Mittwoch, 22. August 2012

Zwei Seelen in der Brust

Jörg Widmann als Komponist und Interpret beim Moritzburg Festival

Eine abwechslungsreiche Darbietung konnten die Zuhörer am Mittwochabend im Schloss Moritzburg erleben. Neben den "Klassikern" der Kammermusik gönnt sich das Moritzburg Festival jedes Jahr einen Composer-in-Residence. Dieses Jahr sind es gleich mit Sofia Gubaidulina, Olli Mustonen und Jörg Widmann gleich drei. Allerdings sieht eine echte Residenz anders aus und wäre sicher auch mit Uraufführungen profilierter, dennoch ist die Werkauswahl sorgfältig und bildet auch immer spannende Korrespondenzen zur Musiktradition.

Jörg Widmann konnte aus beruflichen Gründen - er arbeitet derzeit an einem großen Opernwerk lediglich einen Tag dem Festival beiwohnen; dies erfuhr das Publikum im lockeren Gespräch der Komponistenbegegnung, die vor dem eigentlichen Konzert stattfand. Widmann war auch nicht zum ersten Mal in Moritzburg, kehrt aber gern zurück und ist sowohl als erstklassiger Klarinettist und Komponist eine Bereicherung für die Konzerte. Da war es keine große Anstrengung, schlusszufolgern, welchem gemeinsamen Sternzeichen Olli Mustonen (ebenfalls Komponist und Interpret) und Widmann angehören: zwei Seelen wohnen in der Brust des Zwillings und diese leben sie genüßlich aus, das zeigte Widmann auch in Einblicken in seine Kompositionswerkstatt.

Nachdem Widmann im Porträt seine eigene, sowohl poetische als auch dramatisch aufwallende Fantasie für Klarinette vorgestellt hatte, widmete er sich im Konzert zunächst den bekannten "Fantasiestücken", Opus 73 von Robert Schumann. Widmann und Mustonen verstanden sich gemäß der schon im Gespräch gemachten Ankündigung auch durchaus prächtig, allerdings hatte Mustonen einige Probleme, die stetig rollenden Wellen des Stückes so klar und weich zu gestalten, wie Widmann es souverän auf der Klarinette beherrschte, insofern befriedigte diese Interpretation in dieser etwas eckig hervorgebrachten Romantik nicht.

Rodion Shchedrins "Three Shepherds" standen etwas einsam in der Mitte des ersten Teils, und die Qualität der Komposition vermochte trotz netter Raumwirkung mit zu- und auseinanderstrebenden Musikern nicht zu überzeugen. Sabine Kittel (Flöte), Sole Mustonen (Oboe) und Harri Mäki (Klarinette) zeigten sich jedoch sehr engagiert für das Werk, das in der Langatmigkeit mit kaum entfaltetem Material gewöhnungsbedürftig schien. Widmanns eigene Komposition "Fieberphantasie" für Klavier, Streichquartett und Klarinette war da, obgleich in radikal harter, moderner Klangsprache gesetzt, viel zugänglicher, da sie an keiner Stelle emotionalen Zugang und impulsiven Fortgang verneinte. Das zeichneten auch die Interpreten - nun wieder mit Widmann selbst an den Klarinetten - in faszinierender, mit äußerstem Willen zupackenden Weise nach. Schumann erschien hier nur noch als kurzer Schatten, in rhythmischem Bohren eingepfercht.

Nach über einer Stunde Parforceritt im ersten Teil hatten sich die Zuhörer im zweiten Teil "ihren" Dvořák verdient: Das Streichquintett G-Dur führte Arnaud Sussmann mit feiner Gestaltung als Primarius an; Kai Vogler, Lise Berthaud, Jan Vogler und Janne Saksala bildeten das Ensemble, das mit guter dynamischer Balancierung und spielerischem "Zuwurf" der Themen untereinander aufwartete. Und für solcherlei Höchstspannung in einem Konzert dankte das Publikum derart dankbar, dass zu vorgerückter Stunde die Zugabe natürlich unausweichlich war.

Begeisternde Intensität

Beethoven, Ravel und Tanejew im Schloss Moritzburg

"Moritzburg mobil", so könnte man eine neue Sparte des Kammermusikfestivals benennen, denn nicht nur innerhalb des Schlosses erkunden die Musiker mit dem Monströsensaal nun sperrungsbedingt eine neuen Spielort, bei dem ein Viertel des Publikums in einen zweiten Saal ausgelagert werden muss und man je nach Sitzposition interessante Halleffekte entdeckt. Längst haben die Künstler aber auch außerhalb des Schlosses ihr Netz aus feiner Musik über Schloss Proschwitz bis nach Dresden ausgebreitet und geben ja auch Gastspiele, um für die "Sommerpartie" zu werben.

Glücklich kann sich schätzen, wer einen solch sonnigen Sonntag in der Landschaft in vollen Zügen genießen kann; pünktlich zur Dämmerung am See lockte dann der Kulturgenuss ins Schloss: Werke von Ludwig van Beethoven, Maurice Ravel und Sergej Tanejew standen auf dem Programm des Konzertes, das ziemlich genau zur Halbzeit des Festivals stattfand. Von Müdigkeit ist nichts zu spüren, weder bei den Interpreten noch beim Publikum. Eher ist in der Atmosphäre des Konzertes der Suchtfaktor Kammermusik fast als Wölkchen greifbar.

Selten etwa dürfte der Rundfunk, der am Sonntag live übertrug, ein derart mucksmäuschenstilles Auditorium erlebt haben. Und die Mikrofone sorgten natürlich auch für besondere Spannung auf dem Podium. Allerdings waren alle Werke des Abends dazu geeignet, emotionale und durchaus auch effektvolle Momente hervorzubringen, das begann schon in Beethovens Streichtrio Opus 9/1, das Kai Vogler, Ulrich Eichenauer und Alban Gerhardt mit dem Wissen um diesen garstigen "Abschiedsgruß" an die leicht bekömmliche Welt eines Haydn oder Mozart interpretierten: da saß jede harmonische Überraschung, war die Dreistimmigkeit klug ausbalanciert.

In der durchaus intellektuellen Konzentration der Komposition, die subtil ihre Grenzen fasst, lag auch eine Gemeinsamkeit mit der Sonate für Violine und Violoncello von Maurice Ravel, die immerhin einen inspirativen Bogen von Schönberg über Poe zu Mozart fasst und in der Zweistimmigkeit vor allem in Rhythmik und Form virtuos spielerisch erscheint. Die Aufführung fand "in Familie" statt: Mira Wang (Violine) und Jan Vogler (Cello) ergänzten sich prächtig, hier und da hätte Mut eine gewisse Vorsicht in einigen - sicher waghalsig komponierten - Übergängen ersetzen dürfen. Den Hauptgang der Kammermusikspeise gab es in der zweiten Konzerthälfte, allerdings - um beim Thema zu bleiben - nicht "wie bei Muttern", sondern mit einer exquisiten Entdeckung: Das Streichquintett in G-Dur von Sergej Tanejew zeigt einen heute fast vergessenen Komponisten auf dem Gipfel seiner Kompositionskunst.

Mühelos zieht Tanejew alle Register von Kontrapunkt und Instrumentation: das Scherzo ist gewohnt russisch-dramatisch, der Variationensatz als Finale birgt ein vollmundiges Cello-Duo und natürlich eine Fuge in sich. Erstklassig kitzeln Baiba Skride, Gergana Gergova, David Aaron Carpenter, Jan Vogler und Alban Gerhardt mit all ihrem Können aus dieser Partitur die Leidenschaft heraus, die diesem verkannten Meisterwerk der russischen Spätromantik innewohnt. Mit dieser Entdeckung ging ein rundes, stimmiges, in seiner Intensität begeisterndes Konzert zu Ende.

Tour de Force auf 88 Tasten

Eldar Djangirov Trio - Klavierjazz beim Moritzburg Festival

Wenn man im Zusammenhang mit jungen, noch unbekannten Künstlern überproportional oft die Attribute Genie und Wunderkind wahrnimmt, wird man schnell vorsichtig mit seiner Begeisterung: zu oft waren es Persönlichkeiten, deren Stern am Musikerhimmel ganz schnell wieder verblasste. In der von solchen Geschichten nicht so oft erschütterten Jazz-Szene, wo das Publikum sehr sensibel auf diese seismologischen Schwankungen reagiert, zählt Können und eine entwickelte Persönlichkeit. Und da braucht man bei Eldar keine Sorge tragen.

Der in der kirgisischen Republik geborene Künstler zog samt Familie 1998 ins Mutterland des Jazz, um dort in Ruhe studieren zu können - da war er elf Jahre alt. Mit 18 spielte er auf namhaften Festivals und veröffentlichte sein erstes Album. Mit 25 ist er nun eine höchst anerkannte Größe im weltweiten Reigen der Jazzpianisten und vertritt durch seine markante, virtuose Spielweise zwischen Blues und Bebop (die Grenzen hebt er selbst mehrfach in den Stücken auf) seine eigene Handschrift. Auf Einladung von Jan Vogler gastierte er in einer Trio-Besetzung am Sonnabend beim Moritzburg Festival in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen.

Für einen nicht so geübten Jazzhörer war dieses Konzert sicher eine Grenzerfahrung, denn die 80-minütige Tour de Force über 88 Tasten erforderte auch eine Höchstgeschwindigkeit im hörenden Nachvollzug. Djangirov perlt sich derartig fix durch die Arrangements, dass man mehrfach rätselt, wie er überhaupt die Übersicht über Rhythmen, Hände, Freies und Festgelegtes behält. Der Stil der Arrangements ist durchweg modern; dass neben vieler kreativer Eigenkompositionen auch Standards von George Gershwin und Cole Porter gespielt wurden, ist fast nur durch die kurzen Moderationen spürbar - ist ein Thema angespielt, verschwindet es auch schon in einem Tunnel aus pianistisch aberwitzigen Kaskaden, an denen selbst Sergej Rachmaninow seine helle Freude gehabt hätte. Womit auch eine wichtige Basis für Djangirovs Spiel genannt wäre: Immer wieder schimmert tiefes Verständnis für die Klassiker des Klaviers durch, bezieht er doch aus diesem Repertoire eine unglaubliche Variantenvielfalt.

Bei aller Virtuosität des Pianisten fehlten mir persönlich im Konzert aber dennoch einige Nuancen: dass den beiden hervorragenden Musiker Armando Gola (Bass) und Ludwig Afonso (Drums) in den ersten vier Stücken lediglich die Aufgabe des Schattenkabinettes zukam und auch später wenig Atmosphäre einer wirklichen Session entstand, liegt an der kaum verneinten Klavier-Dominanz und den in der Summe doch zu brav heruntergespielten Arrangements. Da wirkten am Ende auch die dynamischen Hochschraubungen zu vorhersehbar, hätten Witz und überraschende Momente noch das i-Tüpfelchen gesetzt. Und schließlich ist eine Landschaft doch oft mit viel mehr Details zu betrachten, wenn man - und sei es auch nur ab und zu - das Tempo ein wenig zurücknimmt. Dass Eldar nämlich die Qualitäten besitzt, auch im Nachsinnen, in der Anschlagskultur Großartiges zu gestalten, zeigte er in diesem Konzert viel zu wenig.
[13.8.12]

Donnerstag, 16. August 2012

Sympathischer musikalischer Wettstreit

Lange Nacht der Kammermusik in Moritzburg mit den Akademisten des Festivals

Dafür, dass ein sommerliches Festival das Prädikat "wertvoll" erhalten kann, bedarf es vieler Komponenten, die vor allem Herz und Authentizität erfordern. Seit nunmehr sieben Jahren bestreiten junge Stipendiaten einen Teil des Moritzburg-Festivals, arbeiten mit den Profis, gestalten eine Tournee und das Eröffnungskonzert und eben auch die "Lange Nacht der Kammermusik", die fester Bestandteil des Festivals ist. Hier stellen die Stipendiaten - in diesem Jahr sind es 36 Instrumentalisten aus aller Welt - wobei ein starker amerikanischer "Block" auszumachen ist - Kammermusik vor, die sie während der ersten Festivalwoche gemeinsam in kleinen Formationen erarbeitet haben.

Der Abend dauert über drei Stunden, Sitzkissen und Leidenschaft für diese Art Musik sollten also ebenso mitgebracht werden wie die Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln, denn der berühmte "letzte Bus" läßt sich mit diesem Konzert nicht vereinbaren. Zumindest dies wäre ein Punkt, der sich künftig verbessern ließe, ansonsten hatten alle viel Spaß an der Darbietung, die dank des vom Förderverein des Moritzburg Festivals ausgelobten Akademiepreises auch interaktiv gestaltet war - die Preisträger bestimmte das Publikum per Stimmzettel. Damit war auch ordentlich Motivation für die jungen Musiker gegeben.

Der Reigen der Kammermusik spann sich durch vier Jahrhunderte und die Akademisten begnügten sich nicht mit Preziosen: der Anspruch war durchweg hoch. Natürlich waren die Charaktere unterschiedlich (das ist bei den Profis nicht anders) und nicht jedes Werk wurde bis zur Perfektion durchdrungen. Doch der kammermusikalische Geist wehte durch alle Darbietungen, das begann mit der munter theatralisch umgesetzten Sonata XII von Heinrich Ignaz Franz Biber, setzte sich fort in eher unterhaltenden Ensemblestücken von Jean Francaix (Oktett) und Gordon Jacob ("Old Wine in new Bottles") und steigerte sich zu tollen Leistungen in Stücken, bei denen auch große Musiker ein gutes Stück Arbeit vorfinden, etwa in Robert Schumanns 2. Streichquartett.

Der Publikumspreis ging schließlich an eine Interpretation zweier Sätze aus Dmitri Schostakowitschs Klaviertrio Nr. 2 - der Komponist scheint mittlerweile eine sichere Bank für das Siegertreppchen zu sein. John Garner (Violine), Samuel Justitz (Cello) und Ho Jeong Lee stürzten sich mutig und kundig in das hochdramatische Werk und wurden dafür belohnt. Besondere Erwähnung verdienen hier zwei zeitgenössische Interpretationen: Emilie-Anne Neeland, Katherine Williamson, Irina Kalinowska und Samuel Justitz formten eine eindrucksvolle, klanglich intensive Darstellung des 2. Streichquartettes von Sofia Gubaidulina, das auf diese Weise überraschenderweise dem tags zuvor aufgeführten dritten folgte.

Eine Entdeckung war auch das "Kleine Konzert für Streichquartett und Schlagzeug" von Karl Amadeus Hartmann, von Amy Hillis, Christine Li, Alfonso Noriega, Riana Anthony und David Cariano Timme rhythmisch prägnant und mitreißend interpretiert. Großen Applaus gab es jedoch am Ende für alle Mitwirkenden - der sympathische, nicht allzu ernste Wettstreit des Moritzburg-Nachwuchses war wieder einmal ein musikalisch sehr befriedigendes Erlebnis.

Fliegende Blätter und beseelte Musik

Erstes Kammermusikkonzert beim Moritzburg Festival

Eröffnet wurde das diesjährige Moritzburg-Festival am Sonntag mit einem Orchesterkonzert in der Gläsernen Manufaktur. Doch die wahre Eröffnung ist das erste "richtige" Kammermusikkonzert in der evangelischen Kirche Moritzburg, wenn nämlich die hinter und vor den Kulissen - wie tags zuvor schon vor Publikum geschehen - eifrig probenden Solisten das erste Mal gemeinsam konzertieren. Tradition ist auch das kurze Porträtkonzert als "Hors d'oeuvre". Doch diese Solovorstellung wird von den Musikern sehr ernst genommen, ist es doch die Gelegenheit, das eigene Instrument losgelöst von der Kammermusik vorzustellen.

Glücklich darf sich das Publikum schätzen, dass die Pianistin Lise de la Salle nach ihrem Auftritt 2010 erneut in Moritzburg weilt - neben ihrem Auftritt im Galakonzert am 10. August gestaltete sie das erste Porträt. Man fragte sich allerdings, warum die Kirche nur locker gefüllt war - gilt doch die 24jährige Französin als großes, längst in aller Welt gefeiertes Talent ihrer Generation.

Für ihr kleines Recital in Moritzburg suchte sie sich die 4. Ballade von Frédéric Chopin und einige Préludes von Claude Debussy aus. Die Ballade formte sie als aussagestarke Erzählung mit intensivem, nachdenklichem Beginn; später kostete sie die aus dem Thema erwachsenen Kontraste gut aus. Temperamentvoll und gleichzeitig mit großer Sensibilität zeichnete sie die Préludes (darunter "Des Pas sur la Neige" und "Feu d'Artifice") in all ihrer schillernden Farbigkeit - davon hätte man gerne mehr gehört.

Doch es stand ein Kammermusikkonzert besonderer Güte an, zwei Streichquintette umrahmten das 3. Streichquintett (1987) von Sofia Gubaidulina - die russische Komponistin ist (neben Jörg Widmann und Olli Mustonen) eine von gleich drei zeitgenössischen Komponisten, die das Moritzburg Festival in diesem Jahr vorstellt. In Moritzburg muss man sich auch für aktuelle Musik nicht mehr entschuldigen - es ist ein selbstverständliches, ernsthaftes Anliegen. Die fulminante Interpretation der starken, nach einer immer mehr dramatischen Pizzicato-Passage in ein großes Adagio mündenden Gubaidulina-Quartettes von Baba Skride, Gergana Gergova, Ulrich Eichenauer und Jan Vogler spricht für sich, daran änderte auch eine zersprungene Saite des Bratschers nichts.

Zuvor musizierten Gergova, Skride und Eichenauer mit David Aaron Carpenter und Alban Gerhardt das Streichquintett Es-Dur KV 614 von Wolfgang Amadeus Mozart, ein gewitztes Spätwerk, das kaum einmal nachdenkliche Töne anschlägt und von rhythmisch prägnanter Motivik bestimmt ist, die sich unter Führung von Gergana Gergova (Violine) nahtlos auf das Ensemble übertrug. Ein fliegendes Notenblatt von Baiba Skride sorgte hier für den sympathischen Beweis des Live-Erlebnisses und Mozart dürfte die beiden dadurch entstandenen Fermaten aus dem Himmel sicher goutiert haben.

Im abschließenden Streichquintett Es-Dur von Antonín Dvořák gesellte sich nun Mira Wang als Primarius hinzu und dieses "amerikanische" Werk des Tschechen wurde in all seiner unverfangenen Kantabilität - mit einem farbigen Variationensatz als Mittelpunkt - durchaus "saftig" wiedergegeben und erhielt den stärksten Applaus des Publikums, das sich für diesen abwechslungsreichen Auftakt des Festivals dankbar zeigte.

Traum XLIV

Schräg gegenüber meines Hauses steht ein 10jähriger Junge und schreit um Hilfe. Mutter und Oma kommen angerannt zu mir und erzählen von einem Mann im Haus, der die Tante erstochen haben soll. Diese Erzählungen ziehen sich aber so endlos hin, dass ich nicht bemerke, dass der Mann schon den Raum betreten hat. Er kommt auf mich zu und greift mir in der rechten Seite in die Rippen. Zeitiges Nachtende an dieser Stelle...

Freitag, 10. August 2012

Traum XLIII

Geburt meiner Tochter geträumt. Sie wurde aus einem Blatt Papier geboren, das ich in der Hand hielt.

Donnerstag, 9. August 2012

Zu wenig Aufmerksamkeit

Paulus-Jugendchor Utrecht gastierte in der Dreikönigskirche

Die Ferien stehen an, und die Konzertsaison ist nahezu vorüber. Das merkt man auch im Kulturkalender der Stadt, doch gerade im Sommer gibt es oft interessante Gastspiele reiselustiger Ensembles. So gastierte der "Paulus-Jugendchor" aus der gleichnamigen Gemeinde in Utrecht am Sonnabend in der Dreikönigskirche. Trotz freien Eintrittes erschienen leider nur wenige Zuhörer, die aber fleißig Applaus spendeten und ein umfangreiches Programm empfingen. Leider bot weder Programmheft noch eine Moderation Information über den Anlass des Konzertes, so sei hier nachgetragen, dass der Dirigent Sebastian Holz (geboren 1963) ein ehemaliger Kruzianer ist, der schon lange in den Niederlanden lebt und seit 1998 den Paulus-Jugendchor in Utrecht leitet, ein 40köpfiges Laienensemble, das neben kirchenmusikalischen Aufgaben auch immer wieder eigene Konzerte veranstaltet.

Schade also, dass für das einzige Konzert der weiten Reise des Chores nicht mehr Aufmerksamkeit eingeworben wurde. Der mit 23 Sängern angetretene Chor hatte sich ein fast zweistündiges Programm vorgenommen, unterbrochen nur von zwei instrumentalen Zwischenspielen mit Tobias Kruit (Klarinette) und Maarten Teuben (Klavier), die ein "Rococo Concerto" von Jurrian Andriessen interpretierten. In dieser eingängigen, populären Stilistik war auch das gesamte Konzert gehalten, das zwischen Musik von niederländischen Komponisten, John Rutter und einigen "Klassikern" pendelte. In der Fülle allerdings ragten nur wenige Höhepunkte heraus, wo die Qualität der Kompositionen mit der Leistung des Chores zusammenging.

Deutlich zu merken war die Vertrautheit des Chores mit Sätzen aus dem "Requiem" von Gabriel Fauré oder den immer wirkungsvollen, aber doch auf Dauer recht ermüdenden Chorsätzen von John Rutter, auch Antoine Oornens minmalistische Unisono-Sätze waren vom Chor homogen interpretiert, deklamierten sich aber meist mühevoll am Text entlang. Felix Mendelssohn Bartholdys Motette "Jauchzet dem Herrn" hätte später im Konzert platziert werden müssen, ganz am Beginn zeigte der Chor noch keine Sicherheit in dynamischer Entfaltung und Legato-Gesang.

So konnte man beobachten, wie sich der Paulus-Jugendchor mit voranschreitender Zeit immer mehr freisang; der zweite Konzertteil geriet stärker - das frisch musizierte "Psallite Deo" von Bach überzeugte ebenso wie das zum Schluss dargebotene "In Paradisum" von Fauré. Maarten Teuben sorgte trotz Rückenlage zum Dirigenten für sichere Begleitung am Klavier und ohne Zugabe entließ man den sympathischen Chor nicht auf eine lange Rückreise.

(16.7.2012)

Freitag, 27. Juli 2012

Giftige Stoffe

Seit ein paar Tagen ist ein kleines Vorgartengrundstück an der Stetzscher Str. neben der Einfahrt zur Post (zwischen Königsbrücker Str. und Bahnhof Neustadt) reichlich provisorisch mit Band abgeriegelt, dazu ein Schild "Giftige Stoffe". Leider weiß ich weder, wer der Besitzer des Grundstücks ist noch um was es sich handelt. So etwas aber mitten in der Neustadt nahe des eigenen Heims zu wissen, beruhigt nicht gerade. Denn wer soll hier eigentlich vor was zurückgehalten werden? Ich werde da mal weiter recherchieren, falls jemand mehr weiß, gerne hier posten.


Kontaminierter Boden? Bloß ein Scherz?

Absperrung an der Stetzscher Straße

Montag, 16. Juli 2012

Eine bloßgelegte Architektur

"Missa Solemnis" beim MDR Musiksommer in der Frauenkirche

Der MDR Musiksommer hat sich in Dresden rar gemacht. Wo früher sommers ganze Konzertreihen stattfanden, muss man nun mit zwei einzelnen Darbietungen in der Frauenkirche vorliebnehmen - dort finden Konzerte ohnehin jeden Sonnabend statt. Musikalisch bekommt Dresden in diesem Jahrgang allerdings zwei "Giganten" der oratorischen Musikgeschichte ab - am 4. August dirigiert Hellmuth Rilling "H-Moll-Messe" von Johann Sebastian Bach und am vergangenen Sonnabend erklang die Missa Solemnis von Ludwig van Beethoven.

Diese Aufführung bestritt der MDR Musiksommer bis auf die Solisten mit Kräften aus dem eigenen Haus und es war wohl auch eine besondere Herzensangelegenheit des Chefdirigenten des MDR-Chores, Howard Arman, dieses Gipfelwerk in der Frauenkirche selbst zu musizieren. Beethovens "Missa" wirft bis heute viele Fragen auf und stellt die Interpreten vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen - Fugen mit aberwitzigen harmonischen Fortschreitungen, schärfste Kontraste und ineinander verschränkte Themen und Rhythmen zeigen Beethoven auf der Höhe seiner Meisterschaft, aber auch in radikalster Modernität und kompositorischem Ringen, das auch heute noch spürbar ist.

Howard Arman ging es weniger um die Ausstellung der Extreme der Partitur; er bevorzugte einen weichen Gesamtklang mit deutlicher Themengestaltung, der auch im forte gut differenziert war. Der MDR-Chor folgt ihm da so kompetent, dass viele Nuancen zu Tage traten und auch im Agnus Dei noch Kraftreserven in allen Stimmen, die sich stets homogen und mit schöner zielgerichter Tongestaltung zeigten, vorhanden waren. Gewaltig ist diese Messe in der Wirkung, gewalttätig darf sie nicht sein, und damit lag Arman in der Dosierung richtig. Dennoch stellte sich nicht immer eine unmittelbar berührende Atmosphäre ein, wie sie etwa nach dem jubelnden Gloria-Beginn im scharfen Tempokontrast des "In Terra Pax" entstand.

Vielleicht war einigen Sätzen eine zu bloßgelegte Architektur zu eigen (was aber bei diesem Werk ebenso fasziniert!), vielleicht aber auch erlaubte Arman dem Orchester zu wenig eigene gestalterische Kraft. Hier war eine Unschärfe zu bemerken, die mehrfach zu einem schwankenden Klangbild im Orchestersatz mit undifferenzierten Lautstärken und Tempi führte. Keinesfalls dürften eigentlich Armans klar gezeigte Übergänge zu derlei Irrungen führen, wie sie im solistischen Abschnitt des "Quoniam" fast den Satz aushebelten. Sehr überzeugend gerieten jedoch die barock empfundenen Zwischenspiele im Sanctus und Benedictus, letzteres mit dem gut in den Satz integrierten Violinsolo. Das Solistenquartett gestaltete seine Partien souverän, aber recht unterschiedlich. So hatte Dara Hobbs nicht durchgängig die Kraft ihres Sopranes zeigen müssen, viel Kantables im leiseren Bereich blieb da auf der Strecke. Silvia Hablowetz (Mezzo) und Christian Elsner (Tenor) gefielen sehr gut, wobei Elsner viel mehr Legato hätte riskieren können. Ain Anger konnte sich nur im Solo behaupten, im Quartett war sein stets abgedunkeltes Basstimbre nicht wirklich überzeugend. Bei der insgesamt guten Textverständlichkeit fiel ein überzogen deklamiertes "Sanctus" der Solisten doch arg aus der gerade gut entstandenen sanften Stimmung heraus.

In der Frauenkirche gab es großen Applaus für eine insgesamt sehr gute, vom sich in hervorragender Form präsentierenden MDR-Rundfunkchor getragene Aufführung, bei denen viele spannungsintensive Momente gerade des Ausmalens vorwärtsdrängender Gefühle zusammenkamen, jedoch im Zauber der Zurücknahme und des Innehaltens noch etwas Potenzial lag.

Durch die Brille.

Händel, Brahms und Schönberg im 9. Philharmonischen Konzert

Die Konzertsaison der Dresdner Philharmonie neigt sich dem Ende zu, und auch die verbleibende Zeit im Kulturpalast ist gezählt. Dennoch stellte das Orchester im 9. Philharmonischen Konzert ein neues Format vor: im "Präludium" vor dem eigentlichen Konzert wird ein Werk vorgestellt, das in engem Zusammenhang mit dem Konzert steht. Hier waren es die Händel-Variationen von Johannes Brahms, die durch den Pianisten Christoph Berner zunächst im Original erklangen. Berner ist der Philharmonie schon durch viele Auftritte verbunden und auch ein geschätzter Kammermusikpartner.

Im großen Saal des Kulturpalastes wusste er die Variationen mit gutem Sinn für den formalen Zusammenhang zu interpretieren und stellte die unterschiedlichen Charaktere transparent und feinsinnig dar - so war die abschließende Fuge gut eingebunden in den Kontext und Berner bewies frischen Atem bis zu den Schlussakkorden des halbstündigen Werkes. Das Publikum nahm die neue, allerdings keinesfalls moderne (zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen Konzerte schon am Spätnachmittag und auch in den Pausen wurde musiziert) Konzertform völlig selbstverständlich auf.

Nur einzelne Gäste erschienen erst zum Orchesterkonzertbeginn, zu spannend war der Bezug zwischen Original und Bearbeitung. Für das Konzert indes benötigte man gleich mehrere Hör-Brillen. Zunächst musizierten die Philharmoniker unter der Leitung ihres Chefdirigenten Michael Sanderling stilsicher ein Concerto Grosso von Georg Friedrich Händel, dem "Themengeber" der Variationen. Und auch hier ist schon die erste Brille gefragt, denn die barocken Concerti Grossi atmen natürlich das italienische Vorbild.

Vor der Pause durfte man sich dann rühmen, insgesamt 50 Variationen des Händelschen Themas (das allerdings einer Clavecin-Suite entstammt) gehört zu haben, nun allerdings die Brahms-Fassung in einer Orchesterbearbeitung von Mark Popkin, einem amerikanischen Fagottisten (1929-2011). Durch diese Brille erschien Brahms zwar freundlich instrumentiert, jedoch fehlte trotz der engagierten Interpretation der Philharmoniker mit Streichern und fünf Bläsern ein wirklicher Mehrwert - vielleicht wird Sanderling auch einmal die weitaus farbigere Fassung des Briten Edmund Rubbra vorstellen.

Nach der Pause wurde das Grundthema "Original-Bearbeitung" weiter verfolgt. Arnold Schönbergs Instrumentierung des Klavierquartetts g-Moll, Op. 25 von Johannes Brahms wird scherzhaft gerne "Brahms' Fünfte" genannt, wurde allerdings von Schönberg immerhin 104 Jahre nach Brahms Geburt erstellt. Hier fasziniert die große Dichte und Farbigkeit der durchweg spätromantischen Partitur. Der Orchestersatz schimmert und drängt zwischen edelster Kammermusik und vollem Tutti, der Meister Schönberg zeigt sich hier in der Instrumentationskunst und hebt das Original auf eine neue Ebene. Sanderling ging das Werk mit reichlich Emotion und viel motivierender Betreuung der Orchestergruppen an. Im ersten Satz überzeugte diese auf die Zielpunkte der Linien zeigende Grundhaltung. Allerdings verlor das Intermezzo an zweiter Stelle im zu schnellen Tempo den Grund und geriet einige Male ins Schwimmen.

Die scharfe Konturierung des Rondos führte zu einem äußerst leidenschaftlichen Finale und die Musiker folgten Sanderling in Höchstform - 185 Minuten philharmonisches Konzert wurden eifrig bejubelt. In der neuen Saison wird man dieses Format an den verschiedenen Spielorten zunächst nicht finden, allerdings wird es viermal einen "Epilog" geben, auf den man gespannt sein darf.

Sonntag, 24. Juni 2012

Durch und durch romantisch

Absolventenkonzert mit der Erzgebirgischen Philharmonie Aue

Die meisten Prüfungen für die Musikstudenten an der Hochschule kommen ohne großen Aufwand aus. Der hervorragende Konzertsaal ist vorhanden, dort steht auch ein Flügel zur Begleitung der Instrumentalisten. Die Dirigierstudenten allerdings benötigen einige Instrumente mehr. Rektor Ekkehard Klemm, selbst Dirigierprofessor am Institut, setzt sich seit Jahren erfolgreich dafür ein, dass die Studenten zur praktischen Arbeit ein Orchester zur Verfügung bekommen. Dass mit der Kappung des Landesbühnenorchesters eine dieser Möglichkeiten in der Region künftig entfällt, ist höchst bedauerlich. Ein weiteres Orchester, mit dem die Hochschule kooperiert ist die Erzgebirgische Philharmonie Aue - dieses Ensemble integrieren sogar die studentischen Dirigate als Sinfoniekonzerte in ihr Jahresprogramm.

Für die Musiker bedeutet dies Mut zur Offenheit und immer ein außergewöhnliches Projekt, auch diesmal standen eine Instrumentalsolistin und insgesamt sieben studentische (!) Dirigenten in den Proben und drei Konzerten zur Verfügung. Das durch und durch romantische Programm hätte in der musikgeschichtlichen Verbindung nicht stimmiger sein können: Auf Johannes Brahms folgten Werke von Clara und Robert Schumann, vielfältige Bande ließ sich hier knüpfen.

Im Dresdner Konzert leitete Sung-Joon Kwon die "Akademische Festouvertüre" mit guter Organisation und das munter aufspielende Orchester hatte keinerlei Probleme, den Charakter umzusetzen. Lediglich für ein neues Kontrafagott sollten einmal gesammelt werden - der Klang wirkte doch arg verfremdet, wenn das Instrument zum Einsatz kam.

Ho Jeong Lee spielte ihren Solopart im Klavierkonzert Opus 7 von Clara Schumann in den Ecksätzen manchmal etwas zu auftrumpfend, legte zuviel Dramatik in die Noten, wo doch mehr Leichtigkeit angebracht gewesen wäre. Dabei gelang ihr aber der zweite Satz, der sich wie ein Albumblatt in dieses Konzert schleicht, gemeinsam mit dem Solo-Cello wunderbar. Pedro Andrade am Pult folgte der Pianistin gut, hätte aber noch mehr Ruhe in sein Dirigat bringen können.

Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe hatte ebenfalls André Brant Ribeiro mit Robert Schumanns 3. Sinfonie, der "Rheinischen" zu bewältigen. Das fünfsätzige Werk gelang mit guter Charakterisierung und Tempoanlage - den Intentionen von Ribeiro folgten die Musiker immer sehr wachsam. Insgesamt hätte man sich bei allen Dirigenten - beispielsweise in der Betreuung der zahllosen Streicherlinien in der Sinfonie - mehr Mut zur individuellen Gestaltung und Freiheit gewünscht, denn die Fähigkeiten dazu waren sicher vorhanden. Doch nötigt man den Studenten höchsten Respekt ab, den "Ernstfall" vor Publikum hier mit sehr guter, konzentrierter Leistung absolviert zu haben.

Viel Musik, wenig Schmuck

Festkonzert "20 Jahre HTW Dresden"

Mit verschiedenen Veranstaltungen feiert die Dresdner Hochschule für Technik und Wirtschaft in diesem Sommer ihr 20jähriges Gründungsjubiläum. Bevor im Juli ein offizieller Festakt stattfindet, gab es schon einmal ein Festkonzert mit zwei besonderen Ensembles, die mit der HTW verbunden sind. Das "Kammerorchester ohne Dirigenten" und das "Bläserkollegium Dresden" darf im Herbst ebenfalls Jubiläum feiern, allerdings werden diese Amateur-Ensembles dann schon 45 Jahre alt, beide wurden 1967 an der damaligen Hochschule für Verkehrswesen gegründet - für deren Verdienste empfingen die Ensembles am Ende des Konzertes, das in der Obhut der Dresdner Musikhochschule stattfand, auch den Dank der Leitung der HTW.

Dass das Bläserkollegium von anfangs vier auf zeitweilig bis zu 85 Mitglieder anwuchs, zeigt das starke Interesse der Laienmusiker, unter professioneller Anleitung (Ludwig Güttler und Heinz Biskup gehörten zu den künstlerischen Mentoren) spannende Konzerterlebnisse auszugestalten. Seit 1988 wird das Bläserkollegium von Prof. Günter Schwarze geleitet, während das Kammerorchester ohne Dirigenten zwar wirklich ohne einen solchen auskommt, aber kompetente Anleitung der Einstudierungen etwa durch Mitglieder der Staatskapelle Dresden erfährt.

Olaf Spies (Violine) war denn auch der Primarius des ersten Konzertteils. Dieses Festkonzert widmete sich im übrigen komplett der Musik, was zwar eine gute Sache ist, aber für Außenstehende - auch vom Programmheft her - insgesamt etwas schmucklos wirkte. Das Kammerorchester ohne Dirigenten startete mit einer Händelfanfare und widmete sich sodann den klangschönen Variationen "Five Variants of Dive and Lazarus" von Ralph Vaughan Williams - mit Unterstützung von Astrid von Brück an der Harfe. Hier wurde das spätromantische Ideal mit schönem Legato umgesetzt. Leicht und frech folgten Benedikt Bryderns "Abenteuer des Tom Sawyer" und das d-Moll-Konzert von Johann Sebastian Bach war dann noch einmal ein anspruchsvoller Ausflug in die Barockzeit, von Olaf Spies und Urs Stiehler solistisch souverän angeführt.

Der zweite Konzertteil wurde vom Bläserkollegium ausgestaltet, das in vielen wechselnden Besetzungen existiert und musiziert, allerdings verwundert in beiden Ensembles, dass diese, obwohl an einer Hochschule beheimatet, kaum von der aktuellen Studentengeneration bevölkert sind. Von der "Harmoniemusik" - Haydns anspruchsvolles, in der Aufführung sehr feinsinnig musiziertes Oktett F-Dur war ein gelungenes Beispiel für diese Besetzung - bis hin zum-dreichörigen Blechbläserchor (Giovanni Gabrieli) zeigte das Bläserkollegium viele Facetten seines Wirkens.

Sicherlich waren hie und da noch Verbesserungen möglich, doch alle Darbietungen des Abends wurden mit großer Leidenschaft und Freude an der Musik ausgeführt. Das übertrug sich über den Bühnenrand und führte zu einem schönen Schluss mit den vereinigten Ensembles in einer dann doch etwas kurz ausgefallenen Fest-Musik von Alessandro Poglietti.

Enormes Pensum

Saint Thomas Choir of Men and Boys gastierte in der Frauenkirche

Einen besonderen Eindruck hinterließ das Konzert des "Saint Thomas Choir of Men and Boys" aus New York, der am Sonnabend in der Dresdner Frauenkirche gastierte. Das war nicht nur der Fall, weil es das jährliche Dankeschön-Konzert für die Spender und Förderer von Wiederaufbau und Erhaltung der Frauenkirche war - der St. Thomas Choir war auch beteiligt an der Requiem-Uraufführung von Lera Auerbach im diesjährigen Gedenkkonzert der Staatskapelle. Kreise schließen sich, wenn man sich erinnert, dass auch ein Enkel einer Dresdnerin im St. Thomas Choir mitsingt (die DNN berichteten).

Es war außerdem ein Anliegen des Chores, nicht nur anglikanische Musik mit in die Frauenkirche zu bringen, sondern auch gleich drei Thomaskantoren zu huldigen. Denn auch der St. Thomas Choir trägt nicht nur den gleichen Namen, sondern hat ebenso eine Schule für musikalisch talentierte Knaben, bestehend seit 1919. 15 Männer aus Countertenören, Tenören und Bässen bilden das "Rückgrat" der 37 jungen Choristen - Leiter John Scott war schon als Musikdirektor an St. Paul's Cathedral in London zu Ehren gekommen, als er den Chor 2004 übernahm.

Für sein Gastspiel in Dresden hatte der Chor sich ein umfangreiches Programm ausgesucht, mit Motetten von John Sheppard, Orlando Gibbons und William Byrd gelang ein interessanter Einblick in die frühe anglikanische Musikgeschichte. Hier schon konnte man sich von der exzellenten Deklamation des Chores in allen gesungenen Sprachen überzeugen. Scott fordert viel von seinem Chor, bei dem keine Alterstrennung erfolgt: auch die Jüngsten sangen das komplette zweistündige Programm mit, wobei die Vokabel Höchstleistung für eine solche Darbietung fast noch untertrieben scheint, man sich eher angesichts der kraftraubenden Hymne "I was glad" von Hubert Parry am Ende des Konzertes fragt, ob ein Weniger nicht ein Mehr bedeutet hätte.

Gut, dass die Jungen bei diesem Pensum zweimal durchatmen konnten, während Frederick Teardo zwei Kompositionen von Bach und Dan Locklair an der Frauenkirchen-Orgel musizierte. Die Musik der Thomaskantoren Bach, Kuhnau und Hiller gelang dem Chor in etwas eigenwilliger Art und Weise - Scott legte ein zu durchgehaltenes schnelles Tempo in Bachs "Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf" an, in Hillers Motette "Alles Fleisch ist wie Gras" fehlte ein überzeugender Zugang. Erstaunlich aber, wie sicher und mutig alle Sänger seinen Intentionen folgten, homogen klang der Männerchor, zupackend und klar die Knaben.

Das setzte sich auch im zweiten Programmteil mit Musik des 20. Jahrhunderts aus Großbritannien und den USA fort, wenngleich hier nur Jonathan Harveys "Come Holy Ghost" als zeitgenössisch zu werten war. Aber auch diese Stilistik schien dem Chor selbstverständlich und immer wieder traten auch betörende Soli hervor.

Mittwoch, 6. Juni 2012

Glänzender Abschluss

Filarmonica della Scala mit Verdi, Strauss und Dvořák in der Kreuzkirche

Über zweieinhalb Wochen haben sich die Dresdner Musikfestspiele auf die Suche nach dem "Herz Europas" begeben. Sind wir ehrlich: in dieser Zeit tickte das musikalische Herz zweifelsfrei in Dresden selbst. Und welche großartigen Interpreten und Ensembles sich hier die Klinke in die Hand gab und vorrangig Musik aus dem Dreieck Wien-Prag-Budapest präsentierte, war staunenswert.

Je nach Position und Randverständnis reichte die Mitte von Frankreich bis nach Rumänien und auch mal "über den großen Teich", erst beim Abschlusskonzert zeigte die Kompassnadel deutlich nach Süden. Die Mailänder Scala darf man in diesem Kontext als eines der wichtigsten schlagenden Herzen Europas bezeichnen - das Gastspiel der Filarmonica della Scala in der Kreuzkirche wurde zu einem glänzenden Abschlussfest der Musikfestspiele.

Unter Leitung des Briten Daniel Harding geriet die Giuseppe Verdis Ouvertüre zur Oper "La Forza del Destino" zu einer superben Demonstration der feinen Klangkultur des Orchesters. Anstelle in der Kreuzkirche mit der Akustik zu hadern, gab Harding Blechbläser- und Schlussakkorden Raum zur Entfaltung, beeindruckten die Streicher mit gutem legato-Spiel und das Blech mit Wärme. Den emotionalen Höhepunkt des Konzertes bildeten die "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss mit der Sopranistin Christine Schäfer. Ihre Mischung aus Unabänderlichkeit und sanfter Reflektion erzeugte einen so natürlichen Fluss der Musik, dass man jede Liedzeile nahezu mitatmen konnte. Harding nahm das Orchester sehr zurück und folgte Schäfers komplett lyrischer Interpretation aufmerksam, so dass insbesondere die Schlusstakte der Lieder als empfundene Ruhepunkte wahrnehmbar waren.

Mit Antonín Dvořáks 8. Sinfonie grüßten die Italiener nach Tschechien. Harding suchte hier genau den Zwischenton zwischen Melancholie und Musikantentum zu treffen. Gerade die beiden Mittelsätze hätten aber, so schön jeder Bogenstrich auch ausgeführt wurde, mit weniger Gestaltung mehr "böhmische" Natürlichkeit der Musik erzeugt, da wollte Harding einfach zuviel. Das rasante Finale lag dem engagierten Scala-Orchester dann wieder bestens, und so war es selbstverständlich, dass nach dem großen Applaus Puccini und Rossini zugegeben wurden - mit der Wilhelm-Tell-Ouvertüre klang das Konzert schwungvoll aus.

Intendant Jan Vogler zeigte sich nach den 35. Dresdner Musikfestspielen mit rund 50 Veranstaltungen angesichts eines Rekord-Einspielergebnisses und einer Auslastung von 94% sehr zufrieden: "Die musikalische Dichte und Qualität der Aufführungen schuf im Dialog mit dem wunderbaren Publikum jene Festivalatmosphäre, die noch lange in den Herzen der Zuhörer nachklingen wird."

Scharfe Gegensätze

Debussy, Chausson und Strauss im 8. Zykluskonzert der Philharmonie

Still wurde es im Rund des Kulturpalastes zu Beginn des 8. Zyklus-Konzertes der Dresdner Philharmonie. Auch als die Musik spielte, blieb es lange still, und dennoch ging es um ein Drama, an dessen Ende der Satz steht "lautlos hat sie uns verlassen" - Die Ruhe, mit der die Charaktere und Szenen entwickelt werden, und die lyrische Qualität der Musik ist ein Hauptmerkmal von Claude Debussys Oper "Pélleas et Mélisande". Darauf muss man sich als Hörer erst einmal einlassen, entdeckt dann aber nach und nach die Schönheit, die ihre eigene Zeit benötigt.

Von der Dresdner Philharmonie wurde die von Marius Constant arrangierte Symphonie aus der Oper zu einem ungewöhnlichen Klangbild jenseits von Pomp und Extrovertiertheit geformt. Der französische, lange Zeit in Wien wirkende Dirigent Bertrand de Billy hatte hier die richtigen Ideen, um eine schöne Piano-Kultur des Orchesters zu zeigen.

Ähnlich verhielt es sich bei Ernest Chaussons Liederzyklus "Poème de l'amour et de la mer", der eine interessante symmetrische Anlage aufwies und auch - oft an Wagner orientiert - die Gefühlslagen offener darlegte. Dass dieser Zyklus zu einem musikalischen Juwel geriet, lag an der hervorragenden Solistin, der Sopranistin Véronique Gens, die sich in dieser farbig schimmernden Musik ihrer Heimat vollkommen zu Hause zeigte und deren in schönstem Legato vorgetragenem Leid und Liebeskummer man sofort nachvollzog, sich gar infizierte an der Szene, die am Ende in erschütternder Bitternis keine Lösung fand.

Der dramaturgische Schnitt der Pause geriet hart, hier sogar recht unversöhnlich, denn man konnte und wollte Richard Strauss' Tondichtung "Also sprach Zarathustra" nicht wirklich mit der entstandenen Gefühlswelt des ersten Teils in Beziehung setzen. Doch Kontraste beleben den Geist und die Musiker hatten hier plötzlich ganz andere Aufgaben vor sich. Der Eindruck indes blieb zwiespältig:

Bertrand de Billy ritt derartig schonungslos durch die Partitur, dass sich der Sinn und Zweck dieser Interpretation nicht mehr mitteilte, die Intensität zugunsten der Geschwindigkeit nachließ. An einigen Stellen mochte die flotte Lesart dieses Lobliedes auf Nietzsche und den intellektuellen Menschen angehen, doch die harmonisch komplexen Themen verloren ihre Kontur, der Walzer samt dem feinen Violin-Solo von Heike Janicke stürzte vorbei. Tapfer hielten die Philharmoniker mit und zeigten damit ihre Klasse und Flexibilität, fanden sogar am Ende noch zu einem empfundenen und - nicht selbstverständlich - sauber intonierten Schluss.

Pianistischer Höhenflug

Grandioses Recital mit Hélène Grimaud

Das Klavierrecital mit Hélène Grimaud in der Semperoper galt schon im Voraus als ein sicherer Höhepunkt der Dresdner Musikfestspiele, weiß man doch um das Können dieser sensiblen wie charismatischen Künstlerin, die zweifelsfrei stets ihren eigenen Weg gesucht und beschritten hat. Über die Jahre hinweg kann sie so dem Zuhörer zum freundschaftlichen Begleiter werden - in der ausverkauften Semperoper erlebte das Publikum nicht weniger als einen grandiosen Klavierabend, in dem Hélène Grimaud an ihre eigenen Grenzen ging und dabei Energien freisetzte, die den Hörer nicht mehr von der Musik losließen.

Einmal eingestiegen in das jeweilige Werk, arbeitete sich Grimaud wie in einem zu behauenden Steinbruch durch die Noten, als gelte es sich mit den letzten Takten daraus wieder zu befreien. Das traf zu Beginn Wolfgang Amadeus Mozart, für dessen Sonate a-Moll KV310 Grimaud ein grimmiges beethoveneskes Plädyer ablieferte: mit eigenwilliger Charakterisierung im zweiten, kaum Ruhe anbietenden Satz; rasant, mit viel Risiko und einer beängstigend souverän durchgehaltenen Unruhe in den Ecksätzen, die aber so wie aus einem Guss gerieten.

Der so gegen den Strich gebürstete Wolferl verzieh gnädig, und Hélène Grimaud setzte das einmal angefachte pianistische Feuer dann in der Sonate von Alban Berg Opus 1 in einen Flächenbrand um: so ruppig und mit extremen Steigerungswellen hat man dieses Werk selten wahrgenommen. Statt in einer zerbröselnden Fin-de-Siècle-Skizze fand man sich hier inmitten von Aufbegehren und Wüten wieder, trotzdem wirkte Grimauds großbögige Anlage der Sonate verstanden und in ihren Energieschüben schlüssig.

Das Konzept einer durchaus risikoreichen Herangehensweise an die Werke des Abends hatte allerdings einen klaren Zielpunkt: Franz Liszts h-Moll-Sonate schien wie eine dunkle Wolke bereits über dem ersten Programmteil zu liegen. Der wohl aus akustischen Gründen in der Pause heruntergelassene Eiserne Vorhang verstärkte die Aura des Unwirklichen, Weltentrückten noch mehr und Grimaud setzte nun zu einem Höhenflug besonderer Art an: Atmend geriet die Themengestaltung, risikoreich und kraftstrotzend stürzten die Arabesken vorwärts, glasklar setzte sie das Fugato an - diese Sonate gestaltete Grimaud überragend als ein pianistisches Drama ohne Rückkehr, in dem es nichts zu verbergen, nichts zu vergeheimnissen gab.

Wollte hier schon der Applaus kein Ende nehmen, so erst recht nach den fast als eine tänzerisch-derbe Entspannung nachgegebenen "Rumänischen Volkstänzen" von Béla Bartók. Dieses Recital zeigte Hélène Grimaud auf einer neuen, Höhe ihrer Kunst - und diese atmet Reife und ist höchst attraktiv.

Den meisten Zuhörern blieb allerdings verborgen, dass sie der diesjährigen Preisträgerin des mit 25 000 Euro dotierten Glashütte-Original-Musikfestspiel-Preises gelauscht hatten - die Preisverleihung fand erstmalig nicht im Konzert, sondern anschließend während eines Gala-Diners für Musikfestspielgäste und Sponsoren in der VW-Manufaktur statt. Grimaud erhielt den Preis für ihr soziales Engagement für das Internationale Kindercamp Sans Souci in Mecklenburg-Vorpommern und spendete den Preis auch für diese Einrichtung. Bereits im Dezember wird die Pianistin wieder in der Semperoper zu Gast sein - dann bei einem Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle.

Montag, 4. Juni 2012

Entfesselt.

Martin Grubinger & Friends im Eventwerk

Strömender Regen, strömendes Publikum - schnell wollten viele Besucher unter das schützende Dach des Eventwerks im Industriegelände gelangen, doch die Schlange der Menschen, die zum ersten Konzert der Musikfestspiele an diesem Ort Martin Grubinger erleben wollten, war lang. Wie nennt man ihn eigentlich? Schlagzeuger wäre tief gestapelt, Percussionist korrekt, Zaubertrommler wohl für das zu märchenhaft umschrieben, was sich da an Energien entlud.

Der junge athletische Österreicher ist als Klassikstar in aller Munde und verneint auch nicht wirklich, dass er den Rummel genießt, denn dafür übt er auch schon mal 15 Stunden am Tag. Wer allerdings im Eventwerk eine Ausgabe von "Menschen, Tiere, Sensationen" erwartete, war im falschen Zirkuszelt. Grubinger ist längst soweit, dass er Dynamikpegel, Wirbelgeschwindigkeit und Anzahl der Instrumentenwechsel pro Sekunde nicht mehr öffentlich beweisen muss. Ein solcher Musiker macht im besten Falle das, was er will, und widmet sich intensiv der Musik und den Interpreten, die er mag.

So hieß das Konzert auch "Grubinger & Friends" und wartete mit überraschenden Kammermusikarrangements auf. Im ersten Teil stand die komplette 15. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch in einer Bearbeitung für Klaviertrio und drei Schlagzeuger von Viktor Derevianko auf dem Programm. Die exponierte Rolle des Schlagzeugs kam hier gut heraus, der erste und dritte Satz "funktionierten" in diesem Arrangement, allerdings fehlte der Bearbeitung trotz der feinfühligen Darstellung durch die Musiker die orchestrale Klangfarbe, was im 4. Satz zu einiger Verzerrung führte. Trotzdem zwang diese Lesart zum genauen Hinhören und führte das keinesfalls als Unterhaltung durchgehende Werk zu spannungsvollem Tiefgang.

Martin Grubinger stellte nach der Pause gut gelaunt Iannis Xenakis' Solo-Klassiker "Rebonds B" vor und spielte die Zuhörer mit auseinanderdriftenden, archaischen Rhythmen erst einmal schwindelig. Verblüffend war die Gegenüberstellung dieses Werkes mit der von Roland Greutter fabelhaft dargebotenen 4. Violinsonate von Eugène Ysaye in den Korrespondenzen von Mathematik und Virtuosität. Und damit waren auch endgültig die Grenzen von Genres und Konventionen gefallen - die Musik war hier entfesselt und konnte für sich selbst sprechen. Statt für Leonard Bernsteins "West Side Story" entschieden sich die Musiker für die musikalisch wenig aussagekräftige "Prism Rhapsody" der japanischen Komponistin und Marimbaphonspielerin Keiko Abe, von Grubinger gefühlvoll und klangfarbenreich an der Marimba interpretiert, der Klavier-Orchesterpart mochte aber trotz des Einsatzes von Per Rundberg kaum überzeugen.

Am Ende kam es bei einem Astor-Piazzolla-Medley zum vom Publikum einhellig bejubelten Showteil: diese Tangos atmeten üppige Lebensfreude und schlicht eine Menge Spaß an der Musik, ebenso der zugegebene Ragtime "Look out little Ruth" von Kurt Engel, bei der Grubinger parallel zu fliegenden Händen dann auch den Rhythmus in den Beinen entdecken durfte.

Samstag, 2. Juni 2012

Wichtige Impulse

Jüdische Kammerphilharmonie Dresden spielte verfemte Meisterwerke

Verfolgte, verfemte, vergessene Musik - es ist ein dunkles Kapitel der deutschen Musikgeschichte, das über einen langen Zeitraum nach dem zweiten Weltkrieg aufgearbeitet wurde. Dennoch harren viele Werke und Komponistenschicksale der Beachtung, der Wiederentdeckung, kann nur Klingendes die Gedanken und Inspirationen der damaligen Künstler lebendig erhalten. Um solch eine wertvolle Aufgabe kümmert sich seit nunmehr fünf Jahren die "Neue Jüdische Kammerphilharmonie Dresden", die im Rahmen der Musikfestspiele ein Konzert in der Synagoge gab.

Es ist bemerkenswert, dass sich das Orchester auch um Rekonstruktionen, um Erst- und Uraufführungen bemüht. Erich Zeisl etwa ist einer der jüdischen Komponisten, deren Karriere in Europa jäh beendet wurde - bis heute sind seine Werke kaum bekannt. Seine "Variationen über ein slowakisches Volkslied" atmen spätromantische Tradition und sind dabei abwechslungsreich. Im Konzert zeigte die Kammerphilharmonie Konzentration für die unterschiedlichen Charaktere, dies setzte sich in den weiteren Programmpunkten fort und führte auch mit der Komplexität der Stücke zu einer deutlichen Steigerungskurve.

Über Miklos Rózsas an Bartók-Welten erinnerndes Andante gelangte das Orchester zum wohl eigentümlichsten Stück, der "Studie für Streicher" von Pavel Haas. Schön war hier wie auch im rasanten "Scherzo für Streicher" von Franz Schreker die Transparenz der Streichergruppen mit Sinn für Haupt- und Nebenstimmen und durch den Dirigenten Michael Hurshell jederzeit vermittelten Spannungsbogen.

Höhepunkt des Konzertes war das frühe Violinkonzert d-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy, dessen jugendliche Ideenvielfalt vom Orchester lebendig gezeichnet wurde. Star dieser Aufführung war der junge amerikanische Geiger Arnaud Sussmann, dessen nur fabelhaft zu nennende Interpretation so begeisterte, dass der dritte Satz erneut gegeben werden musste. Es war ein spannendes, ohne Pause in einem großen Bogen geführtes Konzert, das wichtige Impulse zum Kennenlernen immer noch vergessener Musik des 20. Jahrhunderts setzte.

Ausgefeilt

Orchester des Mariinsky-Theaters unter Valery Gergiev in der Semperoper

Vor zwei Jahren gastierte das Orchester des Mariinsky-Theaters St. Petersburg unter Leitung von Valery Gergiev bereits mit einem umjubelten Auftritt bei den Dresdner Musikfestspielen. Gergiev ist einer der großen Klangmagiere am Dirigentenpult - gespannt waren die Zuhörer auf das erneute Gastspiel dieser charismatischen Persönlichkeit, diesmal mit einem sinfonisch großformatigen und mitteleuropäischen Programm.

In einer akustisch nicht immer förderlichen flachen Aufstellung auf der Bühne der Semperoper musizierte das Orchester Béla Bartóks Konzertsuite aus dem "Wunderbaren Mandarin" ordentlich und präzise. Es folgte wohl auch einhundertprozentig Gergievs Intentionen, doch lief diese an sich wilde Musik Gefahr, sich zu einem sehr geschliffenen Standard zu verwandeln. Die leichte emotionale Unterkühlung von Beginn und Finale machten die exzellenten Holzbläsersätze in der Mitte des Werkes aber wett.

Als Preziose erwies sich das Solistenkonzert des Abends: Arthur Honeggers Cellokonzert aus dem Jahr 1930 ist in seiner ökonomischen Machart und Geradlinigkeit offenbar in einer Rezeptionsritze verschwunden. Zwar mühten sich Solist Jan Vogler und Gergiev mit dem Mariinsky-Orchester um eine freundliche Wiederentdeckung dieses Konzertes samt einem witzigen Tuba-Solo, locker gefügter Gershwin-Atmosphäre und sanft knarrenden battuto-Kontrabässen, aber die Interpretation konnte nicht die nötige Souveränität in den musikalischen Belangen aufweisen.

Nach der Pause begann Valery Gergiev Richard Strauss' sinfonische Dichtung "Ein Heldenleben" mit einer rasanten und kraftvollen Einleitung, nahm sich Zeit für Kirill Terentievs wunderbar strömendes Geigensolo und arbeitete dann eine bis ins Detail ausgefeilte Deutung aus, die mit wenig Pathos, aber eben auch mit wenig Breitwand-Klangdichte in den Streichern auskam.

Dieser Strauss-Held war vor allem eine Platzhalter-Figur für exzellente Soli im Orchester von der Soloflöte über die fabelhafte Horngruppe bis hin zu rasiermesserscharfen Schlagzeugeinsätzen. Die extrem silbrige Klangfarbe in der Zugabe - Anatoli Ljadows "Verzauberter See" - war im Konzert bis dahin wenig vertreten gewesen; unter Gergievs nun völlig beruhigtem Dirigat war dies zum Abschluss Magie und Klangzauber pur.

Freitag, 1. Juni 2012

Ohne Exzentrik

"Café Zimmermann" mit Barockmusik aus Wien

Manchmal passt vieles zusammen: der Pfingstsonntag mit feinem Ausflugswetter ließ am Vormittag keine "schwere" Musik zu, so traf man sich im Palais im Großen Garten bei den Musikfestspielen zu einer Wiener Matinée, bei der die Mauern des Palais dankend geseufzt haben dürften - waren diese doch stumme Zeugen ebensolcher sächsischer Lustbarkeiten (die Jahreszahl 1680 prangt außen an der Fassade), für die das Palais gebaut wurde.

Für die musikalische Ergötzung der Höfe in Wien und Salzburg waren zu dieser Zeit vor allem Heinrich Ignaz Franz Biber, Johann Heinrich Schmelzer und Johann Jakob Froberger zuständig, die ihre Positionen auch dafür nutzten, die Instrumental- und Ensemblemusik im Gönnerlicht stetig weiterzuentwickeln. Gerade der Übergang und die Zwischenräume zwischen der geistlichen und der profanen Welt spielt eine große Rolle, ebenso die Abbildung der Stimme und damit alle menschlichen Leidenschaften auf den Instrumenten, wie es beispielsweise in Schmelzers "Lamento auf den Tod Ferdinand III." zu erleben war.

Mehr noch: Auch die "Todtenglockh" findet Eingang, eine "Fechtschul" wird akribisch abgebildet und nebenbei vervollkommnen die Komponisten ihre Suitenideen, den Kontrapunkt und die Geigentechnik. Das international besetzte Ensemble Café Zimmermann - den Namen gab man sich nach dem berühmten Leipziger Kaffeehaus, in dem das "Collegium Musicum" konzertierte - um die französische Cembalistin Céline Frisch und den Geiger Pablo Valetti besann sich in den Sonaten und Tänzen auf ein nobel zu nennendes Zusammenspiel, dem stets gemeinsame Atmung und Phrasierung zu eigen war. Ab und an hätte man sich deutlichere Kontraste in der Dynamik gewünscht, wie sie das Ensemble zu Beginn des Konzertes bereits gezeigt hatte.

Während naturgemäß der Primarius der Streicher in dieser Stilistik oft im Vordergrund stand, wäre doch ein volleres Fundament mit Theorbe, Cello und Orgel an manchen Stellen möglich gewesen. Und obwohl insgesamt die Stimmigkeit mit dem Aufführungsort und der Historie in adäquater Interpretation gegeben war, hätte Abwechslung in den Besetzungen und der Werkauswahl, die hier höfische Geradlinigkeit der barocken Exzentrik vorzog, dem Konzert gutgetan.

Ein Recital als Gesamtkunstwerk

Pierre-Laurent Aimard spielte Kurtág, Ligeti, Liszt und Schubert

Die Interpreten der Dresdner Musikfestspiele scheinen sich in diesem Jahrgang zu besonderen Höhenflügen bereiterklärt zu haben - anders läßt sich der exorbitant gute Klavierabend mit dem Franzosen Pierre-Laurent Aimard im Palais am Freitagabend nicht erklären. Aimard ist bekannt für sein intellektuell durchdrungenes Spiel, das Tradition und Gegenwart in einen inspirierenden Bezug setzt. So war es auch bei diesem Recital, in dem die Linie der Donauländer Österreich, Ungarn und Rumänien den äußerlichen Rahmen für ein weitreichendes musikalisches Spannungsfeld bildete.

Aimard ordnete die Komponisten György Kurtág, György Ligeti, Franz Schubert und Franz Liszt so geschickt aneinander, dass ein zweiteiliges musikalisches Gesamtkunstwerk entstand und den Hörern nach zwei Stunden Spieldauer einen seltenes Glücksgefühl vermittelte, wie stark doch Musik wirken kann, stellt man sich komplett in ihren Dienst und läßt die Stücke miteinander korrespondieren. So legte Aimard eine "dunkle" und eine "helle" Konzerthälfte an, gruppierte die aphorismenartigen Stücke aus Kurtágs "Játékok"-Zyklus so, dass eine fast philosophische Betrachtung zwischen Stille und Bewegung entstand.

Der erste Konzertteil war dem spielerischen, positiven Element gewidmet; Aimards Interpretation der ersten kleinen und kleinsten Stücke war bereits so tiefsinnig, dass man in eine Konzentration gezogen wurde, die sich dann bei den zerbrechlich-zarten Schubert-Walzern und Ländlern zögerlich auflöste und Liszt, von dem die "Wasserspiele" im ersten und der "Unstern" im zweiten Teil erklangen, in eine Umgebung verfrachtete, in der man ihm neu und unverkrampft begegnen konnte.

Als eine geistig-musikalische Zusammenfassung der Teile setzte Aimard jeweils drei Etüden von György Ligeti an das Ende, schuf nahtlose Übergänge auch in den Tonarten und Tonzentren und bearbeitete den Steinway in den Extremen der Lautstärken derart willensstark, dass einem beim Zuhören der Atem stockte. Auch in den extrem komplizierten Etüden waren die Korrespondenzen zu der Simplizität des Anfangs gegeben.

Aimard hielt eine wunderbare Spannung vor allem durch die Transparenz der Rhythmen und Tonlängen und einer nur fabelhaft zu nennenden Anschlagskultur. Auf diese Weise gelang es Aimard, die Hörer für die spannenden Werke der Zeitgenossen zu fesseln und gleichzeitig für das Neue im Alten zu öffnen. Musik kann kaum mehr leisten, eine Zugabe hätte dieses Kunstwerk auch nur beschädigt. Stark.

Leichtigkeit als Prinzip

Jan Lisiecki erstaunt und begeistert auf Schloss Wackerbarth

Der Pianistensternenhimmel ist ein Kosmos eigener Art: manche halten sich hell und klar über die Zeiten, andere verblassen, neue treten hinzu. Am Firmament erschien jüngst ein neuer Stern: Jan Lisiecki heißt der junge Mann, Kanadier mit polnischen Wurzeln. In letzter Zeit hagelte es Auszeichnungen für das Ausnahmetalent, das in aller Welt konzertiert und doch gerade erst ein Musikstudium in Toronto aufgenommen hat.

Sehr gespannt war daher auch das Musikfestspielpublikum auf Schloss Wackerbarth - das Weingut wartet mit der für solche Gelegenheiten akustisch idealen Abfüllhalle auf, die während des Kulturgenusses auch den Blick auf die abendlichen Weinberge zuläßt. Lisieckis Programm war prall gefüllt - satte zwei Stunden Klaviermusik bot der 17jährige Pianist an und ließ es sich nicht nehmen, sein Recital zudem in knapper sympathischer Form zu moderieren. Das zeugt von einem gesunden Selbstbewusstsein, auch von jugendlicher Kraft und Frische. Davon bot Lisiecki reichlich in dem mitreißenden Konzert - seine beiden Bach-Darbietungen aus dem "Wohltemperierten Klavier" waren bewusst als Einsteiger in die Programmteile gewählt, um den Quell der späteren, darauf aufbauenden Klaviermusik zu zeigen.

Lisiecki scheute sich nicht, romantische Phrasierung einzubringen, musizierte die Fugen aber so deutlich, dass der Respekt vor dem großen Komponisten gewahrt blieb. Beethovens Fis-Dur-Sonate ist ein selten gespielter Edelstein der Klavierliteratur, hier stufte Lisiecki die Dynamik gut ab, hätte im zweiten Satz im schnellen Tempo noch mehr Ruhe finden können. Die drei Konzertetüden von Liszt folgten fast schon als Lockerungsübung für das folgende Mendelssohn-Werk; die "Variations Sérieuses" gelangen ebenfalls stilistisch sicher und mit jederzeit überlegter Interpretation.

Dass Lisiecki eine geistige wie technische Leichtigkeit in seinem Spiel als Basis benutzt, machte nicht nur das Chopin-Zitat im zweiten Teil klar - wer so unverkrampft und mit geduldiger Übersicht an die Etüden, Opus 25 herangeht, kann nur gewinnen. Perlendes Spiel, imposante Steigerungen und Mut zum Detail machten eine hervorragende Interpretation aus, bei der das Spiel nicht auf der pianistischen Überholspur stattfand, sondern auf einer die Noten tief durchdringenden Ebene. Das war in der Summe schlicht grandios und wurde mit tosendem Applaus belohnt.

Freitag, 25. Mai 2012

Für Spezialisten?

Kristian Bezuidenhout mit Mozart auf dem Hammerklavier

Erst in den letzten dreißig Jahren wurde das Hammerklavier wiederentdeckt - der Wunsch, Klavierwerke möglichst authentisch auf den Instrumenten ihrer Zeit wiederzugeben führte zu intensiver Forschung und Nachbauten alter Instrumente. So erlebt das Hammerklavier in jüngster Zeit eine große Renaissance, spezialisierte Interpreten widmen sich dem Instrument und machen so vor allem die Musik des ausgehenden 18. Jahrhunderts neu erfahrbar.

Mit einem Nachbau eines Wiener Hammerklaviers nach Anton Walter von Paul McNulty wurde man im Palais im Großen Garten beim Konzert der Musikfestspiele in den Wiener Salon versetzt und genoss mit dem aus Südafrika stammenden Pianisten Kristian Bezuidenhout eine Zeitreise. Bei dem Facettenreichtum von Wolfgang Amadeus Mozarts Kompositionen war es kein Manko, dass das Programm ausschließlich ihm gewidmet war. Zwei Sonaten aus der Zeit um 1778 stellte Bezuidenhout ein Variationswerk und die späte Fantasie c-Moll gegenüber.

Bezuidenhout ist am Hammerklavier ein ruhiger, bedächtiger und doch sehr lebendiger Gestalter. Die F-Dur-Sonate KV332 zeigte er in kontrastreichen Farben, bei denen allerdings der Pegelausschlag der Ausdeutungen gerne noch etwas größer hätte sein können, gerade dem 3. Satz fehlte im rasanten Tempo etwas der Witz und die Ausstellung der kleinen, genialen Wendungen. Doch Bezuidenhout ist mehr ein Erzähler am Clavier, so bekamen die Variationen über eine Gluck-Ariette KV455 fast einen akribischen Charakter; auch die Fantasie war so behutsam und deutlich gezeichnet, dass Mozarts Phantasie nicht als wildes Paraphrasieren, sondern als kluges Nachsinnen ausgestellt wurde.

Dabei kostete Bezuidenhout alle Möglichkeiten des Hammerklaviers (und das sind mehr, als der Flügel-Liebhaber denkt!) überlegt aus, setzte Dämpfung und Haltepedale, die mit dem Knie bedient werden, ebenso abgestuft ein wie ein deutlich phrasierendes Spiel - der zweite Satz der B-Dur-Sonate KV333 wurde so zu einem großartigen Ruhepunkt des gesamten Konzertes. Auch die Zugabe galt Mozart, und die freundlichen Gesichter des reichlich erschienenen Publikums am Ende besagten, dass dieses Musikerlebnis keineswegs nur für Spezialisten taugte: es war ein angenehmer, auch sehr ernsthafter Zugang zu Mozart und seiner Welt.

Pistolenschüsse und Pokerspiel

5. Sinfoniekonzert der Landesbühnen Sachsen

Sieben Jahre leitete Michele Carulli als Generalmusikdirektor die musikalischen Geschicke der Landesbühnen Sachsen in Radebeul. Die anstehenden dramatischen Kürzungen im Bereich des Orchesters haben auch zur Folge, dass Carulli diese Tätigkeit beenden wird - das 5. Sinfoniekonzert der Saison ist das letzte unter seiner Stabführung und wohl auch eines der letzten Konzerte dieses Orchesters in seiner bisherigen Größe und Qualität.

Das Konzert fand im Rahmen der Karl-May-Festtage statt, dafür hatte man sich ein passendes Programm unter dem Titel "Go West" zurechtgelegt. Carulli suchte gleich nach einem wirkungsvollen Auftritt mit Cowboyhut den Kontakt zum Publikum und stellte das Programm vor. Dass ein Werk von Aaron Copland erklang, erscheint im programmatischen Zusammenhang schon fast zwingend. Carulli entschied sich für die Suite aus dem Ballett "Appalachian Spring", eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Farmerlebens in Pennsylvania. In dem für die Tänzerin Martha Graham entstandenen Werk sind einige berühmte Melodien des Komponisten enthalten, das Landesbühnenorchester hatte hier keine Mühe, die folkloristischen Aspekte herauszuarbeiten, es tat sich allerdings schwer, wenn schnelle Sätze mit vielen Taktwechseln und offenliegenden Phrasen auf dem Pult lagen. Hier wäre etwas mehr Ruhe im Dirigat von Carulli förderlich gewesen.

Der zweite Teil des Konzertes gehörte Giacomo Puccini, dessen Konnotation mit Amerika nicht auf den ersten Blick auffällt. Doch hatte der an aktuellen Stoffen immer interessierte Komponist sich nach einem Broadway-Besuch entschlossen, eine echt amerikanische Schurken-Oper zu schreiben: "Das Mädchen aus dem goldenen Westen" (1910) ist bis heute ein ungewöhnliches und verkanntes Werk im OEuvre des Schöpfers geblieben - trotz Pistolenschüssen und Pokerspiel bleibt es natürlich ein Meisterwerk des Verismo. Carulli tat recht daran, den 2. Akt in einer von ihm hergestellten konzertanten Fassung mit drei Sängern darzubieten.

Farbig und nun mit bestens strömendem italienischen Sound wusste das Orchester die Partitur umzusetzen. Carulli war in seinem Element und achtete auch auf viele Details und das Ausfüllen der Spannungsbögen. Stephanie Krone (Sopran) gab eine überragende Minnie - bei enormem Gestaltungswillen überzeugten ihre starke Emotionen und die vollkommen sicher und schön geführte Stimme bis zum triumphierenden Finale. Angelo Raciti (Tenor) war für den erkrankten Guido Hackhausen eingesprungen. Zwar war somit das Konzert gerettet, wofür man dem Sänger Dank schuldet, jedoch war er mit der Partie des Johnson stimmlich vollkommen überfordert - der angestemmte Kampf gegen die hohen Noten war alles andere als ein Genuss. Norman D. Patzke hingegen füllte die Rolle des Sheriffs mit seiner großen, flexibel gehandhabten Baritonstimme gut aus.

"Bleiben Sie der Musik und der Kunst treu!" rief Carulli vor einer Überraschungszugabe seinem Publikum zu. Das klang resigniert, wohl auch zornig, sollte aber für das Publikum erst recht ein Aufruf sein, "seinen" Musikern auch durch schwere Zeit zu folgen. Eine schöne Gelegenheit, Carulli und das Landesbühnenorchester erneut vor der Sommerpause zu hören, bietet sich bei einem festlichen Opernkonzert im Juni.


Sa, 2. Juni, 19.30 Uhr, Stammhaus Landesbühnen Sachsen
Opernkonzert zum Verdi- und Wagnerjahr, Ausschnitte aus "Rigoletto", "La Traviata" u. a. / Solisten / Orchester der Landesbühnen Sachsen, Dirigent: GMD Michele Carulli

Begegnung zweier Meisterwerke

Schumann und Brahms mit dem NDR-Sinfonieorchester unter Thomas Hengelbrock

Schön, dass die Dresdner Musikfestspiele alljährlich die Welt nach Dresden holen. Ohne sich allzuweit bewegen zu müssen, erlebt man in drei Wochen, was musikalisch in den Kulturmetropolen geschieht - im Jahreslauf geschieht dies allzu selten. Dabei war das Gastspiel des NDR-Sinfonieorchesters in der Semperoper mehr als eine schöne Geste, schließlich reiste man von der Elbe an die Elbe und Hamburg und Dresden pflegen ja seit 25 Jahren eine aktive Städtepartnerschaft.

Das Orchester konzertierte unter der Leitung seines neuen Chefdirigenten Thomas Hengelbrock, und dieser brachte gleich Hamburgs berühmtesten Sohn mit: Johannes Brahms traf im Konzert auf Robert Schumann, da brauchte es keinerlei Ouvertüre oder Solistendarbietung mehr. Diese Begegnung ist stets eng, intensiv und mit reichlichem Zugewinn zu genießen.

Die 3. Sinfonie Es-Dur, die "Rheinische Sinfonie" des Wahl-Düsseldorfers Schumann, inszenierte Hengelbrock als ausgereiftes Meisterwerk voller Temperament und rauschhafter Ideenentfaltung. Innig, aber dennoch flüssig gerieten die Mittelsätze; der vierte Satz wurde nicht als Weltuntergang betrachtet, sondern demonstrierte mit schönen gedeckten Farben ein Innehalten vor dem sprühenden Finale. Hengelbrocks ungemein flexibles und aktives Dirigat zauberte einen exorbitanten Farbreichtum im Zusammenspiel, aber auch im Einzelton jeder Orchestergruppe hervor. Man ist sich der Aufführungspraxis bewusst - die Streicher zeigten wenig vibrato, aber eine beseelte Legato-Dichte, die Mischung der Bläserstimmen geriet auf die Situation zugeschnitten.

Zu einem weiteren Höhepunkt geriet nach der Pause die Aufführung der 1. Sinfonie c-Moll von Johannes Brahms. Hengelbrock verstand die Sinfonie als einen sinfonischen Befreiungsschlag voller Leidenschaft, die mit bemerkenswerter Agogik in allen Sätzen dargestellt wurde. Überraschend verteilte Hengelbrock die Kontrabässe auf beide Bühnenseiten und erreichte so eine tolle Raumwirkung. Kurz stockte der Atem, als der Dirigent im 4. Satz die suchenden Pizzicati der Streicher allein musizieren ließ. Gehör und Vertrauen sorgten hier aber genau für die passende Zielrichtung.

Mit Sorgfalt für kleine Details, ein wenig offenem Potenzial in wichtigen Pausen und Übergängen, aber auch mit dem Mut zu einem letzte Kräfte bündelnden Vorwärtsdrang im Tutti schuf Hengelbrock eine Interpretation, die das Werk vor dem Ohr neu entstehen ließ. Mit einer Zugabe von Dvořák, dem "slawischen Brahms" bedankte sich das Ensemble für den starken Jubel des Dresdner Publikums.

Mittwoch, 16. Mai 2012

"Ein Meer von Wohllaut"

Schreker, Schönberg, Webern und Mozart im 7. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie

Es muss eine ungemein spannende Zeit im Musikleben des beginnenden 20. Jahrhunderts gewesen sein - dessen können wir uns nicht nur anhand unzähliger Dokumente vergewissern, wir sind auch in der Lage, uns die Musik dieser Zeit ausschnittweise ins Bewusstsein zu holen und damit eine ebenso spannende aktuelle Auseinandersetzung zu führen. Für solch erhellende Konzertprogramme ist Lothar Zagrosek als Dirigent zu gewinnen ein Glücksfall, ist er doch aufgrund seiner Erfahrung sowohl in der zeitgenössischen Musik als auch in der Moderne des beginnenden 20. Jahrhunderts in der Lage, diese Verbindungen zu knüpfen.

Dennoch muss man bei einem Konzert dieser Art berücksichtigen, dass immer nur ein winziges Glanzlicht auf einen vielfarbigen, dynamischen Kosmos von Musik geworfen werden kann, in der ganze Philosophien und Strömungen der Zeit entstanden und wieder verworfen wurden. Im 7. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie kamen Franz Schreker, Anton Webern und Arnold Schönberg zu Gehör, mit Ausnahme von Weberns Orchesterstück handelte es sich um Ausschnitte aus größeren Werken, die der spätromantisch-nachwagnerischen Ästhetik verpflichtet waren. Ob die pure Ansetzung der Komponisten Schönberg und Webern in einem Atemzug für die lichten Reihen am Sonntagabend im Kulturpalast sorgte, wird nicht aufzuklären sein - es wäre aber ein tragisches Resultat angesichts der hochspannenden Musik.

Merkwürdig erscheint, dass Weberns Idylle "Im Sommerwind" als ein vom Komponisten zurückgezogenes Werk heute dennoch den Weg in die Konzertsäle gefunden hat. In opulenter Besetzung startete das Orchester aber zunächst mit dem Vorspiel zur Oper "Die Gezeichneten" von Franz Schreker, dessen zauberhafte Klangfarben unter Zagroseks Leitung gut ausgeformt wurden. Gegen dieses "Meer von Wohllaut", so Schreker über seine Musik, kam der wohl aus Bewunderung für Gustav Mahler entstandene "Sommerwind" von Webern schwerlich an. Die offenkundigen Schwächen dieses illustrativen Werkes wogen in der Nachbarschaft schwer, trotzdem setzte sich Zagrosek für viele Details des Werkes ein.

Anders wirkte Schönbergs "Lied von der Waldtaube" aus den "Gurreliedern" - hier war man mitten in der märchenhaft-dramatischen Geschichte von Jens Peter Jacobsen gelandet und bewunderte, wie die schwedische Mezzosopranistin Katarina Karnéus sich gegen das große, wogende Orchester durchsetzte und mit klarer Deklamation und erdigem Klangtimbre eine kostbare Stimmung schuf. Nach dieser Demonstration der "Neutöner" und "Postwagnerianer" gab es mit der Pause einen scharfen Schnitt.

Und doch war der Griff zu Wolfgang Amadeus Mozarts Salzburger Sinfonie G-Dur KV 199 sinnfällig, war doch hier auch ein junger "Neutöner" mit genialen kleinen Handgriffen am Werk, das zeigte das harmonisch geschärfte Andantino in besonderer Weise. Zagrosek demonstrierte mit den äußerst differenziert aufspielenden Philharmonikern besten kammermusikalischen Geist und Frische - das Konzert klang so nach einem volltönenden Beginn leicht und elegant aus.

Montag, 14. Mai 2012

Neue Haltestelle

Auf der Lößnitzstraße, kurz vor der Ecke zum Dammweg unter den Eisenbahnbrücken gibt es bald eine neue Haltestelle der DVB AG. Wie auf dem Schild zu lesen ist, werden dann die Linie 81 aus Wilschdorf und die VVO-Linien aus Großenhain und Moritzburg hier auf dem stadteinwärtigen Weg stoppen. Damit entsteht eine gute Verbindung zur Haltestelle Louisenstr. der Bahnlinien 7 & 8. Für den stadtauswärtigen Verkehr gibt es die Haltestelle "Dammweg" allerdings nicht, da die Busse vom Bahnhof Neustadt aus direkt die Großenhainer Straße ansteuern.

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