicholas McGegan sprach Alexander Keuk.

Herr McGegan, Sie sind seit 19 Jahren Intendant der Göttinger Händel-Festspiele, leiten seit über 20 Jahren das Philharmonia Baroque Orchestra, Sie haben über 100 Aufnahmen herausgebracht, macht Ihnen Barock-Musik eigentlich noch Spaß?

Ja, absolut! Es gibt noch so viel wundervolle Barockmusik zu entdecken. Ich habe zum Beispiel erst die Hälfte von Händels 40 Opern aufgeführt. Vor kurzem habe ich Aufnahmen von Vivaldis Opern gehört, die wundervoll und sehr dramatisch sind. Bach hört niemals auf, mich zu begeistern. Und ich bin mir sicher, dass sich meine Interpretationsansätze immer weiter entwickeln werden.

Wenn Sie einmal spontan antworten, welches musikalische Ereignis ihrer Laufbahn war für Sie prägend, wovon profitieren Sie heute noch?


Dies ist wirklich eine schwierige Frage, da es mehrere Ereignisse gab. Eines war zweifellos während meiner Studienzeit, als ich in einem Orchester unter der künstlerischen Leitung von Benjamin Britten gespielt habe. Wir gaben Elgars „Der Traum des Gerontius“ und ich spielte die erste Flöte. Eine weitere Situation war, als ich meine erste Bach Passion auf einem Originalinstrument gespielt habe.

Die Aufführungspraxis alter Musik hat eine enorme Entwicklung hinter sich. Sind wir schon beim „Optimum“ angekommen?

Natürlich hat sich die Art und Weise, auf Originalinstrumenten zu spielen, in den vergangenen 40 Jahren verändert. Heutzutage ist der Stil vielleicht nicht mehr so „gekünstelt“ und das Wissen um die Technik ist viel umfangreicher. Aber Kunst ist ja nicht wie Wissenschaft. Es gibt keine endgültige oder richtige Antwort in der Kunst. Interpretationen sind immer eine Sache der persönlichen Sichtweise. Ich hoffe, dass die Aufführungen, die ich mache, in zehn Jahren genauso anders sind wie diejenigen, die ich vor zehn Jahren gemacht habe. Die Historische Aufführungspraxis kann nicht wirklich eine spezifische Aufführung aus einem anderen Jahrhundert nachahmen. Alle Menschen, die daran teilhaben, bringen ihre eigene Persönlichkeit mit ein. Es gibt auf der ganzen Welt keine zwei Sänger, die sich wie Klone gleichen. Je mehr wir aber natürlich über Aufführungen aus der Vergangenheit wissen, desto besser.

Ihr Festspielorchester in Göttingen ist ein kleines "Bayreuth" der alten Musik. Ist es eher leichter oder schwerer, mit so vielen Spezialisten und Individualisten zusammenzuarbeiten?

Die Arbeit mit einem Barockorchester, das aus Spezialisten für Alte Musik aus über zwölf verschiedenen Ländern der Welt besteht, ist eine absolute Freude. Jeder von Ihnen ist sehr flexibel und ich freue mich in gleicher Weise über jeden Vorschlag, der von ihnen gebracht wird, wie sie umgekehrt meine Interpretation akzeptieren. Häufig kommen die Orchestermitglieder noch nach Proben zusammen, um Folk Musik aus ihren verschiedenen Ländern zu spielen: Polkas aus der Slowakei, spanische Songs, sogar texanischen Two Step.

Barockmusik ist doch eigentlich "leicht" zu spielen, jeder Instrumentalschüler wird mit Barockmusik anfangen. Wie erreicht man die besondere Qualität Ihrer Aufführungen?

Ehrlich gesagt ist nicht jede Barockmusik einfach zu spielen. Denken Sie an die Cellosuiten von Bach oder einige Arien von Händel. Manche mögen technisch leichter sein als Liszt oder Boulez, aber sie sind in der Interpretation genauso herausfordernd. Auf eine Art ist es sogar schwieriger, weil die Komponisten weniger Hinweise geben, mit denen Du arbeiten kannst: In der Barockmusik muss man z.B. seine eigenen Verzierungen hinzufügen und seine eigene Dynamik entwickeln. Ich finde, dass die Musik von Bach und Händel eine so große Tiefe hat, dass eine Interpretation immer eine große Freude und zugleich eine große Herausforderung darstellt.

Ich habe Bekannte, die können mit Barockmusik gar nichts anfangen, sie dudelt nur im Hintergrund. Was würden Sie ihnen raten? Welches Stück sollen sie einmal hören oder wie erschließt man sich die Welt der Barockmusik?

Sie stellen wirklich schwierige Fragen. Es gibt viele Stücke, die jemanden, der zum ersten Mal mit Barockmusik in Kontakt kommt, inspirieren können. Bachs Brandenburgische Konzerte oder Händels Wassermusik natürlich: Ihr Klang ist brillant mit einem tänzerischen Rhythmus, einem guten „Beat“, wenn Sie so mögen. Das gleiche gilt für Vivaldi Konzerte. In der Vokalmusik sind es z.B. Arien von Händel, von denen es heute so viele Aufnahmen gibt. Sie können direkt ans Herz gehen.

Sie sind auch bekannt für viele Entdeckungen und Erstaufführungen, aber auch für Experimente mit Szene und Tanz. Ist das Barockzeitalter offen für gewagte Interpretationen? Oder erliegt man nicht eher der Gefahr, dem "äußerlichen", der Ornamentik zu huldigen?

Ich denke, dass Barockmusik offen ist für alle Arten der Interpretation und Inszenierung. Aber man muss ein Gefühl für die Musik haben. Zu oft sind Regisseure zu ignorant und eitel. Ihr Konzept ist wichtiger als das des Komponisten. Glücklicherweise gibt es ja aber auch gute Regisseure, die einen modernen Inszenierungsstil haben und gleichzeitig die Musik verstehen.
2009 habe ich eine Händel-Oper aufgeführt, die von Doris Dörrie inszeniert wurde, eine meiner bislang aufregendsten Produktionen. Es macht großen Spaß mit Doris zu arbeiten und das Ergebnis war spektakulär. Etwas Ähnliches ist passiert, als ich mit dem Choreographen Mark Morris in den USA zusammengearbeitet habe.
Genauso faszinierend ist es aber auch, eine barocke Inszenierung zu realisieren, besonders, wenn Tanz eine Rolle spielt. Hier stammen der Stil der Produktion und die Gesten des Tanzes aus der gleichen Welt wie die Musik. Solche Produktionen funktionieren besonders gut in kleinen Theatern wie denen aus der Barockzeit. Wie auch immer, man muss sich immer wieder vor Augen halten, dass es die Aufgabe ist, das Publikum zu unterhalten und nicht ihnen etwas rein Akademisches zu präsentieren.

Es gibt gerade in England viele Spezialisten für alte Musik - Parrot, McCreesh, Hillier, um einige Kollegen zu nennen - auch in den Interpretationen gibt es schon eine "englische" Handschrift, teilen Sie diese Meinung? Oder sind die Engländer gerade in den Tempi einfach sehr lebendig?

Obwohl ich gebürtiger Engländer und auch so sozialisiert bin, habe ich doch über 25 Jahre in Kalifornien gelebt. Deshalb denke ich, dass mich meine englischen Kollegen nicht länger als einen der ihren sehen oder meinen, dass ich auf eine englische Art und Weise handle. Wenn ich Purcell dirigiere, versuche ich natürlich genauso englisch zu sein wie sie. Aber bei anderer Musik bin ich eher ein Einzelgänger. Schließlich lebe ich im „Wilden Westen“. Und was die Schnelligkeit der Tempi anbelangt, sind einige von den jüngeren Dirigenten aus Franreich oder Italien sogar schneller als die Briten. (Es muss am Espresso liegen!)

Wie schätzen Sie das barocke Musikleben in Dresden ein, wie gewichtig war der Anteil der Dresdner Hofkapelle und der Komponisten an der Entwicklung der Musik?

Dresden war eine der wichtigsten Städte für Barockmusik. Ich denke, dass diese Bedeutung in unserer Zeit zu langsam erkannt wurde, besonders bei den Musiklabels. Es gibt so viele CDs von Bach und Händel, aber es gibt erst seit kurzer Zeit Aufnahmen von Hasse oder Zelenka. Dresden kann sich wirklich glücklich schätzen, dass es hier einige wundervolle Ensembles für Alte Musik gibt, die viel dafür tun, um für das reiche musikalische Erbe der Stadt zu werben. Ich wünsche ihnen viel Glück.

Warum muss man dennoch für manche Komponisten (etwa Heinichen oder Hasse) immer wieder viel Empathie aufbringen? Ist der Schatten von Bach und Händel zu groß? Oder haben wir die Musik einfach zu lange vergessen?

Persönlich habe ich eine sehr hohe Meinung von Hasse und Heinichen. Es ist wirklich eine Schande, dass es so wenige CD Aufnahmen von Hasses Opern gibt. Er war ein wundervoller Komponist für Sänger. Ganz besonders mag ich sein Oratorium „Die Bekehrung des heiligen Augustinus“. Ein fabelhaftes Werk. Heinichens Konzerte sind brillant und sehr vergnüglich.

Sie bringen nach Dresden barocke Cleopatra-Musiken mit - warum hat dieser antike Stoff die Komponisten so sehr angesprochen?

Cleopatra war schon immer eine faszinierende Frau für Musiker wie Autoren. Shakespeare sagt, sie war eine Frau von unbegrenzter Vielfältigkeit. Sie hatte zweifellos ein leidenschaftliches Leben mit keinem langweiligen Moment, daher ist sie die ideale Figur für Opern. In diesem Konzert haben wir verschiedene Arien aus Opern zusammengebracht, die unterschiedliche Phasen ihres Lebens betrachten. Zwei Opern, Händels „Giulio Cesare“ und Grauns „Cesare e Cleopatra“, handeln von ihrem frühen Leben und ihrer Liebesaffäre mit Julius Cäsar. Die Opern von Hasse und Mattheson erzählen von ihrer Liebe zu Marcus Antonius und ihrem Selbstmord.

Im italienisch geprägten Dresden gab es immer auch ein Stelldichein der besten europäischen Instrumentalvirtuosen - ist es gerade dieses italienische Vorbild, was so fasziniert? Ist das ariose, virtuose barocke Konzert eine kleine Revolution in der ansonsten kirchlich geprägten Zeit?

Die meisten barocken Höfe in Deutschland waren kulturell von Frankreich oder Italien geprägt. Dresden und Würzburg waren vielleicht am stärksten „italienisch“. Man kann eventuell sagen, dass Cleopatra ein „freier Geist“ war, deren Leben sich sehr von dem Leben unterschied, das die Kirche propagierte. Cleopatra hat keinen ihrer Liebhaber geheiratet und sie war vielleicht am Mord ihres Mannes beteiligt, der gleichzeitig ihr Bruder war.

Sie haben schon mehrfach in der Frauenkirche dirigiert und dort auch Händel-Oratorien aufgenommen. Ist es für Sie ein authentischer Ort? Welche Atmosphäre des Musizierens stellt sich dort ein?

In der Frauenkirche zu musizieren ist wundervoll. Der akustische Nachhall ist für die Texte der Vokalmusik ein bisschen schwierig, aber der Klang ist herrlich. Und ganz eigennützig formuliert, ich habe als Dirigent einen tollen Blick auf den Altar und die Orgel.

Wäre Dresden nicht auch ein geeigneter Ort für barocke Festspiele? Oder wäre das eine eher fragwürdige Reanimation vergangener Zeiten?

Dresden wäre ein wundervoller Ort für ein Barockfestival. Es gibt so viele schöne Orte, an denen man Aufführungen machen könnte, kirchliche und weltliche Orte. Auf all dies kann die Stadt sehr stolz sein. Ich hätte dabei sicher nicht das Gefühl einer Disneyisierung der Stadt.

Sonnabend, 20 Uhr, Frauenkirche Dresden
Arien und Concerti von Georg Friedrich Händel, Georg Philipp Telemann, Joachim Quantz und Johann Adolph Hasse

Dominique Labelle Sopran
Brian Berryman Flöte

Orchester der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen
Leitung Nicholas McGegan

Dienstag, 27. Juli 2010

Ay, caramba.

Naja, wo die kalte Suppe herkommt und wie man sie schreibt - egal. Hauptsache, sie schmeckt.

Montag, 26. Juli 2010

Verkehrte Welt

Nein, Sie brauchen ihren Laptop nicht auf den Kopf stellen. Das war schon alles richtig so, bei der Ausstellung der HfBK in Dresden, die leider schon beendet ist. Gerne würde ich hier den Künstler nachtragen wollen - in diesem Jahr waren ohnehin einige spannende Objekte dabei, wie ich unten im Beitrag zu "Mahler rediscovered" schon beschrieb.



Dieses Bild zeigt die Nahaufnahme:


Und spielen kann man das Instrument auf diese Weise:


Fehlen nur noch ein paar Kompositionen "...for piano and walking sticks"

Sonntag, 25. Juli 2010

Vier Statements

(1) (2) (3) (4)
weitere Informationen: Pottblog, Ruhrbarone.
Mehr nicht.

Turbo-Taste

Unglaublich, wie groß gerade die Tempovarianz und Interpretationsbreite bei Barocksätzen ist. Man meint ja, "seinen" Bach zu kennen, hört dann eine historische Aufnahme des Violinkonzertes von Bach und plötzlich ist das Temporädchen wieder an den Anfang gedreht. Und es klingt trotzdem, o Wunder. Die Erfahrung: keine Musikeindrücke sind jemals festgefügt für die Ewigkeit, obwohl gerade die Erinnerung der "ersten Aufnahme" oder des "ersten Konzertes" einem oft einen Streich spielt - so komme ich wohl zeitlebens nie von "meinen" Kubelik-Aufnahmen der Mahlersinfonien los, die ich mit 15 rauf und runter gehört habe. Aber ab und zu lohnt sich das Innehalten: o, das ist ja das halbe Tempo. Gewinnt nicht dadurch die Musik? Oder schütteln wir doch mal wieder den Kopf und drücken auf die Turbo-Barock-Taste?

Samstag, 24. Juli 2010

recomposed


(Quelle: Universal/DG)

früher wollte ich mal Schumann-Sinfonien umschreiben, weil mir die Instrumentierung nicht gefiel. Viel zu wenig Blech und Schlagzeug... - damals wusste ich noch nicht, dass auch Gustav Mahler Hand an diese Sinfonien gelegt hat. Jetzt wagt sich Matthew Herbert an Gustav Mahler und "recomposed" ausgerechnet das Adagio der 10. Sinfonie. Ausgerechnet? Ich habe die Platte noch nicht gehört und kann mir nicht vorstellen, wie ein "recomposed"-Mahler überhaupt klingt. Und zwar keines seiner sinfonischen Werke. Wie der Soundcreator Herbert vorgegangen ist, beschreibt ein Artikel auf De:Bug sehr schön. Und trotzdem (und immer noch VOR Hören der Platte) verstehe ich nicht, warum man dass Drama oder Thema, das einer Sinfonie innewohnt, durch recomposing verstärken soll. Der einzig triftige Grund wäre, dass der Komponist dieses Thema nur mangelhaft behandelt hat. Das ist auch der Grund, warum manche Bach-Bearbeitungen scheitern (obwohl sie doch SOO schön auf Kuhglocke/Akkordeon/afrik. Trommeln tbc. klingen) - das Original ist zu stark, zu genial. Selten schaffen es Künstler, etwas Neues aus Bestehendem zu formen - übrigens in witziger Weise gelungen bei der Jahresausstellung der HfbK Dresden (Artikel über die Ausstellung hier), bei der u. a. "10 Fragmente von Werken namhafter Künstler, welche aus Museen und Institutionen entwendet wurden" von Jonas Lewerk präsentiert wurden: ein Span aus einem Werk von Joseph Boeys etwa, eingezwängt in eine neue glatte Vitrine, ein Krümel, eine Schraube von anderen Installationen und Leinwänden. Diese merkwürdige Klau-Kunst schaffte es bis zum Nachdenken über Kunst selbst, das gelingt nicht oft.

Recomposed-Website: klick

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