Rezensionen

Freitag, 29. Januar 2010

Same Same but different

Mit Same Same but different ist Buck was ganz Besonderes gelungen. Ich spreche einfach mal die Empfehlung aus. Und wieder mal eine wunderbarer Beweis wie sinnlos Schubladendenken sein kann. Denn die Schublade "ach, ein Buck-Film" löst sich schon in den ersten Szenen in Wohlgefallen auf. Ja, ein Buck-Film, aber Männerpension ist erstens schon 14 Jahre alt und zweitens kann Buck auch ganz anders (17 Jahre her, man glaubt es kaum). Buck kann Roadmovie, Kinderfilm und deutsche Komödie und als Darsteller kennt man ihn ebenfalls. Jetzt ist ihm ein einfühlsames Drama gelungen, das die extremen Randseiten von Realität (da wären wir wohl bei Haneke gelandet) und Fiktion (hallo Hollywood) ausblendet. Dass eine Neon-Reportage bzw. das daraus entstandene Buch den Ursprung dieses Films bildet, zeigt, wie zeitnah und intensiv Buck sich dem Stoff genähert hat. Und doch kennen wir das alles: die Backpacker-Euphorie, die vielfältigen Kulturschocks, der Schlag, der entsteht, wenn diese fremde Welt plötzlich erbarmungslos in die eigene knallt. "Helfersyndrom, hm..?" weiß der gute Freund in Hamburg zu analysieren. Nein, rufen wir, Liebe. Und 2010 hat seinen ersten schönen Film.

* Filmseite
* Rezension WELT
* Die ZEIT berichtet über die Filmpremiere in Kambodscha (lesenswert!)

Dienstag, 26. Januar 2010

Jugendlicher Charme

Martin Helmchen und Krzysztof Urbanski im Zykluskonzert der Philharmonie

Zwar ist es bedauerlich, wenn ein Dirigent ein Konzert absagen muss, doch wenn noch zeitlicher Spielraum bleibt, kann meist ein adäquater Ersatz gefunden werden. Und nur selten beschränkt sich der Berufene dann darauf, lediglich das Konzert zu retten: mit Einspringe-Einsätzen begannen schon musikalische Weltkarrieren. Im idealen Fall lernt das Publikum auf diese Weise ein neues Talent kennen und die musikalischen Horizonte werden erweitert. So war es auch erfreulicherweise im 4. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie. Für Yakov Kreizberg konnte der junge polnische Dirigent Krzysztof Urbanski gewonnen werden, der auch gleich das sinfonische Programm änderte. Der 28jährige, der als Assistent von Antoni Wit in Warschau arbeitet und nach mehreren Auszeichnungen bereits die großen Orchesters in Europa leitet (letzte Woche erst gastierte er beim NDR Sinfonieorchester), stellte zunächst ein Werk von Wojciech Kilar vor, dessen "Orawa" vor nicht allzulanger Zeit bei der Philharmonie erklang. Der polnische Avantgardekomponist, der vielen vor allem durch seine Filmmusiken für Coppola, Polanski und Campion bekannt sein dürfte, schrieb seine Orchestermusik "Krzesany" - "Bergsteigen" 1974 und fernab von der Melancholie Goreckis oder den zeitgeschichtlich motivierten Werken Pendereckis zelebriert Kilar hier entfesselten und unverhohlen folkloristischen Orchesterklang, der direkt anspricht und so auch Hörer erreicht, die mit komplizierten Texturen neuer Musik eher Schwierigkeiten haben. Dennoch ist Kilars Tonsprache geschärft und ist vor allem in rhyhtmischen Überlagerungen raffiniert. Urbanski zeigte - auswendig musizierend - ein präzises Dirigat und hielt das Tempo zu Beginn gut fest, so entwickelte sich bereits in den anfänglichen Streicherflächen eine große Energie, die sich später in ein rhythmisches Feuerwerk verwandelte und am Ende doch den Irrglauben stärkte, wenn das Blech im vierfachen fortissimo stehend spiele, sei der Kulturpalast noch akustisch tragbar. Für diese überzeugende Darbietung (wenngleich auf die Orgel am Ende verzichtet wurde...) eines der faszinierendsten polnischen Werke der neueren Zeit erhielt Urbanski großen Applaus. Martin Helmchen war dann der Solist in Ludwig van Beethovens 3. Klavierkonzert c-Moll. Das Gemeinschaftswerk der beiden jungen Gastmusiker war eine frische und natürliche Lesart dieses Klavierkonzertes, das als eines der herausragendsten Exempel des Genres und seiner Zeit gilt. Nach einer von Urbanski wunderbar kantabel musizierten Einleitung setzte Helmchen den melodischen Fluß mit Selbstverständlichkeit und jederzeit klarer Motivausformung fort. Anstelle das Konzert mit Bedeutung zu überfrachten, besann sich der Pianist auf kluge Akzentuierung, federnde Rhythmik und eine Leichtigkeit, die Schwung hatte, ohne Grenzen zu überschreiten. So entstand ein subtiles Hineinleuchten in die Musik, das auch im Dialog mit dem Orchester gelang: ein freies Musizieren innerhalb der beethovenschen emotionalen Welten entstand. Diese spürbar unprätentiöse Frische der Interpretation war beim Publikum höchst willkommen und Helmchen setzte auch in der betörenden Mozart-Zugabe diese Leichtigkeit fort. Als sinfonischen Abschluss hatte sich Krzysztof Urbanski für drei sinfonische Dichtungen aus dem Zyklus "Mein Vaterland" von Bedrich Smetana entschieden. Damit war nicht nur die Internationalität der sächsisch-polnisch-böhmischen Grenzregion vollzogen, sondern auch ein bekannt-behaglicher Abschluss dieses Konzertes gefunden. Denn Urbanski versuchte weniger aus den Orchesterpiècen ein Showdown zu gestalten, denn sich mit Sorgfalt den vielen melodischen und harmonischen Entwicklungen zu widmen. Dabei obsiegte einige Male die erwähnte Behaglichkeit, die sich durch recht zurückgenommenes Tempo einstellte, doch konnten etwa die Holzbläser auf diese Weise sehr schön ausmusizieren. Die Soli der Harfen und Klarinette in "Vyšehrad" und "Sarka" sowie die Flöten-Wellen der "Moldau" genoss man ohnehin. Jugendlicher Charme wehte über diesem Zykluskonzert. Die beiden außerordentlichen Talente werden ihren Weg machen, und dies eben nicht mit der wilden Revolution auf dem Podium, sondern mit dem hier demonstrierten, viel mehr überzeugenden Höchstmaß an Kreativität und musikalischer Kompetenz.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Paul Fleming neu vertont

Fünf Uraufführungen in der Sächsischen Akademie der Künste

Sehr erfreulich ist zu beobachten, dass sich die Sächsische Akademie der Künste mit ihrer illustren Runde von Künstlern und Wissenschaftlern nicht nur dem internen Diskurs hingibt, sondern immer wieder auch Projekte initiiert, die trotz oder gerade wegen eines hohen inhaltlichen Anspruches in die Öffentlichkeit drängen. So fanden im letzten Jahr einige Veranstaltungen zu Ehren des 400. Geburtstages des sächsischen Barockdichters Paul Fleming (1609-1640) statt. Ein Abend mit verschiedenen Uraufführungen auf Texte des Dichters bildete nun den Abschluss. Doch in der Versenkung wird Fleming gewiss nicht verschwinden, viel zu berühmt und faszinierend sind seine Schöpfungen, die nicht nur zeitgenössische Komponisten immer wieder zur Vertonung anregen. Gut besucht war der Konzertabend im Blockhaus mit insgesamt fünf Uraufführungen, die in Auftrag gegeben wurden. Das Ensemble AUDITIVVOKAL Dresden hat sich die Interpretation neuester Vokalkompositionen auf die Fahnen geschrieben und trat hier in der Kleinstbesetzung mit zwei Stimmen an, dennoch war die Kombination mit Instrumenten facettenreich. Leider war die Sopranistin Anna Palimina indisponiert und Carsten Hennigs Uraufführung muss daher bis zur Wiederholung des Konzertes (am 28. Januar im Mendelssohnhaus Leipzig) warten. Sie sang jedoch dennoch eine Bach-Vertonung von Paul Fleming und beteiligte sich an der Aufführung des Werkes von Friedrich Goldmann. Der im vergangenen Sommer verstorbene Komponist schuf eine reizvolle Annäherung an Fleming mittels zweier grundverschiedener Duette. Das berühmte Gedicht "An sich" erklang als hoffnungsvoll-melodische Gabe, während die insistierenden Holzblöcke in den "Gedancken über die Zeit" immer wieder die Wort-Ebene unterliefen, oft sogar bestimmten. Schön, dass man "An sich" in zwei verschiedenen Vertonungen betrachten konnte: Steffen Schleiermachers Sicht auf dieses Gedicht führte zu einem verbissenen Selbstgespräch, das der Bariton Sebastian Mattschoß mit intensivem Nachvollzug zeichnete. Gut und Böse lag hier nah beieinander und eine Peitsche markierte samt wenigen vokalen Ausbrüchen eine eher ausweglose Situation, da mochte Flemings mehrfach zitiertes "dennoch" wenig helfen. Die Kompositionen von Schleiermacher und Goldmann, Eckpunkte des Programmes, wirkten am aussagekräftigsten, während sich andere Komponisten mit den Texten eher schwer taten. Das allein wäre noch kein Kritikpunkt, denn wie Thomas Rosenlöcher in der anschließenden Diskussion richtig bemerkte, wirkt "das Fremde nah", wenn es einen offenen Raum erschließt. Mit der Flucht ins Klavierlied ist dies Günter Neubert und Siegfried Thiele wohl am wenigsten gelungen, denn auf tradiertem, besetzten Boden läßt sich auch mit Fleming keine neue Pflanze züchten. Neubert bekannte sich in den sieben Liedern "Auff die Liebste" zum syllabischen Strophenlied - mehr als eine kaum akzentuierte Lesung in Tönen sprang dabei nicht heraus. Siegfried Thiele legte Flemings "Widerstreit" konsequent dramatisch an. Andreas Hecker (Klavier) blieb in beiden Werken zu sehr im Hintergrund und hätte mehr akzentuieren und gestalten können. In Thieles Stück wie auch in Friedrich Schenkers "Neujahrsode" (mit dem Komponisten an der Posaune) zeigte Sebastian Mattschoß eine kraftvolle und kompetente Interpretation. Während Schenker die Singstimme wie einen Ausrufer behandelte, schien in der Posaunenstimme die gleichzeitige Interpretation versteckt, die sehr viel persönlicher formuliert war.
Die Quintessenz dieses Konzertes war vor allem die gute Erkenntnis, dass es viele verschiedene Wege der Annährung an den Dichter gibt. Manchmal legt die Musik sogar etwas frei, was jenseits der Beschreibbarkeit und der Zeiten liegt. Genau dann wird das Fremde nah und was sich hinter barocker Fassade verbirgt, sind vermutlich viel größere und wichtigere Anliegen.

Montag, 18. Januar 2010

Herzschlag des Universums

Gérard Griseys "Le noir de l'Etoile" im Festspielhaus Hellerau

Faszinierend und berührend ist es oft, wenn Menschen in die Natur hineinhorchen. Mittels moderner Sonartechnik ist es heute möglich, antarktischen Gewässern "zuzuhören". Bewegungen von Wasser und Wind werden ebenso hörbar gemacht wie Tiere, die wir normalerweise nicht hören können. Das freut nicht nur Biologen und Mathematiker, auch Künstler aller Genres bewundern die eigendynamische Qualität der Natur, die sich jenseits vom Konstruktionswillen oft wie von Geisterhand entfaltet. Wenn der französische Komponist Gerard Grisey (1946-98) seinen künstlerischen Ansatz mit den Worten "Klang als Wesen begreifen, durchtränkt mit organischem Leben, belebt von einem inneren Atem" beschreibt, so ist verwunderlich, dass seine Musik nur selten in den Konzertsälen gespielt wird. Jedoch beruft sich eine ganze Komponistengeneration auf Griseys Ideen: zu seiner sensiblen Beobachtung von Naturgesetzen und -gegebenheiten gehörte zwangsläufig auch die Arbeit mit Klangspektren und den Obertonreihen. Anders als Holst ("The Planets"), Langgaard ("Sphärenmusik") oder weitere bekennende Sternengucker unter den Komponisten widmet sich Grisey in "Le Noir de l'etoile" nicht der romantischen Weite des Alls, sondern seiner enormen Lebendigkeit, das durch unendliche Bewegung von Teilchen entsteht. Im Festspielhaus Hellerau gastierte am Freitag mit "Les Percussions de Strasbourg" nicht nur eines der weltbesten Schlagzeugensembles, sondern auch der Widmungsträger von Griseys rund einstündigem Werk. Die sechs Schlagzeuger sind im Festspielhaus um das Publikum herum gruppiert; was sich in gut 60 Minuten vor den Ohren abspielte, ist mit dem Besuch in einer Art akustischem Planetarium nur unzureichend beschrieben. Per Zuspielband erklangen in Klang übersetzte Pulsare, rotierende Überbleibsel von sterbenden oder explodierenden Planeten. Grisey widmet sich diesen Rotationen und bringt die sechs Musiker mit immer neuen Schlag-Wellen nah an die Grenze zur Unspielbarkeit - was beim Publikum hingebungsvolles Staunen hervorruft. Das Ensemble selbst begegnet der nahezu vor Noten "schwarzen" Partitur mit der ihnen eigenen Gelassenheit. Unglaubliche Kraft und Schnelligkeit demonstrierten zwölf oft mit mehreren Schlegeln bewaffnete Arme. Die aus völliger Ruhe und Konzentration geformte Interpretation war meisterlich. Als 6-Kanal-Surround-Konzert entwickeln sich Klangformationen, die sich einer Einordnung oder Bewertung schnell entziehen, weil Grisey äußerst streng mit den Materialien umgeht und aus recht wenigen Grundinstrumenten (Becken, Trommeln, Gongs) einen irrsinnig nuancenreichen Klangkatalog entwickelt, der beziehungslos bleiben muss. Schließt man die Augen, so verliert man schnell den Boden unter den Füßen: der Herzschlag des Universums wird auch aufgrund der reinen Phonstärke im plötzlich sehr begrenzten Festspielhaus sofort körperlich. Der Zeitbegriff wirkt nach einer Stunde angesichts dieses komponierten Mikroausschnittes aus dem All recht lächerlich und wir Menschen wieder einmal unendlich klein. Während der Niederschrift dieser Zeilen pulsiert das All weiter, Griseys Musik hingegen ist eine größere Verbreitung zu wünschen - denn die künstlerische Betrachtung kann uns nur sensibler für die Natur machen.

Dienstag, 22. Dezember 2009

Prinzip Leichtigkeit

Jan Vogler und Martin Stadtfeld spielen Bach

Johann Sebastian Bach - Gambensonaten
Jan Vogler, Martin Stadtfeld, sony classical


Bach im Spiegel der Moderne - zumindest das Cover der neuen CD von Jan Vogler und Martin Stadtfeld erzeugt eine solche Assoziation, wenngleich man im Vorübergehen die Platte eher im Schlagerfach vermuten würde: vor einer Paillettenwand blicken die Musiker, die sich auch weit über das Moritzburg Festival hinaus immer wieder als Kammermusikpartner schätzen, leger in die Kamera. Zu einem Charts-Renner werden sich die Gambensonaten von Johann Sebastian Bach jedoch kaum entwickeln, zu filigran und speziell ist die Faktur dieser drei Sonaten, die überdies sofort die Frage nach dem "richtigen" Instrument aufwirft. Vogler spielt sein Montagnana-Cello von 1721, Stadtfeld begleitet auf dem modernen Flügel. Die Wahl des Instrumentes gehört schon zur Interpretation, die Legitimierung findet man zumeist bei Bach selbst - schließlich ist bei vielen Werken die genaue Besetzung und die Erstfassung nicht immer geklärt. Vielfach ist es ja auch eine Nuance, die zu einer neuen musikalischen Qualität führt, das lehrt uns die Bach-Rezeption in erfrischender Weise. Vogler und Stadtfeld versuchen für die Gambensonaten BWV 1027-1029 einen Klang zu erzeugen, der wieder zurückweist auf die Tradition mit Gambe und Orgel/Cembalo. Die Frage bleibt offen, ob das nun ein moderner Zugriff auf Bach sei. Luftig und gesanglich ist das Spiel der beiden jederzeit, birgt aber in der konsequenten Leichtigkeit auch einige Gefahren. Vogler ist nicht immer präsent genug mit dem Cello, während man bei Stadtfeld auf den Moment wartet, wo neben transparenter Linienführung und einer leicht romantisierenden Andante-Vorstellung auch einmal der Zacken in die Sonaten getrieben wird - harmonische und melodische Besonderheiten gibt es ja genug. Doch die Leichtigkeit wird zum Prinzip und vermutlich liegt hier das Credo dieses musikalischen Aufeinandertreffens. Selten wird ein einmal eingeschlagenes Tempo verlassen und so sind vor allem die Allegro-Sätze vorwärtsorientiert, besonders die Schlussfuge von BWV 1028 beeindruckt. Die kleine und doch oft hochartifizielle Kunst des Choralvorspiels stellen Vogler und Stadtfeld auf dieser CD ebenfalls vor, acht ausgewählte und bearbeitete Choräle erreichen den Zuhörer zumeist wie schlichte Kirchenlieder. Vom Pomp des Covers ist man nun denkbar weit entfernt und insgesamt dürfte diese CD auch eher für eine entspannte Stunde sorgen.

Der Poet am Klavier

Arcadi Volodos' Debüt bei der Staatskapelle Dresden

1972 in St. Petersburg geboren, zählt der als „Genie am Klavier“ gefeierte Arcadi Volodos zu den herausragendsten Pianisten unserer Zeit. 1987 begann er seine Ausbildung in St. Petersburg, setzte sie dann in Moskau, Paris (Jacques Rouvier) und Madrid (Dmitri Bashkirov) fort. 1997 sorgte sein erstes Album mit von Volodos selbst geschriebenen Transkriptionen für Aufsehen und wurde vielfach ausgezeichnet. Seitdem arbeitet er mit führenden Orchestern und Dirigenten in aller Welt zusammen.1999 wurde sein Carnegie-Hall-Debüt veröffentlicht. Seine letzte CD mit Werken von Franz Liszt erhielt den Diapason d’Or und den Echo Klassik. Bei der Staatskapelle Dresden gastierte Arcadi Volodos zum ersten Mal und stellte das 2. Klavierkonzert von Johannes Brahms vor.

Alexander Keuk sprach nach einer Probe mit dem Pianisten.

Arcadi Volodos, Sie gastieren zum ersten Mal bei der Staatskapelle Dresden, wie war die Probe eben?

Es ist noch etwas früh, etwas zu sagen - die erste Probe ist immer eine Annäherung, man spricht über Tempi, das ist ein gegenseitiges Kennenlernen zwischen Solist und Orchester.

Ist es etwas Besonderes für Sie, mit der Staatskapelle zu musizieren?
Für mich ist jedes Konzert ist etwas besonderes, etwas sehr wichtiges. Hier ist der Klang des Orchesters sehr schön.

Sie werden oft als Poet am Klavier bezeichnet. Welche Geschichte erzählen Sie uns mit dem Klavierkonzert von Brahms?
Eigentlich kann man das nicht in Worte fassen. Jeder Moment, jede kleine Linie in diesem Werk hat seine eigene Botschaft, eine seelische Bedeutung. Das ist das schöne an der Musik, dass sie ohne Worte auskommt. Das kann man sogar mit Meditation vergleichen, es gibt einen bestimmten Status, an dem die Worte unwichtig sind. Man muss nicht fassen können oder erzählen müssen, was man genau da fühlt.

Inwieweit haben Sie in Ihrer Vorbereitung einen festen Plan vom Stück und wo entstehen Dinge im Konzert neu? Nutzen Sie diese Art von interpretatorischer Freiheit bewusst aus?
In der Vorbereitung habe ich natürlich sehr konkrete Vorstellungen von den Farben, von den Nuancen und Tempi des Werkes, aber wenn man die Bühne betritt, kommt noch Inspiration dazu und dann entstehen auch neue Dinge. Es gibt auch Nuancen, die kann man gar nicht vorbereiten, die geschehen einfach auf der Bühne, das muss man zulassen.

Sie haben früher Werke bearbeitet und transkribiert, ihre erste CD mit Transkriptionen wurde berühmt - was macht für Sie den Reiz dieser Bearbeitungen aus?

Ich schreibe immer noch Transkriptionen, man kann sie nicht mit den früheren vergleichen, aber ich mag z. B. sehr gerne Vokalmusik und in letzter Zeit habe ich Lieder für das Klavier transkribiert. Es geht mir dabei gar nicht so sehr um die Virtuosität der Stücke, sondern sehr viel mehr um die Polyphonie, um die Vielstimmigkeit der Klänge und Tonalitäten, das interessiert mich. Die Geschwindigkeit spielt doch keine Rolle. Das Publikum sollte den Pianisten vergessen, es sollte sich von den vielen Gefühlsmomenten der Musik forttragen lassen. Der Flügel klingt doch wie ein ganzes Orchester, und in den Transkriptionen werden die Klangfarben geradezu räumlich.

Also steht auch selbst im romantischen Brahms-Konzert nicht der Pianist im Mittelpunkt?

Die Musik ist genialer als es jeder einzelne Interpret sein kann.

Ist Ihnen dann die Virtuosität dann gar nicht so wichtig? Ihre letzte CD besteht ausschließlich aus Werken von Franz Liszt...
An Liszt fasziniert mich seine Religiösität, seine Mystik, nicht seine Virtuosität. In den Momenten der Virtuosität entsteht ein Energieschub, diesen genieße ich sehr. Es ist eine Art Temperament, das dann entsteht.

Ist Arcadi Volodos ein Perfektionist? Ist man zufrieden nach einem Konzert, nach der Erarbeitung eines Werkes?
Das gibt es nicht, man findet nie was man sucht, sonst könnte man gleich den Klavierdeckel zumachen, es geht immer weiter. Man entwickelt sich doch auch als Mensch immer weiter. Man braucht diese Unzufriedenheit, dass man noch nicht erreicht hat, was man eigentlich wollte, dann geht man einen Schritt weiter. Auch die Interpretationen verändern sich ja mit der Zeit.

Sie spielen relativ selten mit Orchester, ist das eine besondere Herausforderung oder sind Sie lieber alleine mit dem Flügel auf der Bühne?

Ich habe jetzt viel Brahms gespielt. Generell spiele ich lieber ein Recital als ein Klavierkonzert. Das liegt daran, dass die Klangpalette des Flügels in einem Recital noch viel größer und nuancenreicher ist. Im Klavierkonzert muss man oft auf den Klang des Orchesters eingehen.

Ihre neue CD wird im Januar erscheinen; die Aufnahme des Wiener Recitals vom Mai 2009 enthält Werke von Skrjabin, Ravel, Schumann und Liszt. Wie gehen Sie bei der Dramaturgie eines solchen Programmes vor, die Komponisten sind ja stilistisch nicht gerade eng beieinander?

Genau das war das Spannende an diesem Klavierabend, Ravel und Skrjabin zu vereinen oder im zweiten Teil zu erforschen, was die Schumann „Innigkeit“ nennt und dies wiederum in Kontrast zu Liszt zu setzen. Ich wollte in diesem Klavierabend die verschiedenen Welten zeigen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Neue CD: Volodos in Vienna - Werke von Skrjabin, Ravel, Schumann, Liszt, ab 15.1.2010 im Handel, auch als DVD und Blu-Ray.

Montag, 14. Dezember 2009

Wenig Zuspruch für Strauss

3. Zykluskonzert der Dresdner Philharmonie

In Musik gesetzte Philosophien, Konversationsstücke und Glühwein, das ging am zweiten Adventswochenende nicht unbedingt gut zusammen. So ließen sich die Massen von den offenen Türen des Kulturpalastes am Sonnabend kaum verführen: Stollen statt Strauss war die Devise. Unverdrossen von den nur spärlich besetzten Reihen musizierte die Dresdner Philharmonie im Zykluskonzert ein Programm, dass es in sich hatte: gleich im ersten Teil erklang die großformatige sinfonische Dichtung "Also sprach Zarathustra". Richard Strauss' Nietzsche-Phantasien mit den durch Stanley Kubricks Zweitverwertung allseits bekannten ersten vier Partiturseiten war zwar von den Musikern mit großem Engagement musiziert und von Chefdirigent Rafael Frühbeck de Burgos auswendig und souverän angeleitet, doch im Ergebnis blieben Wünsche offen. Sicherlich ist dieses Werk nicht eine der im Vorübergehen zu bewältigenden Partituren, und es gab auch reichlich gelungene Passagen zu genießen, wie etwa die verschlungenen solistischen Themendurchführungen der Streicher oder das wunderlich-verklärte Fugato. Doch trotz der jederzeit klaren Zeichengebung von Frühbeck de Burgos waren manche Passagen nicht optimal getroffen oder ließen die notwendige Leichtigkeit vermissen, auf der Spannung und absolut gemeinsame Zielfindung erst entstehen kann. Im zweiten Teil des Konzertes waren die sinfonischen Ansprüche dann nicht ganz so hoch. In den Begleitaufgaben und im zarteren Schmelz der Spätwerke des Komponisten war das Orchester sehr viel lockerer und nun auch homogener, so dass man über die Organisation hinaus ein viel feineres Klanggewebe wahrnehmen konnte. Die "Vier letzten Lieder" haben eine reiche Rezeptionsgeschichte und gehören zu absoluten Glanzstücken vieler großer Sängerinnen. Die Sopranistin Michaela Kaune nahm sich der luziden Atmosphäre mit fast zu viel Respekt und Innigkeit an - erst im dritten Lied öffnete sie ihre Stimme zu größerer Klangentfaltung. Doch zwang gerade ihre Zurückhaltung zum Hinhören, zum Versenken in Text und Musik, nur leider ist dies unter den derzeitigen akustischen Bedingungen im Saal kaum möglich, so dass im Ergebnis die wirkliche Intensität der Lieder kaum zum Zuhörer dringen konnte, so sehr sich auch Kaune und das Orchester um Modellierung und tragfähigen Klang bemühten. Anders lag die Sache bei der Schlussszene aus dem späten Einakter "Capriccio" - hier zeigte Michaela Kaune Opernblut und formte den gräflichen Schlussmonolog mit höchster Intensität und natürlich fließenden Linien. Ratlos steht man jedoch nach dem Konzert der sorglosen Programmdramaturgie gegenüber. Anstelle in Bezug auf das ohne Bühnenwirkung ohnehin schwer verdauliche "Capriccio" schamhaft auf ein "irritierendes" Stück im Programmheft hinzuweisen, empfiehlt sich die kontroverse, gewinnbringende Auseinandersetzung mit den Zeitläuften. Warum nicht einmal einen ganzen Konzertabend unter das Thema "Musik und Philosophie" stellen? Warum nicht die letzten Lieder verschiedener Komponisten betrachten? Und schließlich: warum wird angesichts von Musik aus dem Jahr 1942 nicht über den Garmischer Tellerrand geschaut? Dies würde die Menschen im Konzert wieder miteinander ins Gespräch und zu tieferem Verständnis der Musik bringen. Strauss' "Flucht in die Ablenkung" hinterließ in dieser konzertant-unkommentierten Darreichungsform nur schlechten Nachgeschmack.

Montag, 30. November 2009

Filigran-fragile Comoedie

Benjamin Schweitzers "Dafne" als szenische Uraufführung in Freiberg

Mut und Offenheit gegenüber zeitgenössischen Künsten bewies, wer am Mittwochabend die Premiere des Mittelsächsischen Theaters in Freiberg besuchte. Denn mit Benjamin Schweitzers "Dafne" stand ein zeitgenössisches Musikwerk auf dem Programm, dessen Realisierung und fragmentarische Spezifik jenseits aller bekannten Genres dem Zuhörer einiges abverlangte. Die Götterversammlung fand nicht in den heiligen Theaterhallen statt, sondern sehr profan und zeitgemäß im Karl-Kegel-Bau der TU Bergakademie Freiberg. Erste Feststellung (auch der Regie): das 2006 in Berlin bereits konzertant vorgestellte Werk des 1973 geborenen Komponisten dauert genau eine halbe Stunde. War es da Not oder Tugend, den Abend mit Erläuterungen, Lesestunde im Hörsaal und Wandeltheater in der Maschinenhalle aufzublähen? Dem gleich neben dem Kassentisch zu Beginn aufgeführten Madrigal "Così morir debb'io" von Heinrich Schütz kam jedenfalls eine Schlüsselfunktion zu. Zum einen als Huldigung an den Sagittarius, dessen eigene Dafne-Musik nicht mehr erhalten ist, zum zweiten aber, und damit setzte Dirigent Jan Michael Horstmann das erste Ausrufezeichen, trifft das Madrigaleske, Filigrane ganz den Kern von Schweitzers Kompositionsweise und bildet somit die Brücke zur Gegenwart.
Denn mit der altbackenen Genreschublade "Oper" kommt man bei diesem Collage-Fragment nicht weit, da nützt auch der putzig inszenierte Tag der offenen Tür auf dem Götterberg Olymp nichts mehr. Mit der Harmlosigkeit des Schäferstücks allein gibt sich Schweitzer nicht zufrieden. Seine Hinzudichtungen, Umstellungen oder Dopplungen sind so behutsam, dass man das Gefühl nicht losbekommt, an dieser Götter-Speise könnte man sich die Finger verbrennen, wenn zuviel Barock, zuviel Oper oder gar zuviel Musik hineinkäme. Sauber trennt er Licht und Schatten des Stoffes, wird als Komponist eher zum Betrachter der Gemengelage und läßt offen, ob das ökologische Nirwana der Dafne als singender Baum eher der Comoedie oder dem Drama zuzuordnen ist. Regisseurin Judica Semler indes kümmerte sich wenig um die Fragilität des Fragmentes, sie beließ die barocken Figuren in ihren Kokons. Lediglich der hervorragend präsente Chor ist bebrillt im Stande, die Szenerie sowohl scharfzustellen, Blindheit vorzutäuschen oder schlicht per Grubenlampe Noten und Text zu lesen. Letzteres ist dem Publikum leider nicht vergönnt, doch gerade die Schweitzersche Behandlung des Originaltextes von Martin Opitz (1597-1639) hätte weitergehendes Verständnis ermöglicht. Uta Simone (Dafne), Susanne Engelhardt (Cupido), Miriam Sabba (Venus) und Guido Kunze (Apollo) bilden ein sängerisch sehr überzeugendes Götterensemble, Christian Weber legte als Ovid etwas zuviel Emphase in seine Erläuterungen. Ein kleines, feines Instrumentalensemble hielt in dieser kurzweiligen "Dafne" die Fäden zusammen und dort spielt sich auch wirkliches Kammertheater ab: Schweitzer entfernt alle künstliche Erzählzeit aus dem Stück (was dem Hörer Anstrengung abnötigt, denn sowohl Liebeswerbung, Verwandlung als auch Tod sind in wenigen Minuten passé) und bietet eine in den Momentaktionen unglaublich variantenreiche Klangpalette feil. Ein überflüssiger Zeitfüller war indes die Darstellung von zeitgenössischen Spieltechniken auf den Instrumenten vor Beginn der Oper, was nur ohne ärgerliche Veralberung des Sujets einigen Sinn gemacht hätte. Der starke Beifall am Schluss zeigte, dass das offene, begeisterte Freiberger Publikum solcherlei bemühtes Beiwerk kaum benötigt - über gutes Essen redet man nicht, man genießt es. So hätte Schweitzers Werk in Freiberg auch durchaus für sich alleine sprechen können, die Zurseitstellung eines kontrastierenden Einakters oder einer Barockoper wäre spannende Aufgabe für die Zukunft.

Weitere Aufführung: Dienstag, 1.12., 19.30 Uhr
https://www.mittelsaechsisches-theater.de/

Novembereske Lied-Romantik

Vesselina Kasarova im Liederabend der Semperoper

Sie hat mit Rossini Welterfolge gefeiert, singt Mozart glasklar und Händel voller Glut. 2008 gab sie ihr Debut als Carmen und zwischen Massenet, Rossini und Händel wechseln ihre derzeitigen Engagements. In Dresden hat sie eine treue Schar von Verehrern, allerdings hätte man Vesselina Kasarova ein rappelvolles Haus zu ihrem Liederabend gewünscht, denn gerade im Semperbau gestaltete die Ausnahme-Sängerin schon einige unvergessliche Opern- und Liederabende. Nicht wirklich erklären kann ich mir auch den recht spärlichen Applaus nach dem 1. Teil ihres Programmes, denn was die bulgarische Mezzosopranistin aus scheinbar hinlänglich bekanntem Liedgut von Johannes Brahms und Robert Schumann machte, war eine Demonstration von Authentizität, Charakter und technischer Brillanz. Wer bei der Kasarova allerdings den Diven-Glanz suchte, die extrovertierte Rampen-Sau gar, der war völlig fehl am Platze. Vesselina Kasarova modelliert, sie sucht einen bestimmten Klang für jede noch so feine Ausdrucksnuance der Lieder. Sehnsucht ist nicht gleich Sehnsucht und ein Verlassen-Werden hat immer eine andere Färbung von Trauer und Endgültigkeit. In der Zeichnung dieser Emotionen sind Brahms und Schumann ungeschlagene Meister und Vesselina Kasarova spürte den Stimmungen mit jeder gesungenen Note nach. Charles Spencer verbreitete am Flügel Vertrauen und Mitgefühl mit einer Anschlagskultur, deren Nuancenreichtum selbst Solo-Pianisten kaum in solch voller Palette entfalten würden. Jeder Einstieg bereitete perfekt die ganze Szenerie vor, jedes Nachspiel wurde zu einem kleinen Gedankenwunder. Novemberesk gelangen Schumanns "Arme Peter"-Gesänge, wie überhaupt der ganze erste Teil von Herbstlaub und Abschieds-Witterung überwuchert zu sein schien. Da war Brahms' "grüne Liebe" gerade mal ein aus einem Guss geformter kurzer Lichtblick. Den stetigen Wechsel zwischen innigster Ausformung und offen herausfahrender Dramatik meisterte Kasarova mühelos. Der "Lerchengesang" von Brahms war das intimste Beispiel einer vorsichtigen Zurückgezogenheit. "Von ewiger Liebe" steigerte sich nach langsamem Beginn in immer neuen Wogen bis zum unumkehrbaren Bekenntnis des Mädchens: "Unsere Liebe muss ewig bestehen". Nach der Pause gab es einen Weltenwandel im Programm und auch in den Interpretationen. Mit der Hinwendung zum russischen Kunstlied betrat die Sängerin völlig andere Gefilde, die sie stimmlich mit mehr Schmelz und damit auch natürlicher Flexibilität in Tempo und Dynamik anging. Hier war weniger die durchaus klassisch "deutsche" Überlegung und bewusste Formung gefragt. Stattdessen beobachtete man freudig, wie sie von Lied zu Lied immer mehr in die großen Bögen hineinsank, sich auch einmal vom schützenden Flügel entfernte und in Peter Tschaikowskys "Ob heller Tag" tosende Leidenschaft entfaltete. All diese Lieder gelangen ihr mit hingebungsvoller Ehrlichkeit, die in den Bann zog. Auch Sergej Rachmaninows Lieder waren wunderbare Entdeckungen, endgültig verfallen durfte man ihrer Stimme natürlich in den zwei bulgarischen Volkslied-Zugaben. Damit war sie zu Hause angekommen und jeden ihrer Zuhörer lud sie wie einen persönlichen Gast ein. Diese Erlebnisse sind selten geworden in der schnellen, lauten Musikwelt.

Sonntag, 22. November 2009

Orient und Okzident vereint

Ranajit Sengupta und Miguel Guldimann bei "Musik zwischen den Welten"

Zum dritten Mal gastierte der indische Sarod-Spieler Ranajit Sengupta innerhalb der Konzertreihe "Musik zwischen den Welten" in Dresden und freute sich außerordentlich, seine Musik den Dresdnern quasi wie ein Geschenk geben zu können - in dieser hingebungsvollen Leidenschaft sind indische Musiker ohnehin einzigartig. Neben traditionellen Klängen anderer Kulturen stellt "Musik zwischen den Welten" regelmäßig auch neue Projekte und Zusammenarbeiten verschiedenster Musiker vor. So kam Sengupta dieses Mal nicht allein, sondern brachte den in Peru geborenen und seit seiner Kindheit in der Schweiz lebenden Gitarristen Miguel Guldimann mit. "Anuraag" (aus dem Sanskrit, etwa: "universelle Liebe") nennt sich das Duo, das in der Dreikönigskirche auf insgesamt 33 Saiten musizierte: Die Sarod, ein der Laute verwandtes indisches Melodieinstrument, hat allein 25 Saiten - Miguel Guldimann spielte im Konzert die eher selten zu hörende 8saitige Konzertgitarre. Vor Konzertbeginn herrschte bereits Spannung - würden diese so unterschiedlichen Saiteninstrumente überhaupt zueinander passen, zueinander finden? "Enjoy our tuning" war dann auch Senguptas leicht ironische Ansage - jeder einzelne Song bedurfte einer besonderen Neu-Stimmung der Instrumente, um Orient und Okzident in einem quasi neuen musikalischen Universum zu vereinen. Dabei schlug das kulturelle Pendel mal mehr in Richtung abendländischer, kadenzgebundener Musik, mal mehr in Richtung der abenteuerlich verzierten Melodik des Inders aus. Klassische Ragas gab es an diesem Abend nicht zu hören, wenngleich Senguptas temperamentvolle Spieltechnik natürlich über viele Jahre aus der Raga-Musik gespeist ist. Triebfeder der beiden Saitenspieler waren vor allem Rhythmus und gesprächartiges Miteinander; so scheute sich das Stück namens "Dialog" auch nicht, einen fast rockigen Groove auszubilden, während andere Songs wie "New Beginning" eher volkstümlichen Charakter aufwiesen. Sengupta und Guldimann trafen sich für dieses Musikprojekt mehrfach in Deutschland, der Schweiz und in Indien. Die gemeinsam erarbeiteten Kompositionen sind ganz eigene Charakterstücke, die beiden Musikern genug Raum und vor allem Zeit zur virtuosen Entfaltung geben. Zwischen nahezu sinfonisch zu nennenden rhythmischen Tableaus und verästelten, melancholischen Solomelodien waren hier viele Zwischentöne und Entwicklungen zu verfolgen. Selbst wenn Guldimann nur dezent begleitet, sind die kleinen Untergrundmodelle klug erdacht und nähern sich dem klangfarblichen Reichtum der Sarod an. Tabla-Kaskaden (Rupak Bhattacharjee) fügten sich auf natürliche Weise hinzu, so dass man am Ende das Gefühl nach Hause trug, einen ganz originären Abend erlebt zu haben, in dem Respekt, Verständnis und die Freude am Musikmachen sich unmittelbar mitteilen konnten.

(19.11.)

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