Rezensionen

Donnerstag, 5. Mai 2011

Übungen im Flächenbrand

Johannes Maria Staud stellt sich als Capell-Compositeur vor

Der aktuelle Capell-Compositeur der Sächsischen Staatskapelle ist der österreichische Komponist Johannes Maria Staud (geb. 1974), dessen Orchesterwerk "Tondo" im nächsten Sinfoniekonzert am 1. Mai uraufgeführt wird. Staud unterhielt sich mit Alexander Keuk über seine neuen Werke, die er in Dresden vorstellt.

Wie fühlt man sich als Capell-Compositeur der Sächsischen Staatskapelle?
Der Ruf kam ja schon vor einigen Jahren, noch zu Luisis Zeiten und ich bin sehr glücklich darüber, denn bei dieser Residenz hat man als Komponist die Chance sich in verschiedenen Besetzungen zu artikulieren. Man ist nicht ausschließlich mit Neue-Musik-Spezialisten konfrontiert, sondern mit Musikern, die eine eigene Klang-Geschichte mitbringen.

Wie haben Sie sich dem Orchester und dem Kompositionsauftrag genähert?
Ich habe mehrere Konzerte der Staatskapelle auf Gastspielen in Wien gehört. Mich interessierte dieser spezielle, runde, sehr balancierte Klang des Orchesters, insbesondere für das Repertoire der deutschen Romantik. Dabei bleibt es aber nicht stehen, und der "Capell-Compositeur" beweist, dass man hier nach vorne schaut, es ist lebendige Musikgeschichte, die eben nicht museal ist. Es ist also eine absolute Freude für mich, für dieses Orchester zu komponieren.

Schreiben heutige Komponisten noch gerne für den Apparat „Orchester“?
Das Komponieren für Orchester beschäftigt mich schon seit sehr langer Zeit und es ist und bleibt interessant für mich. Es ist ein Klischee, dass man heute sagt, für Orchester schreiben ist anachronistisch. Egal was ich als Komponist mache, ich stehe immer in einer Tradition. Für die Staatskapelle zu schreiben, heißt für einen Klangkörper schreiben, der auf einem unglaublich hohen Perfektionsgrad agiert und viele individuelle Stärken mitbringt.

Denkt man da auch an sein Publikum?
Ich denke nicht an das Publikum, ich denke an die Musik, die ich schreiben will und muss. "Das Publikum" existiert ja so gar nicht, das ist eine Vielzahl von Individuen mit unterschiedlichen Geschmäckern.

Gab es eine Grundidee für „Tondo“, ihr neues Orchesterwerk?
Die Grundidee war ein "warmer Klang", den es auch so in Dresden gibt: Hörner, Klarinetten, hohe Celli - vielleicht stand da die eher lichte, positive Frühromantik ein wenig Pate - Weber wäre ein gutes Beispiel, Mendelssohn wäre ebenfalls ein Beispiel dieser kultivierten Romantik - ich habe dann mein Stück um einen Hörnerklang gruppiert, sozusagen um diese Mitte herumgeschrieben. Außerdem ist die Form ebenfalls rund: "Tondo" heißt rund, das Stück ist kreisrund und es ist so komponiert, dass es entweder endet oder dass es von vorne beginnt - man spielt, so lange es einen freut.

Wie fließen diese Bezüge zur Romantik in ihr Stück ein?
Nein, das muss dann wieder weg. Diese Musik ist mir natürlich ästhetisch sehr fern. Sie inspiriert mich, und ich höre diese Musik gerne, aber ich zitiere sie nicht, ich bin auch kein Neoklassizist. Interessant finde ich diese Aussage des „deutschen Klangideals“, man vergisst dabei leicht, wie kosmopolitisch ja schon Mozart war - Musik, wenn sie interessant sein will, verkriecht sich nicht in ein völlig banalisiertes Bild von kultureller Tradition, das funktioniert nicht.

Was bringen Sie außerdem Neues nach Dresden mit, es gibt ja an der Hochschule eine ganze Projektwoche mit Ihnen?
Neben "Tondo" gibt es das Monodram, das im Juni uraufgeführt wird, außerdem ein Fagott-Solostück für Joachim Hans, das im Kammerabend vorgestellt wird und mehrere Stücke an der Hochschule. Ich bin glücklich, dass ich für das Monodram den großen Schauspieler Bruno Ganz als Sprecher bekommen habe - das Stück heißt "Riss durch den Tag" mit einem sehr persönlichen Text von Durs Grünbein, es geht um das Leben in den Städten nach den großen Katastrophen, über den Umgang mit der Geschichte, Entmündigung des Bürgers, Flucht in schnelle Vergnügungen, Zerstreuungskultur - Durs legt politisch den Finger in die Wunde, es ist keine Oper, eher ein Zwitterwesen, ein Monolog mit Musik.

Erfindet sich der Komponist Staud mit jedem Stück neu?
Ja, man hat natürlich seinen Stil, ich schreibe Kammermusik nicht anders als für Orchester und ich will ich mich auch nicht wiederholen. Das Fagott-Solostück - das ist eine Tour de Force, ich gehe da bewusst an Grenzen, erforsche die Virtuosität des Fagottes - Joachim Hans stürzt sich mit Feuereifer hinein. "Celluloid", der Titel des Stückes hat eine stoffliche Komponente, ich denke da sofort an eine alte Filmrolle, das Fagott ist kein "Digitalfilm" in diesem Sinn. Celluloid brennt auch sehr gut - und vielleicht ist mein Stück eine kleine Übung im Flächenbrand....

Kann man Komponieren lernen? Oder was lernt man da heutzutage im Meer der vielen künstlerischen Handschriften?
Was man erlernen kann, und das ist nicht zu unterschätzen und auch wieder eine ganz aktuelle, wichtige Sache, das ist das Handwerk. Die Wiederentdeckung eines gut gemachten Dinges, das kann man erlernen. Handwerk einsetzen, um neue Klänge für sich authentisch zu schreiben, Handwerk nicht als Ballast, sondern damit etwas neues zu machen. Ein Instrument wurde ja ursprünglich auch gebaut um schön zu klingen, aber damit hört es ja nicht auf, die Spieltechniken wurden ja ständig erweitert - gerade das Fagott wurde ja noch einmal im 20. Jahrhundert richtig modernisiert, so bleibt das lebendig.

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Konzerte mit Johannes Maria Staud
siehe auch https://www.staatskapelle-dresden.de/konzertsaison/capell-compositeur/

10. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle
"Tondo", Preludio für Orchester (UA), Dirigent Christoph Eschenbach
1.5.11, 11 Uhr / 2.5.11 20 Uhr / 3.5.11 20 Uhr

Hochschule für Musik
4.5.11 Symposium 15-18 Uhr, Porträtkonzert 19.30 Uhr

Konzert in der Gläsernen Manufaktur
"Riss durch den Tag" - Monodram (UA)
Bruno Ganz, Sprecher / Asher Fisch, Dirigent
4.6.11, 20 Uhr / 5.6.11, 11 Uhr

8. Kammerabend der Staatskapelle
"Celluloid" für Fagott Solo
7.6.11, 20 Uhr

Ideal des schönen Klanges

Mozart und Bruckner im philharmonischen Zykluskonzert mit Karl-Heinz Steffens

Man möchte meinen, das Klarinettenkonzert A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart ist hinlänglich bekannt und als Klassik-Highlight ohnehin ständig zu hören, doch auf Dresdner Konzertpodien war es länger nicht präsent. So hatten die Zuhörer der Philharmonie einmal Gelegenheit, es wieder frisch in die Ohren zu bekommen. Der ehemalige Klarinettist der Berliner Philharmoniker Karl-Heinz Steffens, der seit 2007 eine enorme Karriere als Dirigent gemacht hat, war sowohl Solist als auch Leiter der Aufführung im 8. Zykluskonzert und brachte seine Erfahrung in die Interpretation ein.

Steffens Grundkonzept ließ das Mozart-Konzert weich und nobel erscheinen. Allerdings war dieser Ansatz durch alle drei Sätze so konsequent durchgeführt, dass dies an vielen Stellen eher zu einem Eindruck von nicht genutztem Potenzial an Farbmöglichkeiten und Konturen führte. Steffens selbst spielte den Solopart immer mit ruhiger Ausgestaltung und feinen Nuancen in den leisen Registern des Instrumentes. Im 1. Satz brauchten die Philharmoniker einige Zeit, um zu gemeinsamer Ausführung zu kommen, was möglicherweise gegen die These spricht, dass Solist und Dirigent alle Aufgaben in einer Person genügend abdecken können. Das Adagio hingegen hatte kein definiertes Tempo und war einem "molto largo" oft gefährlich nahe. Die Ästhetik der Zurücknahme dominierte auch den 3. Satz, ein zupackendes Tutti fehlte sogar dem Schluss.

Vielleicht hatte Steffens die Gegenüberstellung mit der 4. Sinfonie Es-Dur, der "Romantischen" von Anton Bruckner auch derart mit Bedacht gewählt, weil dem streng verfolgten Ideal eines mozartschen Schönklangs nun im Kontrast eine wahre Farbexplosion der Instrumente folgte. Steffens' Zugang zu dieser Sinfonie überraschte in mehrfacher Hinsicht und führte zu großem Jubel des Publikums. Der Dirigent gab sich weder der Aufführungspraxis des hingebungsvollen Gottesdienstes hin, noch fabulierte er in die Vierte seelische Abgründe hinein, die dort nicht hingehören. Stattdessen hatte die Aufführung eine fast unerhörte Selbstverständlichkeit der Musikalität, was sich in einem flüssigen, niemals übersteigerten Grundpuls äußerte und zu freiem, dennoch intensiv von Steffens gefördertem Spiel der Gruppen und Soli führte.

Exemplarisch sind die solistischen Melodieentfaltungen des 2. Satzes zu nennen, zudem ein vortreffliches 1. Horn und ein absolut runder Blech-Satz mit nötiger Kraft, die aber transparent und rhythmisch gut im Gesamtklang eingebettet war. Die Inszenierung dieser Sinfonie als fast frühlingshaft positives Stück mit all ihrer Stärke im Auskosten von Entwicklung, Steigerung und absoluter Ruhe im 2. Satz war völlig überzeugend und fand im Finale einen majestätisch strahlenden Abschluss.

Montag, 25. April 2011

Passionsmusik mit Pettersson und Liszt

“Vox Humana” und “Via Crucis” im Konzert der Sing-Akademie zu Berlin

Außergewöhnlich bewegend geriet das Passionskonzert am Karfreitag in der vollbesetzten Gethsemane-Kirche in Berlin-Prenzlauer Berg durch die Auswahl der musikalischen Werke – keine der großen bekannten Passionsmusiken erklang, die Sing-Akademie zu Berlin unter Leitung von Kai-Uwe Jirka widmete sich stattdessen zwei Jubilaren des Jahres 2011: Franz Liszt und Allan Pettersson. Während man dem durch seine Klavierkompositionen im Konzertleben verankerten Liszt Raum für seine kaum bekannte späte, geistliche Vokalmusik gab, ist der Schwede Allan Pettersson (1911-1980) in unserer Konzertlandschaft völlig unterrepräsentiert – und das bei einem gewaltigen sinfonischen Werk, das er der Nachwelt hinterließ – die letzte deutsche Komplett-Aufführung der “Vox Humana”-Kantate datiert aus dem Jahr 1995 und es gibt eine einzige Plattenaufnahme, die kurz nach der Uraufführung entstand.

Die genaue Kenntnis des OEuvres dieser beiden Komponisten ließ wohl die Idee aufkommen, Liszt und Pettersson zu kombinieren. Jirka formte das Konzert als Kreuzweg in 14 Stationen und ließ sogar die einzelnen Werkteile beider Komponisten aufeinander prallen. Das Konzept ging vor allem deswegen auf, weil die verinnerlichte, manchmal kryptische Sichtweise von Liszt auf eine hochemotionale, offen die nackte, oft erbarmungslose Welt zeichnende Musik von Pettersson traf. Zudem konnte sich Jirka so im Liszt-Werk vor Längen bewahren, bei Pettersson hatte die Entscheidung zur Einbettung in ein Passionskonzert weitaus heftigere Folgen: Oft wurde dessen kompositorisches Werk als seine eigene Passion bezeichnet und das Bild vom leidenden Künstler bemüht. Jirka und auch der gute Programmhefttext gingen dieser unzureichenden Darstellung nicht nach, stattdessen wurden die Vertonungen der Kantate “Vox Humana”, die Pettersson 1974 nach seiner ebenfalls chorsinfonischen 12. Sinfonie schrieb, in den christlichen Passions-Kontext integriert.

Die Texte lateinamerikanischer Dichter und aus Inka-Gesängen erhielten so eine tiefere Bedeutung, wirkten fast wie ein zeitgenössischer Spiegel der Christus-Geschichte. Pettersson selbst hatte übrigens vorgesehen, dass die insgesamt 18 Teile der Kantate auch nichtzyklisch aufgeführt werden können – umrahmt von Liszt wirkten sie als geschlossene Bildwelten – Leif Aare beschrieb sie schon 1976 als “vokalmusikalisches Fresco”.

Der Sing-Akademie zu Berlin, vereint mit dem Staats- und Domchor kam die umfangreiche Aufgabe zu, die musikalischen Welten adäquat darzustellen und das gelang vortrefflich, mit wacher Konzentration und Durchdringung der Partituren. Rhythmischen Ausdruck wie in “Lynch” oder ungewohnte harmonische Fortgänge wie in “Der Unbussfertige” meisterte der Chor mühelos. Die Symphonische Compagney lieferte im Streichorchester nicht nur Orientierung, sondern bot starke eigene Farben dieser Musik an. Einige Pettersson-Stücke wurden vor der Aufführung auf deutsch rezitiert, dies vertiefte das Verständnis; Altistin Hilke Andersen überzeugte in den Solostücken mit flexiblem Ausdruck.

Im Kontrast zu dieser zeitgenössischen Sicht standen die Liszt-Stücke aus “Via Crucis”, dem “Tristis Anima Mea” und dem abschließenden “Stabat Mater”. Während die Kreuzweg-Stücke mit Orgelbegleitung fast meditativen Charakter zeigten (mit dem Gerhardt-Choral “O Haupt voll Blut und Wunden im Mittelpunkt), war die Wahl des “Stabat Mater” das einzige Wagnis des Konzertes, denn das fast vierzigminütige Stück am Ende des Konzertes verwischte ein den Kontrastreichtum des bereits Gehörten und konnte auch im Zusammenspiel zwischen Harmonium und Solisten – hier dazu Julia Giebel (Sopran), Ferdinand von Bothmer (Tenor) und Nikolay Borchev (Bariton) – nicht immer überzeugen. Der Chor konnte hier noch einmal ein großes romantisches Klangbild anlegen.

Dieses Passionskonzert war mutig, erzeugte großen Beifall vom Publikum und regte zum Nachdenken an, zudem wurde eine der wenigen Jubiläums-Aufführungen eines Werkes von Allan Pettersson in Deutschland überhaupt realisiert, dafür darf man gratulieren.

Unvergessen

Sächsische Staatskapelle erinnert an Giuseppe Sinopoli

Gedenken und Erinnern muss nicht immer zwingend mit Trauer und Bedrücktheit einhergehen - Erinnerung hält einen verstorbenen Menschen lebendig und man umgibt sich gerne mit dem, was ihn ausgemacht hat. Einig waren sich alle Beteiligten und die Sächsische Staatskapelle Dresden als Veranstalter des Benefizkonzertes zum 10. Todestag von Giuseppe Sinopoli, das am Gründonnerstag in der Lukaskirche stattfand, in dem Willen, eben diese Lebendigkeit der künstlerischen Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Wort und Musik füllten dieses - von MDR Figaro live übertragene - Gedenkkonzert an den großen, am 20. April 2001 während einer Aida-Aufführung in Berlin verstorbenen Maestro und Chefdirigenten der Sächsischen Staatskapelle auf eine würdige Weise.

Sinopolis Familie und zahlreiche Weggefährten vor allem aus der Dresdner Zeit wohnten dem Konzert bei, dessen Erlös der nunmehr in "Giuseppe-Sinopoli-Akademie" umbenannten Orchesterakademie der Staatskapelle zugute kommt, die 1993 auf Initiative Sinopolis gegründet wurde und praxisnah hervorragende Nachwuchsmusiker im Orchester ausbildet. Der künftige Chefdirigent der Staatskapelle, Christian Thielemann übernahm die Leitung dieses Erinnerungskonzertes; er selbst arbeitete schon 1980 an der Deutschen Oper Berlin mit Sinopoli bei dessem umjubeltem Debut mit Verdis "Macbeth" zusammen.

Orchesterdirektor Jan Nast und Kapellmusiker Frank Other berichteten über den umfassend gebildeten, mehrere Wissenschaften parallel studierenden Künstler. Ihre Worte umrahmten die Aufführung der "Klangfarben" für Streichquintett des Komponisten Sinopoli: vier ausdrucksstarke Miniaturen fundamentiert auf strenger struktureller Basis. Eine Ansprache des ehemaligen Klassik-Chefs der Deutschen Grammophon Ewald Markl rückte vor allem Sinopolis umfangreiche Tonträger-Produktionen in den Fokus, zumal man sich in der Lukaskirche - seit den 60er-Jahren Studio unzähliger DDR-Klassikschallplattenaufnahmen - an dem Ort befand, wo Sinopoli 1987 bei einer Aufnahme der 4. Sinfonie von Anton Bruckner erstmals mit der Kapelle zusammenarbeitete. Leider verlor sich Markl in wortreichen Beschreibungen der Produktionen und ließ zudem Feinfühligkeit in seinem kaum den Dirigenten treffend würdigenden Beitrag vermissen.

Christian Thielemann folgte dann aber mit einer musikalischen Glanzleistung. Zwar kann man die Streicher der Kapelle nachts anrufen und sich die "Metamorphosen" von Richard Strauss vorsingen lassen, so sehr haben sie nach vielen Aufführungen gerade auch unter Sinopolis Leitung dieses Werk verinnerlicht. Doch die Kunst besteht aus dem Miteinander der 23 Solostreicher und Thielemann schaffte es kongenial, Führung und Freiheit in seinem Dirigat zu einem unaufhörlichen Spannungsfluß der Musik zu verbinden - Trauer war nicht das Motto dieser Interpretation, sondern eine konstruktive, fast positiv schimmernde Art von Wandlung. So waren die Themen hier auch nicht als filmmusikalische Seufzer geformt, sondern als Mittel zum Zweck einer höheren musikalischen Ebene, die viel weiter ging.

Einen fast ähnlichen Ansatz wählte Thielemann auch für Robert Schumanns 1. Sinfonie B-Dur, der "Frühlingssinfonie", das letzte Werk, das Sinopoli in einem Kapellkonzert dirigierte. Thielemann arbeitete starke Kontraste in dem oft als romantischem Schmuckstück unterschätzten Stück heraus und brillierte mit einem fast verhalten genommenen Scherzo und einer rasanten Stretta im Finale. Am Ende vereinten sich in diesem Konzert auf wundersame Weise Erinnerung, Gegenwart und Zukunft in der Musik - dem Philosophen Sinopoli hätte diese Einheit der fließenden Zeit gefallen - er bleibt unvergessen.

Montag, 18. April 2011

CD-Tipp April: Poulenc-Lieder

Hier sind endlich die Tipps für den April, meine persönliche CD des Monats ist diese hier:

...und das nicht nur, weil Felicity Lott darauf einige Lieder singt. Auch Lorna Anderson und Christopher Maltman legen alles Können in diese kleinen Liedjuwelen, die mal als echter Chanson mit Leichtigkeit herüberkommen, dann wieder balladesk und melancholisch klingen - typisch französisch, typisch Poulenc. Und vor allem klingen die Lieder hier einmal adäquat interpretiert, weder wird hier die Opernkeule ausgepackt, noch wird zu wenig gestaltet - schöne Entdeckung!

Weitere durchgehörte CDs mit Top oder Flop:
* nach Gods, Kings und Demons nun schlicht "Wagner" - klar, dass René Pape sich "seinem" Meister widmet. Und schön auch, dass diese Platte nirgends nach hoppla-schnell-noch-ein-Arien-Album klingt, sondern nach Konzept und hochwertiger musikalischer Arbeit.
* für Wiederentdecker: Fricsay dirigiert Bartók - überflüssig etwas dazu zu schreiben, die opulente 3-CD-Box bietet spannende Musikgeschichte - insbesondere, wenn man andere Aufnahmen der bekannteren Stücke kennt - was bei den "Zauberhirschen" allerdings schwierig werden dürfte...
* Kammermusik von Allan Pettersson ist bei MDG erschienen. Man dürfte erwarten, dass ich das aufgrund meiner großen Verehrung für den Komponisten rückhaltlos empfehle, aber natürlich bin ich auch hier kritisch und sage: Das ist eine tolle Platte. Und zwar, weil das Leipziger Streichquartett und Yamei Yu ganz vorbehaltlos an die Partituren gehen, dabei manches für sich entdecken und auskosten und mit ihrer energiereichen Interpretation den Rang des Komponisten bestätigen. Im Jubiläumsjahr von Allan Pettersson also nun endlich die erste Neuerscheinung, wenngleich nicht mit Sinfonik. Aber hier spricht eine wichtige musikalische Stimme des 20. Jahrhunderts....
* für die Kaffeestunde zu Ostern: Julia Fischers "Poeme", einfach entspannende, gut gespielte Geigenstücke von Chausson, Vaughan Williams u. a. - dazu ist dies wohl eine der letzten Produktionen des jüngst verstorbenen Yakov Kreizberg.
* Und noch ein Ausflug ins Alternative-Genre (wenns das überhaupt gibt - aber Amazon braucht ja ne Kategorie, man hätte sie auch "coole Musik" nennen können...): aus Kanada kommen immer mal wieder spannende Dinge wie etwa das Bell Orchestre, jetzt darf ich auf Olivier Alary hinweisen, der unter dem Namen Ensemble eine Platte namens "Excerpts" veröffentlicht hat. Ich verrate nicht zuviel, aber wer die etwas flächigen, orchestralen und auch manchmal klangexperimentellen Bands mag, ist hier gut aufgehoben. Reinhören!

Sonntag, 17. April 2011

Zu viele Unstimmigkeiten

Global Ear präsentiert zeitgenössisches Musikprojekt in Hellerau

Den Hintergrund des Konzertes mit zeitgenössischer Musik namens "Blick durch das Teleskop", das am Sonntagabend im Festspielhaus Hellerau stattfand, zu erklären, fällt einigermaßen komplex aus: "temp‘óra" nennt sich ein neues europäisches Begegnungs- und Austauschforum für zeitgenössische Musik mit Sitz in Bordeaux. Eines der ausgeschriebenen Projekte war ein länderübergreifendes Konzert mit drei Ensembles zeitgenössischer Musik, das quasi als "Mini-Festival" derzeit in mehreren Städten tourt und dabei an jeweils einen Komponisten pro Ensemble ein Auftragswerk vergibt. In Hellerau machte das Projekt nun als Teil der etablierten Konzertreihe "Global Ear" Station.

Abgesehen von der an sich schönen Tatsache, dass man von drei Ensembles aus Frankreich, Spanien und Deutschland Musik von gleich acht Komponisten zu hören bekam, konnte dieses Projektkonzert allerdings kaum überzeugen. Von gutmeinenden Fördermittelgebern in die Welt gesetzt, erzeugte das Projekt zwar neue Werke und Interpretationen, aber darüberhinaus will sich kein tieferer Sinn erschließen, denn die beteiligten Ensembles demonstrierten ebensowenig einen Austausch, wie die Werke in irgendeiner Weise zusammengehörig waren oder einen thematischen Faden aufwiesen - sie hätten auch für jedes andere Konzert entstehen können.

Wenn dann noch das eingekürzte (!), dennoch auch für geübte Hörer sehr anstrengende Programm über zwei Stunden dauert, sich dabei bedauernswerte zwei Dutzend Zuhörer im Festspielhaus verlieren, die Interpretationen nicht schlüssig sind und bei den Komponisten teilweise Anspruch, Können und Wirkung auseinanderklaffen, darf man von einem gescheiterten Projekt reden. Ein einziges Werk, nämlich "3100 Gramm" des Dresdner Komponisten Carsten Hennig, wurde etwas intensiver vorgestellt, bei allen anderen grub man sich durch wenig erhellende Programmhefttexte. Man wunderte sich, denn gerade die Reihe "Global Ear" hat in den letzten Jahren vorgemacht, dass zeitgenössische Musik in stimmigen Programme und mit kluger Darbietung durchaus salonfähig ist - dies war aber ein Rückfall, der die Zuhörer ratlos zurückließ. Die Musiker der drei renommierten Ensembles "unitedberlin" (Berlin), "Proxima Centauri" (Bordeaux) und "Nuevo Ensamble" (Badajoz) waren engagiert dabei, lediglich das französische Ensemble konnte mit einer undifferenzierten Spielhaltung nicht überzeugen.

Positiv heraus stachen Werke von Elena Mendoza, bei deren "Nebelsplittern" Form und Material konzentriert und spannungsvoll eingesetzt war, und Samir Odeh-Tamimis "Shattila", das einen extremen Ausdruck so sehr in den Vordergrund platzierte, dass man allein von der plötzlichen Deutlichkeit des Stückes im Kontext des Konzertes angenehm schockiert war. Andere arbeiteten da mit antiquierteren Konzeptionen und Materialien, die man so oder ähnlich schon oft gehört hat, auch der Einsatz der Elektronik in den französischen Beiträgen schien fast modisch bedingt - eine Bereicherung jenseits der Phonstärke war hier nicht festzustellen. Insgesamt war dies qualitativ zu wenig und davon in der Summe leider zu viel.

Konfrontation mit der Schönheit

Daniel Hope begeistert in der Frauenkirche

Vorneweg: es war ein ordentliches Konzert, alle haben sich bemüht, das Optimum herauszuholen und das zahlreich erschienene Publikum mit Musik zu erfreuen. Doch die Hochglanz-Klassik auf dem Neumarkt kann nicht immer befriedigen - der Kirche und ihrer optischen wie akustischen Gegebenheiten tut man nichts Gutes, wenn immer neue Highlights der Klassik eingepflanzt werden, frei nach dem Motto "Brahms geht immer". Dann ist da das Gastensemble, hier das Orchestre National de Belgique, das sich zu seinem Tourneeauftakt deutlich bemüht, der Akustik gerecht zu werden und dabei doch genau weiß, dass eine Brahms-Sinfonie in diesem Raum nur ein Kompromiss sein kann.

Und da ist eine Programmdramaturgie, die nicht verhindern kann, dass die zu Beginn dargebotene Ouvertüre zu Mendelssohn Bartholdys Oratorium "Paulus" ohne das Oratorium selbst nur wie ein herausgerissenes Bruchstück wirkt. Vermutlich interessierte sich auch kaum jemand im Publikum für die Interpretation der Ouvertüre - man war zum allgemeinen Goutieren von Daniel Hope erschienen. Der britische "Stargeiger" (was ist das überhaupt, ein Stargeiger?) enttäuschte Erwartungen höchstens dann, wenn man mit genau diesem Attribut nun eine Klassik-Show erwartet hätte.

Hope ist gottlob stets auf dem Teppich der Musik geblieben, er braucht weder E-Geigen noch Egotrips und widmete sich stattdessen dem hinlänglich bekannten Violinkonzert von Max Bruch in einer Art und Weise, als sei dies ein jüngst wiedergefundenes Schmuckstück vergessener Tage: da blühten plötzlich silbrige Töne auf, deren Entschwinden im Raum man unbedingt nachhören will. Dann wieder kontrastierte Hope mit einer Virtuosität, die vollkommen bewusst entwickelt, geerdet war und so eine Aussagekraft jenseits der Oberfläche schuf. Obwohl er selbst während der Aufführung etwas mit der Stimmung der Geige haderte und hochkonzentriert um jede Phase rang, gelang es ihm, neue Qualitäten von Schönheit in diesem romantischen Konzert zu definieren - nicht Entschlackung ist seine Devise, sondern Konfrontation. Walter Weller und das belgische Orchester begleiteten Hope sensibel, im Tutti durchaus auch massiv und temperamentvoll.

Als besondere Perle erwies sich Daniel Hopes Zugabe: mit Johann Paul von Westhoffs "Imitazione delle Campane" holte er einen kaum bekannten Dresdner Komponisten der Bach-Zeit quasi zurück in seine Stadt und bot dem originellen Stück in der Frauenkirche Raum zur Entfaltung. Die 2. Sinfonie D-Dur von Johannes Brahms nahm dann mit flüssigen Tempi Fahrt auf und das belgische Orchester zeigte eine gute Spielkultur mit weichen Klangfarben und konzentriertem Miteinander. Eine wirkliche Tiefe der Interpretation wurde nicht erreicht; Weller beschränkte sich auf wenige Gesten der Unterstützung, wissend, dass sein Orchester vor allem in der solistischen Melodiegestaltung Stärken aufweist. Der lärmenden Zugaben hätte es kaum mehr bedurft, das Publikum war zufrieden.

Abenteuerliche Entdeckungen

Martin, Milhaud und Haydn im 2. Aufführungsabend der Staatskapelle

Der 2. Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle bot - wie eigentlich immer in dieser Reihe - einige Entdeckungen am Rande des großen sinfonischen Repertoires. Zwar waren alle Komponisten des Abends bekannt, aber hat etwa jemand auf Anhieb die Themen der 86. Sinfonie von Joseph Haydn parat? Vielleicht haben wir sie auch schon einmal gehört, doch das Wiederentdecken in einer neuen, frischen Interpretation ist die eigentliche Freude beim Zuhören und diese wird durch die Aufführungsabende stets garantiert.

Für den erkrankten Mikhel Kütson sprang am Dirigentenpult die Britin Julia Jones ein, die vor wenigen Tagen erst ihr Debüt in der Semperoper als musikalische Leiterin der Mozart-Oper "Die Entführung aus dem Serail" gab. Jones, die Chefdirigentin des Teatro Nacional in Lissabon ist, begann mit der "Pavane couleur du temps", einem märcheninspirierten Stück für Streichorchester von Frank Martin. Von dem Schweizer Komponisten allerdings ist man weitaus tiefgehendere Musik gewöhnt und so blieb dieses achtminütige Frühwerk lediglich als kurze, überzeugende Demonstration des feinnervigen Streicherklangs der Kapelle in Erinnerung.

Ganz anders liegt der Fall bei Darius Milhaud. Ist der Franzose, der über 400 Kompositionen schuf, in einem Konzert programmiert, so läßt man sich meist auf ein Hörabenteuer ein. Zum einen deswegen, weil außer wenigen populären Werken kaum etwas aus seinem OEuvre den Weg ins Repertoire gefunden hat, zum anderen, da Milhaud zwischen Klassizismus, Jazz und Zwölftonmusik so ziemlich alle Stilistiken beherrschte und lustvoll verwendete. Das 2. Violinkonzert, Opus 263 ist genau so ein Abenteuerstück, dessen erster Satz sich sogleich nicht entscheiden kann, ob er in der Düsternis des Beginns verharren soll oder einem tänzerisch dumpfen Metrum nachgehen soll. Jörg Faßmann, Konzertmeister der 2. Violinen der Staatskapelle, war der Solist des Werkes, und er arbeitete deutlich heraus, dass dieses Konzert keinesfalls ein klassisches Dialogkonzertieren beinhaltet, eher stehen sich hier Innen- und Außenwelten schroff gegenüber: Faßmann ist das Singen und der große Bogen vorbehalten, während sich das Orchester im 2. Satz zwischen Broadway und Dissonanzmotivik bewegt, im 3. Satz sogar ganz auf verquere Rhythmik versteigt. Die Interpretation war famos und Faßmann behielt auch im virtuosen 3. Satz ruhige Übersicht und klare, ausgefeilte Klangformung bei.

Julia Jones, die hier schon für dezidierte Äußerungen im Orchester gesorgt hatte, sorgte dann für eine große Kammermusik in der Haydn-Sinfonie. Hier gelang ihr das Kunststück, eine forsch-vorwärtsdrängende Grundhaltung und eine immer wieder sensibel in die Details leuchtende Ausformung zu verbinden; der frei parlierende 2. Satz geriet gar zu einem besonderen Schmuckstück. Haydns unerschöpflicher Ideenreichtum wurde hier mit Spielwitz unterhaltsam und transparent musiziert - Jones erhielt dafür starken Applaus.

Freitag, 8. April 2011

Höchst empfindsam

7. Kammerabend mit Gästen aus dem Gewandhausorchester

Die acht Kammermusikabende der Sächsischen Staatskapelle sind immer gespickt mit musikalischen Kostbarkeiten. So war es auch im 7. Konzert der Saison, obwohl diesmal kein einziger Kapellmusiker auf der Bühne saß. Der Grund: es ist eine schöne Tradition, dass ein Abend von Gastmusikern aus dem Gewandhausorchester Leipzig gestaltet wird. Dabei soll weniger der Vergleich der beiden Orchester im Vordergrund stehen als vielmehr die Bereicherung durch das Kennenlernen der "Gleichgesinnten" und ihrer Interpretationen. Wer die Kammerabende kennt, weiß, dass hier ohnehin nie sorglos eine Pièce "hingelegt" wird, sondern der eigene Anspruch der Musiker groß ist.

So hatten sich auch die Gewandhausmusiker, die im Streichsextett im Semperbau antraten, ein gewichtiges Programm zurechtgelegt und dies überzeugte sowohl dramaturgisch als auch interpretatorisch. Zunächst gab es eine Entdeckung: Wieso denn hat man kaum von Wilhelm Berger (1861-1911) Kenntnis genommen, Vorgänger von Max Reger als Hofkapellmeister in Meiningen? Dabei geben sich seine Werke höchst kunstvoll auf der Höhe der Zeit. Oft scheint man einen Mahlerschen Ton herauszuhören, blitzt feine Ironie oder harmonisch Verschlungenes auf, Fugati waren ohnehin à la mode. Kaum aber wiederholt sich Berger, die Themeneinfälle sind hervorragend verarbeitet und niemals flach. Solches zu merken war natürlich das Verdienst der guten Interpretation durch das Quintett des Gewandhauses, das sich gleich homogen zusammenfand und mit überlegter, klangintensiver Formung gefiel.

Die Pause war in diesem Konzert auch eine dramaturgische Zäsur, denn wo Berger noch auf Brahms' Pfaden wandelte, entwickelte Alexander von Zemlinsky eine vor allem harmonisch stark erweiterte Musik. Die Affinität zu Dichtern wie Richard Dehmel brachte eine höchst empfindsame, psychologisierende Partitur zu Tage: "Maiblumen blühten überall" für Sopran und Streichsextett ist ein kurzes, aber sehr prägnantes Zeugnis dieser Zeit zwischen romantischer Verklärung, Naturalismus und Vorahnung, das die aus dem Leipziger Opernensemble stammende Sopranistin Viktorija Kaminskaite mit warm strömender Stimme darbot, im Rücken ein starkes Streicherensemble, das stützte, aber durchaus auch eigene Bilderwelten anbot.

Fast schon folgerichtig klang das Konzert mit Arnold Schönbergs Streichsextett "Verklärte Nacht" aus. Die Streicher Andreas Seidel, Karl-Heinrich Niebuhr, Dorothea Hemken, Alice Mura, Christian Giger und Matthias Schreiber verschmolzen intensiv zu einem einzigen Klangkörper mit hervorragender Agogik und atmendem Spiel, das nur im zweiten Teil dynamisch noch feinnerviger vorstellbar war. Ein wunderbar ausgehörter Schluss war der Nachklang dieses Musikerlebnisses, das stimmig die Kammermusikatmosphäre der vorletzten Jahrhundertwende auf hohem Niveau nachzeichnete.

Mittwoch, 6. April 2011

Wilde Worte und großer Ausdruck

Dame Felicity Lott und Sir Neville Marriner gastieren mit der Philharmonie in der Frauenkirche

Von Zeit zu Zeit verlassen die Dresdner Philharmoniker ihre angestammte Konzertstätte im Kulturpalast, um ein paar Meter weiter den Raum der Frauenkirche mit Musik zu erfüllen. Diesmal gaben sich hoch geadelte englische Gäste die Ehre. Am Pult stand kein geringerer als Sir Neville Marriner, unzähligen Musikfreunden bekannt durch sein Wirken über Jahrzehnte beim Orchester "Academy of St. Martin in the Fields". Mittlerweile hat er diese Chefposition aufgegeben, doch ganz von der Musik lassen geht nun einmal nicht, und so dürfen sich die Dresdner glücklich schätzen, den Maestro kurz vor seinem 87. Geburtstag einmal im Konzert erlebt zu haben. Dass er dabei Werke von Ralph Vaughan Williams und Benjamin Britten mitbrachte, war ebenso ein Glücksfall. Vaughan Williams, dessen sinfonisches Werk in deutschen Konzertsälen leider immer noch unterbelichtet ist, schrieb die "Tallis-Fantasie" für doppeltes Streichorchester 1910. Das polyphon verschränkte Stück, das auch damals in einer Kathedrale uraufgeführt wurde, fügte sich ideal in den Kuppelraum der Frauenkirche. Wo es nötig war, gaben die Philharmoniker deutliche Konturierung hinzu und verlegten sich ansonsten auf ein homogenes Legato-Spiel, das sowohl im solistischen Streichquartett als auch für den satten Gesamtklang passte. Marriner unterstützte mit fließenden Tempi und bot statt eines "Starters" im Programm tiefgehenden Genuss.

Dieser wurde anschließend noch deutlich verstärkt: Dame Felicity Lott ist eine der großen Sopranistinnen unserer Zeit; neben ihrer Leidenschaft für Richard Strauss ist es vor allem der Liedgesang, bei der sie die Vielseitigkeit ihrer Stimme einsetzt und zudem manche Perlen der Literatur wiederentdeckt und mit Leben erfüllt. Sie interpretierte den Zyklus "Les Illuminations" von Benjamin Britten auf Texte von Arthur Rimbaud, der trotz wilder Worte und phantasievoller Komposition stark im Ohr bleibt - dafür sorgen griffige Rhythmen und Brittens ausgefeilte Stimmbehandlung, die Lott selbstbewusst und mit feiner Ausgestaltung anging. Deklamierend, im großen Bogen schmelzend oder bedeutungsvoll wispernd - Lott ist immer noch eine großartige Charaktersängerin und bildete mit den ebenfalls hervorragend agierenden Philharmonikern eine Einheit vom starken Beginn an bis zum verinnerlichten "Départ" am Schluss.

Im Schlusswerk wurde schnell klar, wo Marriners Musikerherz verortet ist: frisch und locker musizierte er mit den Philharmonikern Mozarts "Linzer Sinfonie" C-Dur, der man keineswegs die rasante Kompositionsgeschwindigkeit anmerkt, die Mozart auf der Rückreise von Salzburg nach Wien befindlich bei diesem Stück angewendet haben muss. Marriner nahm sich Zeit für die Schönheiten des Werkes ohne den großen Überblick zu verlieren. Vielleicht war der letzte Schliff nicht immer ganz erreicht, wichtiger und schöner war jedoch der besondere musikalische Ausdruckswillen bei allen Musikern zu beobachten, der das ganze Konzert überspannte und zum Erfolg führte.

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